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Griechenland
"Kein Cent wird erlassen"

Eine weitere Unterstützung Griechenlands darf laut Michael Fuchs nicht zulasten der europäischen und deutschen Steuerzahler gehen. Der stellvertretende Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion lehnte im Deutschlandfunk zudem einen Schuldenschnitt für das krisengebeutelte Land ab: "Es ist klar vereinbart worden, dass kein Cent erlassen wird."

Michael Fuchs im Gespräch mit Dirk-Oliver Heckmann |
    Michael Fuchs, stellvertretender Vorsitzender CDU/CSU-Bundestagsfraktion
    Michael Fuchs, stellvertretender Vorsitzender CDU/CSU-Bundestagsfraktion (imago/Michael-Stauffenberg)
    Die Finanzminister der Eurostaaten wollen heute über die Verlängerung des Hilfsprogramms für Griechenland entscheiden. Zunächst muss die Regierung in Athen aber noch die verlangte Liste mit Reformvorschlägen vorlegen. Anders als vereinbart, hat sie dies bisher noch nicht getan. Es wird erwartet, dass das Schreiben heute - mit einem Tag Verspätung - in Brüssel eintrifft. Der Wirtschaftspolitiker Dr. Michael Fuchs von der CDU zeigte sich im Deutschlandfunk "sehr verwundert, dass die Griechen wieder eine Frist verstreichen lassen."
    Fuchs wendete sich gegen Zugeständnisse an Griechenland. "Es ist notwendig, dass die Verträge mit der EU, der EZB und dem IWF eingehalten werden. Und darauf bestehen wir auch." Einem Schuldenschnitt für Griechenland erteilte er eine deutliche Absage: "Es ist klar vereinbart worden, dass kein Cent erlassen wird."
    "Bekämpfung von Schmuggel reicht nicht"
    Die Ankündigung der griechischen Regierung, Steuerflicht zu unterbinden, Reiche zu besteuern und Schmuggel zu bekämpfen, reiche ihm nicht. Das genüge nicht, "um Zusatzeinnahmen zu generieren." Eine weitere Unterstützung Griechenlands dürfe nicht auf Kosten europäischer und deutscher Steuerzahler gehen. "Ich habe Vertrauen zum Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble, dass er nur dann zustimmt wenn es nicht zulasten deutscher Steuerzahler geht." Griechenland dürfe nicht am Dauertropf Europas hängen, so Fuchs.
    Fuchs forderte die Umsetzungen von Privatisierungen. "Warum hält man diese Möglichkeiten an?", fragte Fuchs und wies auf die verhinderten Privatisierungen des Athener Flughafens und des Hafens von Piräus hin. "Das halte ich für völlig falsch." Fuchs sagte: "Wir wollen nicht, dass Griechenland den Euro verlässt." Eine mögliche Staatspleite Griechenlands am Samstag "wollen wir vermeiden, das liegt aber an beiden Seiten".

    Das Interview in voller Länge:
    Dirk-Oliver Heckmann: "Wir haben eine Schlacht gewonnen, aber noch nicht den Krieg." So hat sich der griechische Ministerpräsident Tsipras bei einer Fernsehansprache eingelassen, nach der Einigung mit der Eurogruppe in Brüssel. Diese sah vor: Das milliardenschwere Hilfsprogramm wird um vier Monate verlängert. Athen lässt die Forderung nach einem Schuldenerlass fallen, aber die Griechen können Vorschläge machen, wie das Sanierungsprogramm geändert werden soll. Eine entsprechende Liste sollte eigentlich wie erwähnt bis 24 Uhr eintreffen. Allerdings hat Athen die Frist verstreichen lassen.
    Am Telefon begrüße ich jetzt Michael Fuchs. Er ist stellvertretender Vorsitzender der Unions-bundestagsfraktion. Guten Morgen, Herr Fuchs.
    Michael Fuchs: Guten Morgen, Herr Heckmann.
    "Ich bin schon sehr verwundert, dass die Griechen wieder eine Frist versäumt haben"
    Heckmann: Athen hat also die Frist verstreichen lassen. Stattdessen soll die Liste mit den neuen Reformplänen heute übersendet werden. Wie groß ist dafür Ihr Verständnis?
