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Griechenland-Hilfen
"Eurogruppe legt Zweckoptimismus an den Tag"

Die Ziele für wirtschaftliches Wachstum, die die Eurogruppe mit Griechenland vereinbart habe, seien schwer erreichbar, sagte Michael Koetter von der Frankfurt School of Finance and Management im DLF. Dass Griechenland über Privatisierungen 50 Milliarden Euro einnehme, halte er für eine sehr optimistische Prognose.

Michael Koetter im Gespräch mit Christiane Kaess |
    Griechenlands Finanzminister Euclid Tsakalotos gibt Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble die Hand beim Treffen der Euro-Finanzminister.
    Griechenlands Finanzminister Euclid Tsakalotos gibt Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble die Hand beim Treffen der Euro-Finanzminister. (dpa / picture alliance / Olivier Hoslet)
    Christiane Kaess: Jetzt kann das dritte Griechenland-Hilfsprogramm nur noch von Abgeordneten gestoppt werden. Und dass das passiert, ist äußerst unwahrscheinlich. Die Finanzminister der Eurostaaten haben gestern Abend grünes Licht gegeben für weitere Kredite von bis zu 86 Milliarden Euro, die erste Rate soll schon sehr bald fließen, nachdem einige nationale Parlamente der Euroländer darüber entschieden haben.
    Darüber sprechen möchte ich jetzt mit Professor Michael Koetter, er ist Finanzexperte an der Frankfurt School of Finance and Management. Guten Tag!
    Michael Koetter: Guten Tag!
    Kaess: Herr Koetter, die sogenannte Schuldentragfähigkeit für Griechenland, das ist ein zentraler Punkt in dieser Einigung. Wir haben gerade in einem der Beiträge gehört, Eurogruppenchef Jeroen Dijsselbloem sagt, diese Schuldentragfähigkeit ist in der Einigung gegeben. Sehen Sie das auch so eindeutig?
    Koetter: Ich teile die Einschätzung, dass die Schuldentragfähigkeit in dem gegebenen, geschnürten Paket genauso gut oder schlecht gegeben ist wie vorher. Entscheidend ist die Annahme zu Inflation und Wachstum, die darunter liegt. Zum Beispiel sagt die Europäische Kommission 2016 2,9 Prozent Output Growth voraus, das halte ich für sehr optimistisch. Es bleibt abzuwarten, ob die Realwirtschaft tatsächlich so dynamisiert wird, wie es sich die Politik erhofft.
    Kaess: Also, wir könnten im Moment sagen, die Eurogruppe redet sich das ein bisschen schön?
    Koetter: Ich denke, sie legt den gleichen Zweckoptimismus an den Tag, den sie konsistenterweise in den letzten ein, anderthalb Jahren an den Tag gelegt hat. Für mein persönliches Dafürhalten würde ich mir noch mehr Strukturreformen wünschen, die tatsächlich dazu dienen, das Wachstum zu beschleunigen.
    Kaess: Wie wichtig ist denn tatsächlich diese Schuldentragfähigkeit für die Erholung Griechenlands? Da scheint es ja unterschiedliche Meinungen dazu zu geben!
    Koetter: Sie ist meines Erachtens nach entscheidend. Sie sehen bereits in den Einlassungen von Bundesfinanzminister Schäuble, dass die Hälfte der ersten Tranche tatsächlich nur und ausschließlich für den Schuldendienst ausgegeben wird. Einerseits muss natürlich Glaubwürdigkeit gesichert werden, das wird dadurch erreicht, dass man Schulden zurückbezahlt, gleichwohl ist niemandem damit gedient, wenn Sie neue Schulden lediglich benutzen können, um alte Schulden zurückzubezahlen. Daraus entstehen keine Innovationen, keine neuen Arbeitsplätze, keine Bildung und all das, was wir brauchen, um Produktivität zu steigern.
    "Ich denke, dass es korrekte Maßnahmen sind"
    Kaess: Und in diesem Zusammenhang oder daran anschließen tut sich im Moment die Diskussion um Schuldenschnitt beziehungsweise Schuldenerleichterungen. Sind denn Griechenlands Schulden tatsächlich nicht rückzahlbar?
    Koetter: Sie sind rückzahlbar, wenn wir auf einen steileren Wachstumspfad kommen. Sie sind im Moment geradezu strangulierend, etwa 180 Prozent der Wirtschaftsleistung sind Schulden tatsächlich. Das ist zu viel. Sie sind aber rückzahlbar, wenn wir auf einen Wachstumspfad kommen, der tatsächlich für ein paar Jahre drei, vier Prozent haben würde. Das geht aber nur, indem wir tatsächlich Strukturreformen haben, Arbeitsmärkte müssen reformiert werden, die Rentenpolitik muss tatsächlich nachhaltiger strukturiert werden. Ich denke auch, dass Steuererhöhungen dazugehören. Und vor allen Dingen die effizientere Durchsetzung von effektiveren Steuerregeln.
