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Griechenland-Kompromiss im Bundestag
Grosse-Brömer empfiehlt Zustimmung

Der Parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion, Michael Grosse-Brömer, hat für eine Zustimmung des Bundestags zu den Beschlüssen des Euro-Gipfels geworben. Bundeskanzlerin Angela Merkel habe in Brüssel "das Grundprinzip durchgesetzt: Leistung gibt es nur bei Gegenleistung", sagte er im DLF.

Michael Grosse-Brömer im Gespräch mit Mario Dobovisek | 14.07.2015
    Michael Grosse-Brömer von der CDU
    Michael Grosse-Brömer sagte, er mache sich keine Sorgen über die Zahl möglicher Abweichler in der Unionsfraktion. (imago stock&people / Christian Thiel)
    Das geplante Paket sehe einen Treuhandfonds, eine Ausgabengrenze, aber keinen Schuldenschnitt vor. Zudem seien Überprüfungen durch die Troika geplant. "Das macht es sinnvoll, ein Verhandlungsmandat zu erteilen", sagte der CDU-Politiker.
    Über die Zahl möglicher Abweichler in der Union bei der für Freitag geplanten Abstimmung im Bundestag wollte sich Grosse-Brömer nicht äußern. "Darüber mache ich mir keine Gedanken", betonte er. Es werde aber am Donnerstag eine Fraktionssitzung mit einer intensiven Debatte geben.

    Das Interview in voller Länge:
    Mario Dobovisek: Mit einer ganzen Reihe gebrochener Wahlversprechen kehrt Alexis Tsipras von den Verhandlungen in Brüssel nach Athen zurück. Und dennoch wird es ihm wohl leicht fallen, eine parlamentarische Mehrheit für den erzielten Kompromiss zu finden, denn die Opposition hat bereits angekündigt, ihn bei seinem Verhandlungskurs zu unterstützen. Klingt nach verkehrter Welt, wie so vieles in den vergangenen Wochen.
    Am Telefon begrüße ich Michael Grosse-Brömer. Er ist Erster Parlamentarischer Geschäftsführer der Unions-Fraktion im Bundestag und in der könnte es bis Freitag noch spannend werden. Dann nämlich will der Bundestag über ein Mandat für weitere Verhandlungen mit Griechenland entscheiden. Herr Grosse-Brömer, mit wie vielen Abweichlern rechnen Sie in der Union?
    Michael Grosse-Brömer: Nun, darüber mache ich mir jetzt noch keine Gedanken. Wir haben jetzt seit gestern ein Ergebnis vorliegen, das die Kanzlerin nach einem Verhandlungs-Marathon mitgebracht hat, das sicherlich auch nicht jeder in dem Umfang erwartet hätte und von dem die Opposition ja schon sagt, die Kanzlerin hätte zu rigoros verhandelt. All dies muss noch mal genau geprüft werden und wir werden am Donnerstag eine Fraktionssitzung haben, in der das stattfindet, was bei uns üblich ist, nämlich eine intensive Debatte über das, was sinnvoll und richtig ist.
    Der Kompromiss gehört zur Grundausstattung des Politikers und der wird hinterfragt werden.
    "Man muss auch immer die Alternative im Auge behalten"
    Dobovisek: Nicht allzu viele Gedanken, sagen Sie. Gucken wir uns die nackten Zahlen an von der letzten großen Abstimmung um die Griechenland-Rettung. Rund 30 Abgeordnete waren dagegen, mehrere Dutzend hatten ihre Bedenken, ihre Bauchschmerzen geäußert. Das ist insgesamt ein Drittel der gesamten Fraktion. Was für ein Signal geht denn davon aus?
    Grosse-Brömer: Na ja, ich weiß das auch von mir selbst, dass das Verhalten der griechischen Regierung natürlich nicht dazu angetan war, besonderes Vertrauen aufzubauen. Ganz im Gegenteil. Wer dann teilweise gepöbelt wird und beleidigt wird wie der Bundesfinanzminister, der kriegt natürlich nicht automatisch Unterstützung von denjenigen, die das parlamentarisch zu verantworten haben.
    Aber meine Kollegen und ich werden das genauso tun wie immer. Wir haben jetzt ein konkretes Ergebnis und wissen, worüber wir abzustimmen haben, und das gilt es, immer wieder neu zu bewerten.
    Und wir haben ja heute festzustellen, das was Herr Tsipras immer behauptet hat, nämlich wir bekommen Hilfe ohne Gegenleistung, all das wird heute nicht stattfinden, sondern das Gegenteil ist richtig. Bei schwierigen Verhandlungen in Europa ist Europa zusammengeblieben und jetzt ist klar, man muss auch immer die Alternative im Auge behalten. Was wäre denn als Alternative denkbar?