    Fuchs: Ja, nicht allzu groß. Es ist ja nun seit Monaten bekannt, dass der 28. Februar die Deadline ist für das jetzige laufende Kreditprogramm. Ich bin schon sehr verwundert, dass die Griechen wieder eine Frist versäumt haben, und es ist für den Deutschen Bundestag eine ziemliche Zumutung, dass wir ein Papier, was wir noch nicht kennen, in dieser Woche noch verabschieden sollen. Das fällt nicht wirklich leicht.
    Heckmann: Der Regierungssprecher in Athen sagte allerdings auch, man könne von niemandem erwarten, dass er in drei Wochen alles ändert. Man habe schließlich keinen Zauberstab.
    Fuchs: Es war aber von vornherein klar, dass, wenn dieses Programm erhalten bleiben soll, dass dann auch die Reformen weitergeführt werden müssen. Das wurde immer und ganz klar deutlich von allen Beteiligten, von der früheren Troika, den heutigen Institutionen etc., klar gemacht. Ich bin sehr erstaunt darüber, dass man das anscheinend in Griechenland nicht ernst genommen hat. Es ist schon notwendig, dass die Verträge, die mit der EU, der EZB und dem Internationalen Währungsfonds geschlossen wurden, dass die eingehalten werden, und darauf bestehen wir auch.
    Heckmann: Aber es ist ja auf der anderen Seite auch mehr Flexibilität eingeräumt worden. Athen hat die Möglichkeit, andere, neue Akzente zu setzen. Und da sieht es ja danach aus, der Brief liegt ja noch nicht vor, aber nach dem, was bekannt ist, will man die Einnahmeseite verbessern. Der Kollege Jörg Münchenberg hat es gerade schon berichtet. Man will die Steuerflucht unterbinden, Reiche besteuern, den Schmuggel bekämpfen. Das heißt, die linke Syriza packt das an, was Ihre Schwesterpartei, die Nea Dimokratia, nie angepackt hat.
    Fuchs: Herr Heckmann, das kann man so nicht sagen. Im Gegenteil: Das hat auch Samaras versucht in der letzten Legislaturperiode.
    Heckmann: Aber mit wenig Elan offenbar.
    Fuchs: Nur erfolgreich war es nicht und ich bin jetzt nicht hundertprozentig davon überzeugt, dass das jetzt nun eine Erfolgsstory bei Syriza wird, denn das muss ja erst einmal umgesetzt werden. Das ist für mich so ein bisschen Wishfull Thinking. Also ich hoffe mal, dass da irgendwas kommt. Aber das ist für mich nicht eine nachweislich veränderte Situation. Versuchen Sie mal, Schmuggel einzudämmen. Das versuchen wir in Deutschland und das haben wir in Deutschland einigermaßen im Griff, aber auch nicht in jeder Hinsicht, und das ist auch nicht wirklich so einfach. Und daraus jetzt schon von vornherein zu sagen, ja, damit werden wir erhebliche Zusatzeinnahmen generieren, das reicht mir nicht.
    Heckmann: Das heißt, Sie würden sagen, Athen arbeitet da erneut mit Luftbuchungen?
    Fuchs: Ich würde nicht sagen, das sind Luftbuchungen. Das ist eine gute Sache, wenn es gemacht wird, aber es muss umgesetzt werden. Und Griechenland hat permanent uns diese Vorschläge gemacht, aber es nicht umgesetzt.
    Ich nenne noch einen anderen Punkt, da wird überhaupt nicht drüber gesprochen: Privatisierung. Es war klar ausgemacht, dass Privatisierungen gemacht werden sollen, weil mit Privatisierungen sofort zusätzliche Staatseinnahmen generiert werden.
    Heckmann: Aber es ist genauso klar, Herr Fuchs, dass Privatisierungen in einem solchen Moment, wo die Wirtschaft am Boden liegt und der Staat vor der Pleite steht, dass solche Privatisierungen überhaupt nichts einbringen werden.
    Fuchs: Das ist nicht der Fall. Nehmen Sie das Beispiel der Flughäfen. Da ist ein Vertrag, ein Vorvertrag bereits gemacht worden mit Fraport. Da kommt sofort eine Milliarde zusätzliches Geld rein. Warum hält man diese Möglichkeiten, zusätzlich Geld zu generieren, an? Oder auch der Hafen von Piräus: Die Chinesen wollen den übernehmen. Auch das ist von dieser Regierung gestoppt worden. Das halte ich für völlig falsch.
