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Griechenland-Krise
Finanzminister beraten weiter

Die Beratungen über die Zukunft Griechenlands in der Eurozone werden am Vormittag in Brüssel fortgesetzt. Eurogruppenchef Jeroen Dijsselbloem sprach von sehr schwierigen Verhandlungen. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) soll laut Medienberichten unter anderem einen "Grexit" auf Zeit vorgeschlagen haben. Der für den Abend angekündigte EU-Sondergipfel aller EU-Mitgliedsstaaten wurde abgesagt.

    Pierre Moscovici, Alexander Stubb,und Jeroen Dijsselbloem
    Pierre Moscovici, Alexander Stubb,und Jeroen Dijsselbloem beim Finanzministertreffen in Brüssel am Samstag (11.07.2015) (Imago/Zuma Press)
    Beraten wird darüber, ob die von der griechischen Regierung vorgelegten Reform- und Sparpläne als Voraussetzung für eine neues Rettungspaket EU ausreichen. Ein schwerer Streit in der Eurogruppe hatte eine Einigung am Samstag verhindert und die Minister rund neun Stunden kontrovers debattieren lassen. Eine geplante gemeinsame Erklärung blieb zunächst unveröffentlicht. "Es ist immer noch sehr schwierig", sagte Eurogruppenchef Jeroen Dijsselbloem. Die Ressortchefs bereiten einen Krisengipfel ihrer Staats- und Regierungschefs in Brüssel vor, der am Nachmittag um 16.00 Uhr beginnen soll. Das für 18.00 Uhr geplante Treffen der Regierungschefs aller 28 EU-Staaten zu einem Sondergipfel sagte Ratspräsident Donald Tusk am Vormittag überraschend ab.
    Schäuble verlangt "Grexit" auf Zeit
    Athen hatte ein Spar- und Reformpaket vorgelegt, um ein neues Hilfspaket in Milliardenhöhe mit einer Laufzeit von drei Jahren zu erhalten. Die Vorschläge umfassen unter anderem eine Mehrwertsteuerreform. Außerdem soll das Rentenalter bis 2022 auf 67 Jahre steigen. Da viele Länder, darunter auch Deutschland, Einwände haben, werden von Athen zusätzliche Reformschritte verlangt. Die Beratungen stehen unter enormen Zeitdruck, denn das akut pleitebedrohte Land muss im laufenden Monat an Gläubiger 4,2 Milliarden Euro zurückzahlen, die es nicht hat. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) verlangt, dass rasch nachgebessert wird oder eine mindestens fünfjährige "Auszeit" Griechenlands aus der Eurozone, wie die "Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung" ("FAS") berichtet. In griechischen Regierungskreisen hieß es, ein Vorschlag über einen zeitlich begrenzten Austritt Griechenlands aus der Eurozone sei Athen offiziell nicht unterbreitet worden.
    Die Überlegungen für eine mögliche fünfjährige Euro-Auszeit Griechenlands sind mit Kanzlerin Angela Merkel und SPD-Chef Sigmar Gabriel abgestimmt. "Die SPD verfolgt nach wie vor das Ziel, Griechenland in der Eurozone zu halten, wenn die dafür notwendigen Bedingungen geschaffen werden können. Das ist auch das gemeinsame Ziel der Bundesregierung", sagte Gabriel am späten Samstagabend. Der Vizekanzler fügte an, der Vorschlag Schäubles "für ein zeitlich befristetes Ausscheiden Griechenlands aus der Eurozone ist der SPD natürlich bekannt".
    Zweifel an Umsetzung der Reformen
    Vielen Staaten fehlt laut Eurogruppenchef Jeroen Dijsselbloem das Vertrauen, dass die Regierung des griechischen Premiers Alexis Tsipras die Reformen wirklich umsetzen wird. Man frage sich, ob der griechischen Regierung vertraut werden könne und sie auch das tue, was sie verspreche, sagte er. Griechenland hatte seinerseits namentlich nicht genannten EU-Partnerländern vorgeworfen, es auf ein Scheitern der Verhandlungen über die Athener Spar- und Reformpläne abgesehen zu haben. "Es ist offensichtlich, dass eine Gruppe von Ländern keine Einigung haben will", verlautete am Sonntag aus griechischen Regierungskreisen. Die Athener Vorschläge für Reform- und Sparprogramme seien von der EU-Kommission, der Europäischen Zentralbank (EZB) und dem Weltwährungsfonds (IWF) positiv aufgenommen worden. Man habe sich in der Euro-Gruppe auch auf einen Zeitplan verständigt, hieß es. Einige Länder hätten jedoch wiederholt die Frage der "Vertrauenswürdigkeit" aufgebracht, ohne genau zu sagen, was Griechenland konkret tun solle.
    Das griechische Parlament hatte Tsipras ein Mandat für Verhandlungen über seine Reformpläne erteilt. Sollten die Finanzminister diesen Maßnahmen zustimmen, könnten sie den Weg frei machen für Verhandlungen über ein neues Hilfspaket. Lehnen sie ab, wäre ein Ausscheiden Griechenlands aus dem Euro-Währungsraum nicht ausgeschlossen.
    (cc/jan)