Bei der letzten Griechenland-Abstimmung im Bundestag hat der CDU-Abgeordnete Andreas Lämmel gegen seine Fraktion gestimmt. Dieses Mal ist er noch nicht zu 100 Prozent entschieden. Seine Entscheidung werde von der morgigen Fraktionssitzung abhängen, sagte Lämmel im DLF. Noch lägen nicht alle Informationen im Detail vor und er müsse alle Argumente einfließen lassen. "Ich kann mir aber nicht vorstellen, dass noch so viele positive Argumente kommen, dass ich mich noch mal umentscheide".
Lämmel erklärte, er habe im Juli gegen die Verhandlungen gestimmt, weil er der Auffassung sei, dass man den Griechen nicht helfe, indem man ständig neue Programme verabschiede, deren Auflagen dann nicht erfüllt würden. Seit fünf Jahren rede man etwa darüber, dass die Regierung in Athen neben Steuerreformen auch die Wirtschaft ankurbeln müsse. Hier habe sich aber nichts getan. "Nach fünf Jahren ist die Strategie - Geld gegen Umsetzung von Reformen - klar gescheitert." Jetzt müsse die Diskussion zu Alternativen beginnen.
"Ich glaube, der Aufwand, den wir in den letzten Jahren getrieben haben für das eine kleine Land Griechenland, nervt die Leute enorm", sagte der CDU-Politiker weiter. Seine eigene Entscheidung müsse er vor allem gegenüber den Wählern verantworten.
Der Bundestag stimmt am Mittwoch in einer Sondersitzung über das neue Griechenland-Paket ab, das Kredite von bis zu 86 Milliarden Euro vorsieht. Im Gegenzug muss Athen Reformen umsetzen und Sparauflagen erfüllen.Vor einem Monat hatten im Bundestag bei der Abstimmung über neue Verhandlungen mit Griechenland 60 Unions-Abgeordnete mit Nein votiert.
Das Interview in voller Länge:
Christiane Kaess: Athen hat die Notwendigkeit einschneidender Reformen jetzt verstanden. Das glaubt Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble. Und er will offenbar den Abgeordneten der Union damit Mut machen, für die Einigung auf ein drittes Hilfspaket für Griechenland zu stimmen. Viele von ihnen mussten ihren Urlaub abbrechen für die Sondersitzung des Bundestages am Mittwoch.
Am Telefon verbunden sind wir jetzt mit Andreas Lämmel von der CDU. Er ist der Obmann der Union im Wirtschaftsausschuss des Bundestages und er hat im Juli gegen Verhandlungen mit Athen gestimmt. Guten Morgen, Herr Lämmel.
Andreas Lämmel: Einen schönen guten Morgen nach Köln.
Kaess: Werden Sie am Mittwoch wieder Nein sagen?
Lämmel: Das wird jetzt davon abhängen, wie die Fraktionssitzung verlaufen wird, die ja am Dienstagabend stattfindet, denn noch liegen uns nicht alle Informationen wirklich so detailliert vor.
Kaess: Dass Sie noch mal zweifeln, da möchte ich Sie fragen: Was hat sich denn seit Ihrem Nein im Juli verändert, dass Sie jetzt eventuell doch noch mal schwanken?
Lämmel: Ich schwanke eigentlich nicht, aber ich muss ja zumindest alle Erwägungen, alle Argumente in meine Entscheidung einfließen lassen. Aber ich kann mir nicht vorstellen, dass jetzt noch mal so viele positive neue Nachrichten kommen, die meine Entscheidung jetzt in eine andere Richtung bringen würden.
Kaess: Und ich schätze mal, ein Kriterium ist, dass der IWF an Bord bleiben müsste?
Lämmel: Ein Kriterium ist der Internationale Währungsfonds. Wir haben damals aus dem Parlament heraus vor fünf Jahren die Bundesregierung gedrängt, den Internationalen Währungsfonds an Bord zu nehmen. Ich kann mich noch genau erinnern, dass der Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble damals kein Freund des Internationalen Währungsfonds war. Er war der Auffassung, das können die Europäer alleine. Und es gab in der CDU/CSU-Fraktion ganz klar die Verabredung, der IWF muss in dem Rettungspaket mit an Bord bleiben.
