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"Griechenland ist für Sparer nicht so wichtig"

Versicherer haben kaum in Griechenland investiert, so Hermann-Josef Tenhagen von der "Finanztest". Lebensversicherungsnehmer und Sparer müssten sich daher erst mal "keine Sorgen machen". In Dollar zu investieren, davon rät Tenhagen vor dem Hintergrund des US-Schuldenbergs gegenwärtig ab.

Hermann-Josef Tenhagen im Gespräch mit Jule Reimer |
    Jule Reimer: Die Schulden sollen über einen längeren Zeitraum gestreckt, die Zinsen abgesenkt werden. Mit diesem Rezept wollen die EU-Staaten Griechenland wieder auf die Beine helfen. Denn die aufgehäuften Schulden komplett zurückzuzahlen, dafür hätte es schon eines Wunders bedurft. 20 Jahre lang hätte Griechenland ein Wirtschaftswachstum von über acht Prozent erreichen müssen; hierzulande ist man schon höchst zufrieden mit drei oder vier Prozent. Nicht nur die EU-Staaten und indirekt natürlich damit auch der Steuerzahler müssen dabei helfen, auch die privaten Gläubiger sollen erstmals einbezogen werden, so der Beschluss des EU-Gipfels gestern. Private Gläubiger, das sind zum Beispiel die privaten Banken und Versicherungen. - Hermann-Josef Tenhagen ist Chefredakteur der Zeitschrift Finanztest, mit ihm sind wir in Berlin verbunden. Inwiefern ist denn der gemeine Sparer Otto-Normal-Anleger von dem EU-Beschluss gestern betroffen? Muss der jetzt die nächsten Tage die Entwicklung an den Finanzmärkten in Habtachtstellung verfolgen?

    Hermann-Josef Tenhagen: Griechenland ist für den gemeinen Sparer und auch für den, der eine Lebensversicherung hat in Deutschland, nicht so wichtig. Die Versicherer haben weniger als ein halbes Prozent ihres Geldes in Griechenland gehabt und von daher passiert einer Lebensversicherung, einer Rentenversicherung nichts. Und auch die Banken sind in Griechenland gar nicht so engagiert, wie man das immer von draußen anguckt. Die haben viel, viel mehr Geld, nämlich viermal so viel Geld, zum Beispiel in Irland stecken wie in Griechenland. Von daher muss man sich als Sparer oder als Mensch, der eine Lebensversicherung hat, da erst mal keine Sorgen machen.

    Reimer: Aber man hat ja auch die Sorge, dass jetzt weiterhin, Sie erwähnten Irland bereits, aber auch Spanien oder Italien in die Bredouille kommen. Muss ich denn als Anleger handeln, falls ich jetzt irische, spanische oder italienische Staatsanleihen besitze, oder meine Bank?

    Tenhagen: Das war genau das Problem, deswegen sind die Privaten, also die Banken und Versicherungen, ja auch eingestiegen. Die wollen um jeden Preis verhindern, dass das weitergeht nach Irland und Portugal - das ist dann schon schlimm -, aber vor allen Dingen nach Spanien und Italien, weil Italien hat alleine dreimal so viel Schulden wie Griechenland, Portugal und Irland zusammen. Also wenn es da hingeht, dann wird es auch für den Anleger schwierig, weil da haben die Lebensversicherer einen Haufen Geld stecken und das würde sich dann auch auswirken in irgendeiner Form, vermutlich erst mal nicht bei den Garantien, aber dann wird es eben vorläufig keine Überschüsse mehr geben und man muss dann gucken, ob die Versicherer und die Banken das verkraften können. Deswegen haben sie hier versucht zu stoppen, und jetzt hoffen wir mal, dass das klappt und dass tatsächlich diese Ansteckungsgefahr, von der immer die Rede ist, jedenfalls zu einem milderen Verlauf in den anderen Ländern führt.

    Reimer: Das heißt, Sie als Verbraucherschützer sind ganz zufrieden mit dem Ergebnis gestern?

    Tenhagen: Als Verbraucherschützer erleichtert ein Stück weit, verglichen mit dem, was man in den Tagen vorher so gesehen hat, dass das ein Stück weit jetzt erst mal ein vernünftiger Schritt in die richtige Richtung ist. Ob der ausreicht, weiß man nicht, und natürlich, das eigentliche Problem ist auf die lange Frist, ob die Griechen ihre Wirtschaft so wieder in Gang kriegen und ihr Steuersystem so in Gang kriegen, dass die das vernünftig machen können. Und das gilt natürlich für die anderen Länder genauso. Das gilt im Grunde für Portugal, für Irland, das gilt auch für Italien. Die müssen das auf die Reihe kriegen im eigenen Land und man kann ihnen mit so einem Programm nur Zeit verschaffen und die Möglichkeiten geben, dass sie das machen können.

    Reimer: Wir hatten hier im Deutschlandfunk in den letzten Tagen eine kleine Serie über Geldanlagen jenseits des Euro, also Immobilien oder Gold zum Beispiel. Heute präsentiert sich der Euro stabiler denn je. Also nicht umschichten, ist Ihre Empfehlung?

    Tenhagen: Ich war ja sowieso noch nie der Meinung, dass man aus dem Euro jetzt heraus müsste. Der Euro ist deutlich stärker, als er bei seiner Einführung war. Er war schon mal bei 90 Cent, er ist jetzt bei 1,45 fast. Da kann niemand sagen, dass das eine schwache Währung ist. Das wäre ja auch Unsinn. Das würde ich auch nicht machen. Und wer dann Gold kaufen wollte, das ist eine spekulative Entscheidung. Das kann man ja machen. Man kann ja für sich spekulieren, das ist ein freies Land. Aber es ist nicht eine Geschichte, wo man Sicherheit mit einkauft, außer der Sicherheit, dass überhaupt was von dem Geld übrig bleibt. Aber da steckt die Annahme dahinter, dass die ganz große Krise kommt.

    Reimer: Noch mal zu einer anderen Währung. Der Dollar schwächelt. Also lieber nicht darauf setzen?

    Tenhagen: Ich würde jetzt keine Dollars kaufen. Da spekuliert man ja auch wieder damit, wenn man Dollars kauft. Das würde ich jetzt nicht tun und vor allen Dingen vor dem Hintergrund, dass die Amerikaner ja auch ihren Schuldenberg noch nicht im Griff haben und dass das da durchaus rauer zur Sache geht. In Minnesota haben wir vor eineinhalb oder zwei Wochen den Fall gehabt, dass der Staat seine Mitarbeiter nicht mehr bezahlen kann und 20.- von 36.000 Staatsangestellten in unbezahlten Zwangsurlaub geschickt hat.

    Reimer: Worauf Kleinanleger und Otto-Normal-Sparer nach den Beschlüssen zur Griechenlandentschuldung achten sollen, Einschätzungen von Hermann-Josef Tenhagen von der Zeitschrift Finanztest. Danke nach Berlin.

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.