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Griechenland
Nicht nur Ärger mit den EU-Partnern

Der neue Athener Regierungs-Stil könnte auch Folgen für das Verhältnis zur Türkei haben. Die Beziehungen waren über viele Jahrzehnte angespannt, doch unter dem türkischen Regierungschef Erdogan und dem ehemaligen griechischen Ministerpräsidenten Samaras näherten sich beide Länder Schritt für Schritt an. Bleibt es dabei?

Von Reinhard Baumgarten |
    Die griechische und türkische Fahne.
    Gibt es eine Neuausrichtung der griechisch-türkischen Beziehungen? (imago/Rainer Unkel)
    Die neue griechische Regierung war gerade vereidigt worden. Der Rechtsausleger im Kabinett, Panos Kamenos, glaubte, in Richtung Türkei ein Zeichen setzen zu müssen. In Begleitung hochrangiger Militärs überflog der neue Verteidigungsminister das zwischen Ankara und Athen umstrittene Eiland Imia-Kardak und warf Trauerkränze ab. Ende Januar vor 19 Jahren wäre es um die 49 ha große Insel nahe Bodrum fast zum Krieg zwischen der Türkei und Griechenland gekommen.
    Kamenos habe für seine Leute ein Zeichen setzen wollen, sagt der Politikwissenschaftler Serhat Güven. "Türkische Kampfflugzeuge haben sich diesem Hubschrauber genähert. Kein Schaden ist entstanden. Er hat sein Statement gemacht, aber ist nicht sehr ernst genommen worden."
    Rein symbolische Geste
    Der Flug über Imia sei eine rein symbolische Geste für die Griechen gewesen, betont auch Dimtrios Triantaphyillou vom Zentrum für Internationale und Europäische Studien in Istanbul. "Drei Soldaten sind da gestorben. Es geschah, weil der Jahrestag genau in der Woche war, als die griechische Regierung vereidigt wurde. Kamenos ist ein Politiker, der sein ganzes Leben lang Publicity gesucht hat. Er hat die Gelegenheit beim Schopf ergriffen."
    Propaganda in eigener Sache also und nicht etwa ein Hinweis auf eine Neuausrichtung der griechisch-türkischen Beziehungen. "(Regierungschef) Tsipras versucht eine eher moderate Linie. Ich nehme an und hoffe, dass er die auch seiner Regierung auferlegen wird."
    Warum sich grundlos streiten?
    Die Türkei gehört neben Italien und Deutschland zu den drei wichtigsten Handelspartnern Griechenlands. Das Handelsvolumen pendelt zwischen vier bis fünf Milliarden Euro jährlich. Die neue Regierung in Athen hat vollmundig angekündigt, kein Haushaltsdefizit mehr produzieren zu wollen. Dazu braucht sie Einnahmen. Warum sich grundlos mit Nachbarn zerstreiten, fragt der Wissenschaftler Triantaphyillou. "Mehr und mehr türkische Touristen kommen. Ich glaube letztes Jahr waren's über eine Million. Möchtest Du diese Einnahmequellen und den Kontakt von Mensch zu Mensch verwässern? Das trägt doch auch zur Verbesserung der griechisch-türkischen Beziehungen bei. Die Regierung wird das ernst nehmen, weil das der Wirtschaft Geld bringt."
    Oberste Priorität der neuen Athener Regierung sei eine Verbesserung der Lebensverhältnisse in Griechenland, erklärt Triantaphyillou. Seiner Einschätzung nach wird die linke Regierungspartei Syriza versuchen, die Beziehungen zu Ankara zu vertiefen und die wirtschaftliche Zusammenarbeit zu stärken. Vieles hänge aber davon ab, wie erfolgreich Tsipras seine Politik gegenüber den internationalen Geldgebern werde umsetzen können. "Sollte die Regierung zeigen, wir haben stolz wie Zorba der Grieche gekämpft, aber diese Leute haben nicht auf uns gehört, deshalb müssen wir die Eurozone verlassen, dann wird auch eine nationalistischere Rhetorik aufkommen. In Sinne wie: Wir sind umringt von Feinden. So ähnlich wie die Türken das auch manchmal sehen."
    Dann könnte auch die Stunde von nationalistischen Scharfmachern vom Schlage Panos Kamenos schlagen.