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Griechenland-Krise
Deutsche Wirtschaft vorerst nicht in Gefahr

Aus Sicht von Roland Döhrn vom Rheinisch-Westfälschen Institut für Wirtschaftsforschung sind für die deutsche Wirtschaft vorerst keine großen Auswirkungen nach dem griechischen Referendum zu erwarten. "Die Märkte scheinen der Auffassung zu sein, das Ganze scheint ein Griechenland-Problem zu sein", sagte Döhrn im DLF.

Roland Döhrn im Gespräch mit Ursula Mense |
    Der Containerhafen von Piräus vor Athen, aufgenommen am 17.06.2012. Der Hafen steht unter dem Management des chinesischen Hafenbetreibers COSCO.
    Das RWI erwartet keine großen Auswirkung der Girechenland-Krise auf die deutsche Wirtschaft. (picture alliance / dpa / Emily Wabitsch)
    Ursula Mense: Auf das Nein der Griechen im Referendum hat inzwischen auch die deutsche Wirtschaft reagiert. Der Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie, Ulrich Grillo, beispielsweise findet gegenüber der "Bild"-Zeitung nur kritische Worte und der Hauptgeschäftsführer des Verbandes Deutscher Maschinen- und Anlagenbau, Thilo Brotmann, spricht sich gegen weitere einseitige Zugeständnisse an Griechenland aus. Ich habe vor der Sendung mit Professor Roland Döhrn vom Rheinisch-Westfälischen Institut für Wirtschaftsforschung über die möglichen Folgen sowohl für die deutsche als auch die griechische Wirtschaft gesprochen und ihn zunächst gefragt, welche Folgen die deutsche Wirtschaft denn befürchten muss.
    Roland Döhrn: Grundsätzlich muss man sagen, dass natürlich eine solche Unruhe in der Europäischen Union nicht günstig für die Wirtschaft ist. Aber die Risiken sind doch ungleich verteilt. Das weitaus größere Risiko trägt die griechische Wirtschaft, während sich die Auswirkungen für die deutsche Wirtschaft doch voraussichtlich in Grenzen halten werden.
    Mense: Es wird ja auch gesagt, dass diese Krise auf andere Euroländer durchschlagen könnte und zu weniger Investitionen führen, was dann wiederum negativ für die exportabhängige deutsche Wirtschaft sein könnte. Halten Sie das für realistisch?
    Döhrn: Momentan spricht eigentlich wenig für ein solches Szenario. Die Probleme scheinen, sich doch sehr stark auf Griechenland zu konzentrieren, und Griechenland scheint da auch soweit isoliert zu sein, dass die Märkte jetzt eigentlich größere Schwierigkeiten in anderen Ländern derzeit überhaupt nicht erwarten. Man kann das immer etwa festmachen an den Zinsabständen, den Zinsen, die beispielsweise Portugal im Vergleich zu Deutschland zu zahlen hat, und da sind die Abstände ein ganz kleines bisschen gestiegen, was auf ein leicht erhöhtes Risiko hinweist. Aber ansonsten scheinen doch die Märkte momentan der Auffassung zu sein, das Ganze ist ein Griechenland-Problem, und solange die Märkte ruhig bleiben, nicht plötzlich auch ein Land wie Portugal sehr hohe Zinsen zahlen muss, solange dürften auch die Auswirkungen sehr begrenzt sein.
    Mense: Ich würde dann doch ganz gerne noch mal auf die Wirtschaft schauen, auch die griechische auch, aber zunächst einmal auf die deutsche. Wenn man jetzt überhaupt mal schaut, was für Bereiche wären relevant, Handel oder Investitionstätigkeiten, gibt es denn da überhaupt nennenswerte Größen, die dann auch negative Auswirkungen haben könnten?
    Döhrn: Der Warenaustausch mit Griechenland ist relativ gering. Von daher dürften da keine großen Wirkungen zu erwarten sein. Das sieht ein bisschen anders aus, wenn man mal in den Dienstleistungsbereich geht. Tourismus ist in Griechenland ein wichtiger Sektor und dort haben sich auch deutsche Unternehmen sehr stark engagiert. Da kann es natürlich schon hier und da auch zu Problemen kommen, wenn beispielsweise Touristen jetzt Griechenland als Reiseziel meiden, oder wenn schlicht und einfach auch der Zahlungsverkehr zwischen den griechischen Hotels und deutschen Reiseunternehmen und so weiter nicht mehr richtig funktioniert.