    "Wir wollen ja nicht, dass Griechenland den Euro verlässt"
    Heckmann: Wir haben darüber gesprochen, dass die Steuerflucht unterbunden werden soll, die Maßnahmen, die die neue Regierung in Griechenland jetzt ansteuert, Besteuerung von Reichen beispielsweise. Dafür sollen soziale Leistungen finanziert werden, Stromlieferungen für die Ärmsten, eine kostenlose Krankenversicherung auch. Heute wollen die Finanzminister der Eurozone ja darüber entscheiden, ob diese Vorschläge akzeptabel sind oder nicht. Was denken Sie, zu welchem Schluss werden die kommen?
    Fuchs: Ich hoffe ja, dass Griechenland über Nacht nun wirklich mit vernünftigen Vorschlägen auf die EU, auf uns, auf den Deutschen Bundestag zukommt und dass es dann möglich ist, dass die Finanzminister einer Verlängerung des Programms zustimmen können. Wir wollen ja nicht, dass Griechenland den Euro verlässt. Im Gegenteil: Wir wollen Griechenland darin halten. Aber es kann auch nicht sein, dass das immer zulasten der Steuerzahler Europas und vor allen Dingen der deutschen Steuerzahler geht. Dafür setzen wir uns ein.
    Heckmann: Aber haben die Finanzminister überhaupt die Möglichkeit, dieses Konzept jetzt abzulehnen? Denn wenn sie es ablehnen würden, dann stünde Griechenland am Samstag vor der Pleite. Das will man doch unbedingt vermeiden, oder?
    Fuchs: Wir wollen das selbstverständlich vermeiden, aber das liegt natürlich an beiden Seiten. Das ist nicht nur Deutschland, sondern es ist ja auch so, dass alle Euroländer dem deutschen Finanzminister gefolgt sind. Das ist ein toller Erfolg für Wolfgang Schäuble, dem können wir dafür nur dankbar sein, dass er sich durchgesetzt hat. Und das wünsche ich mir auch, dass das jetzt bei dem griechischen Programm, was heute kommen soll, der Fall sein wird. Es muss so sein, dass wir nachweislich sagen können, jawohl, es werden Einnahmen generiert, die unter Umständen zusätzliche Kosten - Sie haben eben welche erwähnt - finanzieren, ohne dass das zulasten europäischer Steuerzahler geht. Das muss das Ziel sein.
    "Ich habe da Vertrauen zu unserem Finanzminister"
    Heckmann: Wenn die Finanzminister heute diese Vorschläge akzeptieren sollten, gehen wir mal davon aus, also auch Finanzminister Wolfgang Schäuble von der CDU, wäre dann auch Ihre Zustimmung im Bundestag gesichert?
    Fuchs: Ich gehe davon aus, dass dem nur zugestimmt wird von Wolfgang Schäuble, wenn er das verantworten kann, und ich habe da Vertrauen zu unserem Finanzminister, dass er das nur dann macht, wenn die Situation so ist, dass es nicht zu einer Belastung des deutschen Steuerzahlers kommt. Dann kann ich zustimmen. Das muss ich allerdings noch prüfen, das werde ich selbstverständlich prüfen. Ich mache keine Entscheidung, ohne dass ich die Texte kenne.
    Heckmann: Sie haben allerdings auch immer wieder in der Vergangenheit, Herr Fuchs, kritisch das Wort erhoben, am Ende aber immer zugestimmt. Weshalb sollte das jetzt mal anders sein?
    Fuchs: Nein! Ich gehe davon aus, dass wir nur dann zustimmen, wenn die Situation so ist, dass wir eine Chance haben, dass Griechenland die Krise bewältigen kann, dass Griechenland wieder wettbewerbsfähig wird. Es kann nicht am Dauertropf Europas hängen. Das werden die europäischen Steuerzahler irgendwann nicht mehr mitmachen.
    Heckmann: Die CSU, Ihre Schwesterpartei hier in Deutschland, die argwöhnt jetzt bereits, dass Athen nach Ablauf der vier Monate dann doch wieder mehr Geld haben will. Schließen Sie das aus, dass es das geben wird?