    All das ist abzuwägen und das ist auch Aufgabe des Politikers, nicht nur in meiner Fraktion, aber genau das werden wir Donnerstag durchführen.
    Dobovisek: Vielen fehlt das Vertrauen. Auch Wolfgang Bosbach aus Ihrer Fraktion. Deshalb könne er nicht mit Ja stimmen, sagte er gestern hier bei uns im Deutschlandfunk.
    Wolfgang Bosbach: Das kann ich deshalb nicht, weil ich das Vertrauen verloren habe, nicht nur in die Kunst der jetzt im Amt befindlichen Regierung, sondern aufgrund der Erfahrungen der letzten Jahre. Und wir werden uns erneut mit sehr viel Geld, mit einem hohen Haftungsrisiko der europäischen Steuerzahler ein wenig Zeit kaufen. Meine Befürchtung ist, ohne dass die Probleme Griechenlands wirklich durchgreifend gelöst werden.
    Dobovisek: Auch die Kanzlerin sprach gestern von verlorenem Vertrauen. 78 Prozent aller Deutschen, so sagt es der ARD-Deutschlandtrend, trauen der griechischen Regierung nicht mehr. Wo soll das Vertrauen bis Freitag herkommen?
    Grosse-Brömer: Nun, ich weise zunächst darauf hin, dass der Deutschlandtrend auch ausweist, dass mehr als die Hälfte aller Deutschen es für sinnvoll halten, Griechenland weiter zu unterstützen. Und die Frage ist doch genau die, die der Kollege Bosbach auch anspricht.
    Erstens: Kann man Vertrauen wiederherstellen? Und zweitens: Kann man Griechenland eine Grundlage geben, die dann auch dazu führt, dass man sich dauerhaft auch wieder konsolidiert und endlich die Wurzeln der Misere dieses Landes mal beseitigt?
    Ich glaube, dass wir mit den neuen Verhandlungen beispielsweise durch die Tatsache, dass auch ein Treuhand-Fonds in Höhe von 50 Milliarden aufgelegt werden muss, dass es eine automatische Ausgabenbremse geben soll, also eine quasi Schuldenbremse auf Griechisch, dass es eben keinen Schuldenschnitt gibt, aber gleichwohl auch Wachstumsimpulse gesetzt werden sollen, dass all dies eine Grundlage ist für diese Überlegungen, ob man Griechenland nicht stabilisieren kann. Und eins ist auch klar: Wenn man ein neues Mandat verteilt, dann muss man auch Wert darauf legen, dass diese Hilfen, die dann eventuell bei entsprechend massiven Gegenleistungen auch erbracht werden, dass die auch konditioniert und überprüft werden.
    Das hat nicht immer in der Vergangenheit stattgefunden. Deswegen ist der Kollege Bosbach sauer. Mich hat das auch häufig gestört, dass manches, was zugesagt wurde in Griechenland, nicht eingehalten worden ist. Das muss sich ändern, keine Frage.
    "Griechenland muss jetzt erst mal in Vorleistung treten"
    Dobovisek: Und da haben Sie großes Vertrauen drin?
    Grosse-Brömer: Ja. Jedenfalls durch die Tatsache, dass die Troika ja weiter im Amt bleibt und dass Überprüfungen stattfinden, und dass das alles Gegenstand der künftigen Verhandlungen sein soll, denke ich, macht die Sache doch sinnvoll, auch dieses Mandat zu erteilen. Denn um nichts anderes geht es, um nicht mehr, aber auch nicht um weniger: um ein Verhandlungsmandat auf der Grundlage dessen, was bei diesem Gipfel-Marathon erzielt wurde. Da müssen solche Punkte, die wir gerade angesprochen haben, auch Gegenstand weiterer Verhandlungen sein.
    Dobovisek: "Wurzeln der Misere" haben Sie vorhin gesagt, Herr Grosse-Brömer. Nun muss Griechenland innerhalb von zehn Tagen die Reformen schaffen und durchs Parlament bringen, die es in zehn Jahren vorher nicht geschafft hat. Wie soll das gehen?
    Grosse-Brömer: Griechenland muss jetzt erst mal in Vorleistung treten, und das hat damit zu tun, dass diese griechische Regierung so viel Porzellan in Europa zerdeppert hat, dass alle sagen, zunächst ist erst mal eine Eigenleistung erforderlich, bevor ich aus europäischer Sicht Hilfe leiste. Ich glaube, das ist verständlich, wenn jemand mehr Sprüche gemacht hat als Taten hat folgen lassen. Dem muss man auch gewisse Vorleistungen abfordern.