    Kaess: Und was jetzt in der Theorie in dieser Einigung vorgesehen ist, das würde dann dafür ausreichen?
    Koetter: Ich denke, das ist ein richtiger und erster Schritt, der komplett zu unterstützen ist. Ich denke, dass es korrekte Maßnahmen sind zu sagen, dass man Steuersünder beispielsweise tatsächlich über den berühmten Peer Pressure ein wenig an den Pranger stellen will, dass man versucht, ein Kataster aufzubauen, dass man versucht, das, was bereits da ist, einzusammeln an Mitteln. Das alles ist, glaube ich, ein Schritt in die richtige Richtung.
    Kaess: Die Bundesregierung möchte ja unbedingt den IWF an Bord haben. Der aber möchte wiederum einen Schuldenschnitt, was die Bundesregierung nicht gerne haben möchte. Aber die IWF-Chefin Christine Lagarde hat es noch einmal deutlich gemacht, eine weitere Beteiligung kommt für sie nur infrage, wenn die europäischen Geldgeber tatsächlich weitere Zugeständnisse machen. Ihre Einschätzung, wird dieser Schuldenschnitt beziehungsweise diese Schuldenerleichterung kommen?
    Koetter: Sie wird in Form eines Feigenblattes kommen. Im Oktober wird es meiner Einschätzung nach zu einer Debt Restructuring kommen in der Form, dass die Zeiten noch mal verlängert werden, bis wann oder ab wann Schuldendienst geleistet werden muss und ab wann Zinsen gezahlt werden müssen. Das ist bereits alles weit in die Zukunft geschoben, ich glaube also, dass das materiell keinen großen Unterschied machen wird. Es wird nicht zu einem nominalen Schuldenschnitt kommen, dass man also Schulden erlässt. Ich glaube aber, im Oktober wird man dieses Feigenblatt bringen, damit der IWF mit an Bord sein kann. Und das wiederum halte ich für eine sehr wichtige Voraussetzung in der Tat.
    Koetter: Einnahmeprognosen aus Privatisierungen sehr optimistisch
    Kaess: Schauen wir noch kurz auf die Kritik, die es bisher schon an dieser ganzen Rettungspolitik für Griechenland gegeben hat: Eine lautet, bisher wurden in Griechenland ja nur die Banken gerettet. Würden Sie sagen, das stimmt so, und geht dieses dritte Hilfspaket tatsächlich über die Bankenrettung hinaus?
    Koetter: Ich würde dem nicht zustimmen, dass nur die Banken gerettet worden sind. Sie waren natürlich und sind es immer noch ein wichtiger Katalysator, um die Finanzmittel, die die Wirtschaft dringend benötigt, eben aus dem Zentralbankkeller an die Unternehmen zu leiten. Deshalb sind die Banken ein ganz wichtiger Baustein in dem Rettungspaket und in den Rettungsbemühungen gewesen. Dass nur die Banken gerettet wurden, stimmt deshalb allein schon nicht, alldieweil die vier systemrelevanten Banken über eine Zweckgesellschaft dem griechischen Staat gegenwärtig gehören. Also, das ist nicht korrekt zu sagen, dass die griechischen Banken gerettet worden sind. Der griechische Staat wurde gerettet.
    Kaess: Und eine weitere Kritik macht sich fest an den vorgesehenen Privatisierungen, die dafür gemacht werden, um die Staatsschulden zu finanzieren. Wie realistisch ist diese Finanzierung von Staatsschulden durch Privatisierungen?
    Koetter: Es zirkulierte die Zahl von 50 Milliarden in den letzten sechs Wochen. Ich halte das für eine sehr optimistische Einschätzung, zumal davon auch wieder die Hälfte tatsächlich für Schuldendienste benutzt werden würde. Es ist meines Erachtens nach, meiner Einschätzung nach schwierig, da irgendeine Zahl zu schießen, weil wir in einem fallenden Markt sicherlich nicht Notverkäufe tätigen möchten. Und ob das dann 50 Milliarden sind oder nur 25 Milliarden, die wir für eine griechische Staatsbahn lösen könnten, das ist meines Erachtens nach keine belastbare Einschätzung. Mein Gefühl ist, dass die 50 Milliarden zu hoch gegriffen sind und es auch keine Not gibt, eine konkrete Zahl an dieser Stelle bereits abgeben zu müssen.
    Kaess: Die Einschätzung von Professor Michael Koetter, er ist Finanzexperte an der Frankfurt School of Finance and Management. Danke schön für dieses Gespräch!
    Koetter: Danke Ihnen!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.