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Griechenland-Krise
"Krise so schnell wie möglich lösen"

Nach dem Referendum in Griechenland will die Bundesregierung die Gespräch mit Athen wieder aufnehmen. Die Grünen sind für sofortige Verhandlungen, weil mit jedem Tag, der verstreiche, die Situation dramatischer werde. Das sagte der Ko-Fraktionschef der Grünen im Bundestag, Anton Hofreiter, im DLF.

Anton Hofreiter im Gespräch mit Jasper Barenberg |
    Der Ko-Fraktionschef der Grünen im Bundestag, Anton Hofreiter.
    Anton Hofreiter, Ko-Fraktionschef der Grünen im Bundestag, sprach sich für eine Umschuldung Griechenlands aus. (picture alliance / dpa / Bernd von Jutrczenka)
    Der Grünen-Politiker sprach sich für eine Umschuldung Griechenlands aus. Die Europäer müssten die Schulden Griechenlands beim Internationalen Währungsfonds übernehmen. Damit werde für fünf Jahre Ruhe gesorgt und die Griechenland hätte die Zeit, Wirtschaft und Staat wieder aufzubauen.
    Eine Zwischenwährung wäre nach Ansicht Hofreiters keine Chance: "Die Wirtschaftsstruktur Griechenlands lebt vor allem vom Tourismus und deshalb funktioniert diese Methode nicht." Das Problem sei die ökonomische Struktur Griechenlands. Es werde viel in das Land importiert, mit einer Zwischenwährung würden sich die importierten Produkte verteuern die Haupteinnahmequelle wäre kostengünstiger und das Land auf einen Schlag verarmen.
    Der Bundestag wird heute über die Lage in Griechenland debattieren. In der Nacht lief das Hilfsprogramm für das von der Staatspleite bedrohte Land ab, nachdem sich die Geldgeber und Athen nicht auf die Bedingungen für eine Verlängerung einigen konnten.