    Deswegen geht es jetzt erst mal darum, schafft es Herr Tsipras, eine entsprechende Mehrheit im Parlament zu bekommen für das Ergebnis, was in der gestrigen Nacht erzielt wurde, oder nicht. Und darauf aufbauend und aufgrund dieser Ergebnisse, die wir dann vorliegen haben, werden wir auch im Deutschen Bundestag eine Entscheidung treffen.
    Dobovisek: Noch einmal über 80 Milliarden Euro Finanzbedarf für Griechenland. Allein aus Deutschland kamen bereits Kredite und Garantien in Höhe von 90 Milliarden. Wird der Fiskus das jemals wiedersehen?
    "Europa hat noch andere wichtige Aufgaben vor sich"
    Grosse-Brömer: Wir haben ja entsprechende Rettungsschirme aufgelegt und ich bin davon überzeugt, dass es eine Chance gibt. Dass es natürlich schwierig wird, dass es ein langer Weg wird und dass es auch ein mühsamer Weg wird, das ist, glaube ich, ebenso allen klar.
    Dobovisek: Ihr Fraktionskollege Hans-Peter Friedrich bezweifelt das ganz klar.
    Grosse-Brömer: Ja. Die Kanzlerin hat darauf hingewiesen, dass dieser Weg nicht einfach ist, und das ist auch jedem bewusst, der darüber zu entscheiden hat. Aber ich sage noch mal: Ein Parlamentarier muss auch die Alternativen bedenken. Was wäre denn mit humanitärer Hilfe in Griechenland gewesen? Was wäre mit einem möglichen Grexit gewesen, dem Griechenland im Übrigen hätte zustimmen müssen? Was wären die Folgen auch finanzieller Art denn dort gewesen? Wäre das besonders günstig geworden?
    All dies ist ja auch miteinander abzuwägen. Deswegen würde ich das jetzt auch nicht reduzieren allein auf die finanzielle Frage, sondern man muss sehen, wie man den Menschen in Griechenland hilft und wie man Europa zusammenhält.
    Europa hat noch wichtige andere Aufgaben vor sich, von der Bedrohung durch den islamistischen Terror bis zur Bewältigung von Flüchtlingsströmen. Dass bei sehr unterschiedlichen Auffassungen in Brüssel dieses Ergebnis dann einstimmig letztlich getroffen wurde, auch mit massiven Gegenforderungen den Griechen gegenüber, ich glaube, das ist schon mit Respekt zur Kenntnis zu nehmen und auf dieser Grundlage wird der Bundestag dann seine Entscheidung treffen und meine Fraktion sicherlich auch.
    Dobovisek: Sie haben ganz oft das Wörtchen "wenn" heute Morgen verwendet, Herr Grosse-Brömer. Wenn die Verhandlungen nicht weitergehen könnten oder doch scheitern, ist der Grexit dann nicht vom Tisch?
    Grosse-Brömer: Ich weise nur darauf hin, dass die Griechen jetzt dem gefundenen Kompromiss im Vorwege mal zustimmen müssen. Und ich erlaube mir auch, darauf hinzuweisen, dass es dann in puncto Mehrwertsteuer, in puncto Renten dann konkrete Beschlüsse geben muss, weil das Vertrauen, wie Wolfgang Bosbach gesagt hat und wie es auch viele Menschen in Deutschland sehen, zunächst mal zerstört wurde durch diese kommunistische Regierung Syriza und durch Herrn Tsipras und seine Mitstreiter.
    Das ist natürlich ein wichtiges Kapital bei Verhandlungen und auch bei europäischen Fragen und Beschlüssen. Deswegen ist es richtig, wenn man versucht, den Menschen in Griechenland zu helfen, aber eben auch unter Berücksichtigung der Grundprinzipien, die Herr Tsipras nicht akzeptieren wollte, die die Kanzlerin aber in der gestrigen Nacht durchgesetzt hat, nämlich Leistung nur bei Gegenleistung und bei entsprechender Vorleistung in diesem Fall, damit Vertrauen langsam wieder aufgebaut wird.
    Dobovisek: Michael Grosse-Brömer, erster Parlamentarischer Geschäftsführer der Unions-Fraktion im Bundestag und heute Morgen bei uns am Mobiltelefon. Vielen Dank für das Gespräch.
    Grosse-Brömer: Gern geschehen.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.