    Da kann es durchaus zu Problemen kommen, aber das ist wahrscheinlich auch noch überschaubar. Weil ja auch Griechenland sehr auf die Einnahmen aus diesem Bereich angewiesen ist, wird man da möglicherweise auch nicht allzu hohe Hürden für Kapitalverkehr zum Beispiel errichten.
    Mense: Aber was Investitionen angeht oder Handel, da ist ja eh nicht viel.
    Döhrn: Da ist eh nicht viel und die Verflechtung Griechenlands mit seinen ganzen Nachbarländern ist relativ gering, was ja auch eigentlich Teil des griechischen Problems ist. Vor dem Hintergrund dürften diese Auswirkungen nicht allzu stark sein.
    Keine gute Basis für Investitionen
    !Mense:!! Schauen wir mal auf die griechische Wirtschaft. Sie sagen, es ist ohnehin schon sehr passiv, was da überhaupt noch läuft. Das verstärkt sich dann unter Umständen, oder ganz sicher jetzt?
    Döhrn: Ja. Die griechische Wirtschaft hat ja ohnehin einen sehr kleinen Industriesektor nur. Dominierend für die griechische Wirtschaft ist der Dienstleistungssektor, dort insbesondere Branchen wie die Schifffahrt, die großen griechischen Reedereien.
    Das ist natürlich auch keine gute Basis, um ein Land zu reformieren und einem Land künftig auch wieder zu größerer Wettbewerbsfähigkeit zu verhelfen.
    Von daher ist sicherlich Griechenland eine sehr, sehr schwierige Situation, egal ob man im Euro bleibt oder ob man eine eigene Währung einführt, weil typische Wechselkursmechanismen, dass man beispielsweise durch eine kräftige Abwertung der eigenen Währung die Wirtschaft dort stimulieren könnte, die greifen ja nicht so sehr, wenn dort wenig da ist, was international wettbewerbsfähig ist.
    Man muss auch sehen, dass wahrscheinlich parallel dazu die Kosten steigen, dass die Inflation unter den Vorzeichen eines Grexit sehr stark zunehmen könnte, und dann wären natürlich diese Vorteile auch ziemlich schnell wieder aufgezehrt.
    Mense: Nun hat ja der sich sehr gestärkt fühlende Ministerpräsident Tsipras ein Investitionsprogramm gefordert. Würden Sie das denn als sinnvoll erachten, um der griechischen Wirtschaft wieder auf die Beine zu helfen?
    Döhrn: Zunächst mal muss man sich auch mal ein bisschen zurückerinnern. Griechenland war ja einer der großen Empfänger von Hilfsgeldern aus der EU, die auch in Griechenland investiert wurden, aber das sind ja alles Investitionen, die eigentlich keine sichtbaren Spuren in der griechischen Wettbewerbsfähigkeit hinterlassen haben.
    Von daher muss man auch für solche Programme sehr skeptisch sein, solange auch die politischen und die Verwaltungs-Rahmenbedingungen in dem Land nicht funktionieren. Solange da keine funktionierende Finanzverwaltung da ist, solange Korruption ein Problem ist, wer sollte da einen Anreiz haben, großartig zu investieren in irgendwelche Anlagen.
    "Es liegt sehr vieles im Argen"
    Mense: Was wäre denn dann die Lösung?
    Döhrn: Ja! Griechenland kommt so oder so eigentlich nicht um die Reformen drum herum, jetzt mal vollkommen gleich, ob die EU das zur Bedingung für Kredite macht, aber auch im eigenen Interesse. Wenn der griechische, oder jetzt muss man sagen, der ehemalige griechische Finanzminister sich hinstellt und sagt, ja, wenn wir die Steuern erhöhen, ob das was bringen würde weiß ich noch gar nicht mal, ob meine Verwaltung nicht in der Lage ist, dieses Geld einzutreiben, das ist ja eigentlich eine Kapitulationserklärung für einen Finanzminister.
    Ich meine, er ist ja der Dienstherr der Finanzverwaltung und wenn er denn so was sagt, das zeigt eigentlich, dass da sehr vieles im Argen liegt. Da kommt Griechenland, ob im Euro, ob als eigenständiger Währungsraum, eigentlich um solche Reformen gar nicht drum herum.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.