Kaess: Nun hat sich ja Angela Merkel gestern im ZDF-Sommerinterview durchaus optimistisch gezeigt, dass der IWF sich beteiligen wird. Warum reicht Ihnen das nicht?
Lämmel: Na ja, das werden wir am Dienstag noch mal genau mit der Bundeskanzlerin und mit dem Bundesfinanzminister diskutieren müssen, woran denn der Optimismus festzumachen ist: Gibt es da feste Zusagen, oder was ist eigentlich verabredet mit dem Internationalen Währungsfonds?
"Rettungspaket ist nicht mehr der richtige Weg"
Kaess: Aber unabhängig davon, woran sich dieser Optimismus festmacht, die Gewissheit werden Sie erst im Herbst haben?
Lämmel: Ja, das ist natürlich das große Problem an der Sache, und man muss ja auch sagen, ich habe damals im Juli gegen das Paket, gegen die Verhandlungen gestimmt, weil ich der Auffassung bin, dass das nicht mehr der richtige Weg ist, um den Griechen zu helfen, indem man ständig neue Programme macht, indem wieder Auflagen formuliert werden, die aber dann nie eingehalten werden.
Kaess: Herr Lämmel, wenn der IWF an Bord bleiben soll, dann ist ganz klar, dass es Schuldenerleichterungen geben muss. Das ist das Kriterium, das der IWF stellt. Die Bundeskanzlerin hat gestern bestätigt, darauf könne man sich einlassen, wenn es nicht um einen Schuldenschnitt geht. Ist das für Sie plausibel?
Lämmel: Na ja, das Thema der Schuldenerleichterungen, das hat ja jetzt in den Verhandlungen offensichtlich fast keine Rolle gespielt. In den ganzen Jahren haben wir uns eigentlich immer darüber unterhalten, ob die Schulden, die Griechenland bereits hat oder die über neue Programme dazukommen, ob die sogenannte Schuldentragfähigkeit überhaupt erreicht wird, das heißt, kann Griechenland seine Schulden jemals zurückzahlen. Jetzt spielt das plötzlich gar keine Rolle mehr und deswegen ist es schon wichtig, dass der IWF gerade dieses Kriterium wieder mit in die Diskussion bringt, und ich glaube, hier sieht es auch sehr schwierig aus, denn wenn die Berechnungen stimmen, beziehungsweise die Berechnungen, die ich kenne, wird ja diese Verschuldungsgrenze fast 200 Prozent des Bruttoinlandsproduktes betragen, und das liegt natürlich weit, weit, weit über den vereinbarten Grenzen.
"Es darf zu keinem Schuldenschnitt kommen"
Kaess: Aber wenn ich Sie richtig verstehe, dann gehen auch Sie davon aus, dass Schuldenerleichterungen für Griechenland kommen werden?
Lämmel: Wie man das jetzt ausgestaltet, da werden sicherlich die Finanzbeamten noch viel Fantasie entwickeln. Klar ist auf jeden Fall für mich, dass es zu keinem sogenannten Schuldenschnitt kommen darf, denn das wäre ja die Einladung auch an alle anderen Staaten, einen Schuldenschnitt für ihre Schulden zu fordern.
"In Griechenland fehlt die Basis für eine Schuldentragfähigkeit"
Kaess: Viel Fantasie, sagen Sie. Aber Frage an den Wirtschaftspolitiker: Sind Schuldenerleichterungen dann in diesem Fall nicht doch ein anderes Wort für Schuldenschnitt?
Lämmel: Na ja, im Prinzip ist das schon so. Aber weil Sie mich auch als Wirtschaftspolitiker angesprochen haben: Das ist eigentlich das Hauptproblem, was ich mit diesen ganzen Paketen habe, dass wir seit fünf Jahren darüber reden, dass die griechische Regierung neben neuen Steuerregelungen, neben der Schaffung von Katastern vor allen Dingen auch wirtschaftspolitische Maßnahmen ergreift, und sie hat seit fünf Jahren fast nichts getan, um die Wirtschaft in Griechenland wieder in Schwung zu bringen, und damit fehlt einfach auch die Basis, dass die Schuldentragfähigkeit überhaupt erreicht werden kann.
"Aufwand für Griechenland-Rettung nervt die Leute"
Kaess: Herr Lämmel, wie ist die Stimmung in der Fraktion vor dieser Abstimmung?