    Fuchs: Das ist sicherlich nicht auszuschließen. Bei Griechenland haben wir alles schon erlebt. Insofern schließe ich auch das nicht aus. Aber ich denke, das wird sehr schwierig werden. Ein weiteres Programm müsste ja dann aufgelegt werden. Das muss auch wieder im Deutschen Bundestag beschlossen werden. Es ist ja Gott sei Dank so, dass wir all diese Beschlüsse im Deutschen Bundestag nachvollziehen müssen, und dann warten wir jetzt erst mal ab, was die innerhalb der vier Monate an Reformen umsetzen werden. Tsipras hat einen schweren Weg und hat genau das Gegenteil von dem, was sie jetzt machen müssen, seinen Wählern versprochen. Das ist keine einfache Aufgabe.
    "Wir haben ja Verträge geschlossen"
    Heckmann: Das heißt aber, wenn ich Sie richtig verstehe, anders als die CSU wären Sie da sogar verhandlungsbereit?
    Fuchs: Nein! Ich bin dann verhandlungsbereit, wenn die Griechen tatsächlich die Reformen so umsetzen, wie wir das mit ihnen vereinbart haben. Wir haben ja Verträge geschlossen. In diesen Verträgen steht drin, was gemacht werden muss, wie es geschafft werden soll, dass wir nicht nur ein Primärplus haben, sondern a la longue auch einen ausgeglichenen Haushalt, um dann in eine Tilgung der überbordenden Staatsverschuldung einzusteigen. All das muss geschehen und das will ich nachgewiesen haben und nicht irgendwie nur so, könnte ja sein, dass wir, wenn wir den Schmuggel eindämmen, höhere Steuereinnahmen haben. Das reicht mir nicht.
    Heckmann: Wir haben Verträge geschlossen, sagen Sie zurecht. Zugleich wurde am Freitag beschlossen, dass die Forderung auf einen Schuldenerlass erst mal zumindest nicht Gegenstand der Verhandlungen sein wird. Jetzt hat gestern der griechische Vizeaußenminister gesagt, die Regierung in Athen, die habe aber ihr Hauptziel nicht aufgegeben, nämlich die Schuldenlast durch einen Schuldenschnitt zu erleichtern, und die Verhandlungen darüber, die stünden nach der Verlängerung des Rettungsprogramms an. Wie interpretieren Sie so eine Äußerung?
    Fuchs: Ich halte sie für schlicht falsch. Es ist klar vereinbart worden, dass kein Cent Schulden erlassen wird, dass die Griechen ihre Schulden zurückzuzahlen haben, und Tsipras hat das auch bestätigt. Da muss er seinen Vizeaußenminister zurückweisen.
    Heckmann: Und da würden Sie auch keinen Millimeter von abweichen?
    Fuchs: Nein! Wir haben das vereinbart und Vereinbarungen sind einzuhalten.
    Heckmann: Letzte Frage, Herr Fuchs, an Sie. Wolfgang Bosbach, Ihr Fraktionskollege, der hat ja immer wieder gegen Milliardenhilfen für Griechenland gestimmt, aus prinzipiellen Gründen. Gestern hat er verlautbaren lassen, dass er sich das überlegt, wie es mit ihm weitergeht im Bundestag. Er wolle nicht immer querstehen wie die Kuh im Stall, so hat er sich ausgedrückt. Kann die Unions-Fraktion Außenseiter wie Wolfgang Bosbach in dieser Frage nicht ertragen?
    Fuchs: Das ist nicht der Fall. Ich würde mir wünschen, dass Wolfgang Bosbach weiter mitmacht. Er ist ein exzellenter Innenpolitiker, den wir brauchen. Aber jeder muss für sich, jeder Abgeordnete muss für sich persönlich entscheiden, ob er mitmachen kann. Ich wundere mich ein bisschen darüber, dass man eine solche Aussage macht, ohne die Texte zu kennen. Ich würde mich dann erst äußern wollen, ob ich da zustimmen kann, wenn ich die Texte kenne.
    Heckmann: Aber ihm geht es ja grundsätzlich um seine Haltung, dass er grundsätzlich eigentlich immer quersteht zur Fraktion und das offenbar keine angenehme Situation für ihn ist.
    Fuchs: Das muss er selbst entscheiden. Das ist nicht meine Aufgabe, das zu kritisieren.
    Heckmann: Wir werden das verfolgen, wie das weitergeht. - Live war das hier im Deutschlandfunk Michael Fuchs, der stellvertretende Vorsitzende der Unions-Bundestagsfraktion. Herr Fuchs, danke Ihnen für Ihre Zeit.
    Fuchs: Danke Ihnen! Tschüss, Herr Heckmann.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.