    Das Interview in voller Länge:
    Jasper Barenberg: Berlin gestern Nachmittag. Da hat Bundeskanzlerin Angela Merkel die Partei- und Fraktionschefs von SPD und Union kurz entschlossen zusammengerufen, außerdem den Finanzminister, Wolfgang Schäuble. Der Grund: der unerwartete Vorstoß von Alexis Tsipras, der Brief, der Antrag auf ein neues Hilfsprogramm, der Vorschlag, das noch laufende kurzfristig zu verlängern. Daraus wurde nichts, wie wir inzwischen wissen. Am Telefon ist Anton Hofreiter, der Co-Fraktionschef der Grünen im Bundestag. Schönen guten Morgen.
    Anton Hofreiter: Guten Morgen.
    Barenberg: Herr Hofreiter, wir haben es gerade vom Kollegen Capellan gehört. Die Grundlinie der Koalition in dieser Frage ist, Verhandlungen soll es erst nach dem Referendum geben. Warum sind Sie für sofortige Verhandlungen?
    Hofreiter: Wir sind für sofortige Verhandlungen, weil mit jedem Tag, der verstreicht, die Situation dramatischer wird, und viele Wirtschaftswissenschaftler sagen, es ist am Ende unklar, welche Auswirkungen das für den Rest Europas haben kann, nicht nur politische, sondern auch ökonomische Auswirkungen. Das heißt, es ist klüger, die Krise so schnell wie möglich zu lösen, als die Zeit verstreichen zu lassen.
    "Umschulden und für fünf Jahre Ruhe sorgen"
    Barenberg: Hat es nicht genug Angebote für Verhandlungen, hat es nicht genug Verhandlungen selber gegeben, sodass jetzt eigentlich die Regierung Tsipras am Zug wäre, ein neues Angebot zu machen?
    Hofreiter: Es gab von beiden Seiten Lebenslügen. Es gab von der Regierung Tsipras die Lebenslüge, dass Griechenland unverschuldet in die Krise geraten ist und das jahrelange schlechte Wirtschaften oder das schlechte Regieren keine Schuld daran trägt, und es gab vonseiten der Gläubiger und vonseiten der Bundesregierung die Lebenslüge, dass Griechenland in der Lage wäre, Monat für Monat, alle halbe Jahr neu zu verhandeln. Denn eines der Hauptprobleme für Griechenland ist, dass wir alle halbe Jahre darüber sprechen, ob Griechenland aus dem Euro fliegt. Das jetzige Angebot hätte für November gegolten. Aber es ist klar, dass niemand in Griechenland investiert, die Wirtschaft nicht ans Laufen kommt, wenn alle halbe Jahr dieser Zirkus aufgeführt wird. Deswegen wäre unser Vorschlag, umschulden und für fünf Jahre Ruhe sorgen, dass man bis 2020 das Problem erst mal im Griff hat. Dann bestehen fünf Jahre Zeit, um Griechenlands Wirtschaft und Griechenlands Staat wieder aufzubauen.
    Barenberg: Erklären Sie uns, wie Sie davon ausgehen, dass eine Umschuldung dazu führt, dass wir fünf Jahre Ruhe haben?
    Hofreiter: Eine Umschuldung würde dazu führen, dass die Kredite, die Griechenland im Moment an IWF und EZB zurückzahlen müssen, vom sogenannten Europäischen Stabilitätsmechanismus übernommen werden, und das hätte zur Folge, dass wir nicht mehr jedes Jahr oder jedes halbe Jahr über neue Pakete reden müssen. Der positive Effekt für die Steuerzahler wäre, nominell muss kein Schuldenschnitt erfolgen, nominell besteht keine Gefahr, dass die Steuergelder, die wir Griechenland geliehen haben, ausfallen. Für Griechenland hat das den Effekt, dass sie befreit sind von der Schuldrückzahlung für fünf Jahre, aber trotzdem unter hohem Druck stehen, ihren Staat zu reformieren. Sie müssen dafür sorgen, dass sie mit den laufenden Ausgaben klar kommen.
    Barenberg: Das Argument gegen die Umschuldung ist ja immer, wenn man auf diese Weise vorgeht, dass man dann sehr viel früher, als wir das im Moment sehen können, Griechenland wieder an demselben Punkt hat, dass wieder neues Geld nötig wäre. Auch für die Umschuldung selber wäre ja erforderlich, dass die europäischen Partner die Schulden unter anderem auch des IWF dann übernehmen.
    Hofreiter: Es müsste der ESM die Schulden, der Europäische Stabilitätsmechanismus die Schulden des IWF übernehmen. Das ist richtig. Aber das sind de facto öffentliche Institutionen. Also in gewisser Hinsicht ist es rechte Tasche, linke Tasche, natürlich nicht hundertprozentig beim IWF, bei der EZB de facto hundertprozentig, weil es auch eine europäische Institution ist. Und selbstverständlich wäre das nicht bedingungslos. Die Bedingung wäre, dass Griechenland in der Lage ist, seine laufenden Ausgaben selbst zu decken, aber das war's. Das letzte halbe, dreiviertel Jahr, die letzten Monate sind schwer zu beurteilen. Nach dem neuerlichen Einbruch ist wahrscheinlich der sogenannte Primärüberschuss, dass sie mehr Einnahmen wie laufende Ausgaben hatten, dahin, aber das müssen sie halt versuchen, sofort wiederherzustellen.
    "Die importieren ungefähr die Hälfte ihrer Lebensmittel"
    Barenberg: Warum ist eigentlich die Vorstellung einer Zwischenwährung für einige Jahre, die Drachme für einige Jahre, dann später, in 10, in 15, in 20 Jahren eine Rückkehr in den Euro, warum gibt es für Sie keine Anzeichen dafür, dass das auch eine Chance sein könnte für Griechenland?
    Hofreiter: Das Problem ist die ökonomische Struktur Griechenlands auf der einen Seite. Die importieren ungefähr die Hälfte ihrer Lebensmittel, die importieren einen erheblichen Teil ihrer Energie, die importieren einen Großteil ihrer Medizinprodukte. All diese Produkte würden bei der Einführung einer Zwischenwährung, einer Drachme wahrscheinlich auf einen Schlag um 50 Prozent teurer werden. Das heißt, sie wären für Griechenland nahezu unbezahlbar, während ihre Haupteinnahmequelle, der Tourismus, entsprechend kostengünstiger wäre. Das heißt, Griechenland würde auf einen Schlag stark verarmen und die Chance, dass sie in der Lage wären, selbsttragend von ihren Einnahmen zu leben, würde auf einen Schlag radikal sinken. Das ist was völlig anderes bei einem klassischen Industrieland, das sehr, sehr viele Produkte exportiert. Deren Produkte wären wettbewerbsfähiger auf dem Markt durch so eine Zwischenwährung. Dann würde sich die Lage anders darstellen. Aber die Wirtschaftsstruktur Griechenlands lebt vor allem vom Tourismus und deshalb funktioniert diese Methode nicht. Außerdem kommt mittelfristig noch was anderes dazu. Währungsunionen, die einen Austrittsmechanismus haben, zerfallen fast immer über kurz oder lang. Mittelfristig wäre das auch für uns ein extrem gefährlicher Weg.
    Barenberg: Anton Hofreiter heute Morgen hier live im Deutschlandfunk, der Co-Fraktionschef der Grünen im Bundestag. Vielen Dank für das Gespräch.
    Hofreiter: Ich sage danke.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.