Lämmel: Na ja, so hundertprozentig vermag ich das im Moment nicht einzuschätzen. Sie wissen, wir waren jetzt in den Sommerferien und wir werden uns ja morgen in Berlin alle wieder treffen. Die Landesgruppen werden tagen, die sogenannten soziologischen Gruppen, und dann wird man mal abschätzen, wie die Stimmung wirklich ist. Ich glaube, der Aufwand, den wir in den letzten Jahren getrieben haben für das eine kleine Land Griechenland, das nervt die Leute, glaube ich, sehr.
Kaess: Können Sie einschätzen, wie viele Abgeordnete mit Nein stimmen werden? Sind Sie im Kontakt mit anderen, was das betrifft?
Lämmel: Wir sind im Kontakt, aber ich kann jetzt von hieraus nicht einschätzen, wie letztendlich die Abgeordneten sich entscheiden werden.
Kaess: Ist man aus der Fraktion auf Sie zugegangen, um Sie zu überreden, mit Ja zu stimmen?
Lämmel: Nein! Es hat sich eigentlich auch nach dem Interview von unserem Fraktionsvorsitzenden da niemand gemeldet.
"Ich mache mir keine Sorgen um meine Position"
Kaess: Dieses Interview war ja wie eine Warnung, oder viele haben es auch als Drohung wahrgenommen von Fraktionschef Volker Kauder, Abweichler werden nicht mehr in wichtige Ausschüsse entsandt. Die Bundeskanzlerin hat das gestern im Sommerinterview dann so formuliert, dass die Mehrheitsmeinung sich in den Ausschüssen widerspiegeln muss. Machen Sie sich Sorgen um Ihre Position im Haushaltsausschuss?
Lämmel: Ich mache mir keine Sorgen um meine Position. Ich bin im Wirtschaftsausschuss. Ich muss sagen, wir haben in unserem Ausschuss immer die Mehrheit darstellen können. Bei uns gibt es da aus meiner Sicht überhaupt keinen Grund, Umbesetzungen vornehmen zu müssen.
Kaess: Und auch der Hinweis von Frau Merkel auf die Geschäftsordnung des Bundestages wäre für Sie jetzt kein Kriterium zu sagen, ich muss mir mein Nein doch noch mal besonders gut überlegen?
Lämmel: Na ja, die Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages ersetzt ja nicht die Überlegung oder das Tragen der Verantwortung jedes einzelnen Abgeordneten. Und man muss ja auch deutlich sagen, die Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages ist das eine. Wir haben die Arbeitsordnung der Fraktion, die ich auch immer eingehalten habe, aber trotzdem muss ich noch mal sagen, ich trage auch Verantwortung für meine Entscheidung und ich muss sie vor allem gegenüber den Wählern verteidigen können.
"Es geht hier nicht um Populismus"
Kaess: Es gibt durchaus ja auch Kritik an den Neinsagern, nenne ich sie mal ganz salopp, von anderen Abgeordneten. Populismus á la Carte war eine Bemerkung und die Neinsager wollten in ihren Wahlkreisen die Helden spielen. Sind Sie, Herr Lämmel, Populist, oder wollen Sie den Helden spielen?
Lämmel: Ich weiß nicht, woher die Äußerung kommt. Die hat mich sehr überrascht, dass jemand so was geäußert hat. Ich habe das ja auch in der Fraktionssitzung deutlich gemacht.
Ich habe bisher immer den Griechenland-Paketen zugestimmt. Aber es ist doch ganz offensichtlich geworden, dass nach fünf Jahren die Strategie, die wir eingeschlagen hatten, das heißt Geld gegen die Erfüllung von zugesagten Reformen, dass dieser Weg gescheitert ist. Und deswegen muss man sagen, geht es hier überhaupt nicht um Populismus, sondern es geht einfach auch darum, dass man sich für sich selbst entscheiden muss, ob man diesen Weg so mittragen kann, oder ob man vielleicht auch die Diskussion zu Alternativen beginnen sollte.
Kaess: ... sagt Andreas Lämmel von der CDU. Er ist der Obmann der Union im Wirtschaftsausschuss des Bundestages. Danke schön für dieses Gespräch.
Lämmel: Schönen Tag für Sie noch. Danke schön!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.