Ganz so optimistisch wie der griechische Regierungschef Tsipras, dass die Verhandlungen mit Griechenland für ein drittes Hilfspaket bereits auf der Zielgeraden sind, ist man in Brüssel nicht. Aber doch zumindest verhaltener Optimismus sprach gestern aus dem, was die Sprecherin der EU-Kommission, Mina Andreeva, sagte:
"Kommissionspräsident Juncker hat in einem Interview gesagt, dass die Verhandlungen zufriedenstellend verlaufen. Er hat auch gesagt, dass es möglich ist, vorzugsweise noch vor dem 20. August zu einer Vereinbarung zu kommen. Das ist ein ambitionierter aber machbarer Zeitplan, wenn sich jeder an die Verabredungen vom Euro-Sonder-Gipfel am 13. Juli hält."
Diese Verabredungen gingen ungewöhnlich detailgenau für Gipfel-Beschlüsse auf konkrete Reformvorhaben ein, die von Athen als Gegenleistung für über 80 Milliarden Euro an Hilfskrediten in den kommenden drei Jahren erwartet werden. Aber da der Teufel bekanntlich oft gerade in den kleinsten Details liegt, sind die Verhandlungen keinesfalls schon so gut wie gelaufen.
Verhandlungen über Fristen, Zahlen und Mitspracherechte
Es geht um Fristen für die Umsetzung von bereits als verabredet Geltendem; es geht um genaue Zahlen; es geht um Mitspracherechte der Geldgeber. Etwa beim Privatisierungsfonds: In welchem Umfang soll dieser bis wann welche Erlöse aus Verkauf oder Verpachtung von griechischem Staatsbesitz zu erwirtschaften haben? Und wer soll das letztentscheidende Wort beim Fonds haben – die Griechen oder die Geldgeber?
Zudem wird aktuell über die dringend notwendige Re-Kapitalisierung griechischer Banken verhandelt. Aber, wie gesagt, man käme gut voran, heißt es in Brüssel. Anders lautende Einschätzungen, wie sie nach einer Zeitungsmeldung deutsche Regierungsmitglieder haben wollen, entbehrten der Grundlagen, wies sie die Kommissionssprecherin zurück:
„Es ist Sache von EU-Kommission, Europäische Zentralbank, ESM-Rettungsschirm und dem Internationalen Währungsfonds die Verhandlungen mit Athen zu führen und die Fortschritte zu bewerten. Unsere Teams sind vor Ort, sehen zufriedenstellende Fortschritte und ich wüsste nicht, wer einen besseren Überblick haben könnte."
Der besagte 20. August, bis zu dem die Vereinbarungen unter Dach und Fach sein sollen, ist deshalb so wichtig, weil Athen sonst nicht das nötige Geld hätte, um von der EZB geliehene 3,2 Milliarden Euro zurückzahlen zu können. Klappt das nicht – drohte Griechenland erneut akut die Zahlungsunfähigkeit oder müssten weitere Überbrückungsmilliarden durch die EU-28 organisiert werden.
IWF: Griechenland braucht Erleichterung von Schuldenlast
Als Klangkulisse gewissermaßen spielt im Hintergrund der Verhandlungen die klare Ansage des IWF, dass Griechenland Erleichterungen bei seiner angehäuften Schuldenlast brauche, die der Wirtschaftskraft des Landes in nicht darstellbarer Weise gegenüberstehe:
"Griechenland braucht glaubwürdig Schuldentragfähigkeit. Wir als Währungsfonds verleihen das Geld unserer 188 Mitglieds- Länder – von den ärmsten bis zu den reichsten. Wir sind ihnen Rechenschaft schuldig."
Betont IWF-Chefin Lagarde immer wieder. Sie fordert von den europäischen Geldgebern, für Griechenland noch einmal erheblich weiter gehende Schuldenerleichterungen zu organisieren, als ohnehin mit der Senkung von Zinsen und Streckung der Rückzahlungen ohnehin schon umgesetzt wurden. Der IWF seinerseits ist zu Vergleichbarem nicht bereit oder nicht in der Lage. Unter seinen Mitgliedern – darunter die Entwicklungsländer und die Schwellen-Länder – ist der Wille nicht sehr ausgeprägt, ausgerechnet einem Land auf dem reichen europäischen Kontinent auch noch Schulden zu erlassen, nachdem man es schon überproportional stark unterstützt hat.
Bundestagsmehrheit für Hilfspaket gebraucht
Die Crux ist, dass etwa Deutschland sich gegen einen weiteren Schuldenschnitt ausspricht. Der scheint aber für den IWF inzwischen unabdingbar, wenn er sich - über Frühjahr 2016 hinaus - an der Griechenland-Rettung beteiligen soll. Dann müsste die IWF-Beteiligung erneuert werden. Die Bundesregierung will aber auf den IWF im 'Rettungsboot' nicht verzichten.
„Eine der ganz zentralen Bedingungen ist, dass der Internationale Währungsfonds mit dabei ist. Wenn der IWF nicht mehr dabei ist, dann gibt es ein richtiges Problem."
Hatte CDU-CSU-Bundestagsfraktionschef Kauder nach dem Griechenland-Sondergipfel der Euroländer im Juli gesagt. Das 'richtige Problem' wäre, dass im Bundestag eine Mehrheit für ein ausgehandeltes 3. Hilfspaket her müsste:
"Ich könnte auch einer weiteren Auszahlung nicht zustimmen, wenn der IWF sagt, es geht nicht mehr."