Nimm den Kammenos und mach dich vom Acker, rufen die Demonstranten vor dem griechischen Parlament. Gemeint sind Ministerpräsident Alexis Tsipras und sein Koalitionspartner Panos Kammenos von der rechtspopulistischen Anel. Tausende sind dem Aufruf im Internet an diesem strahlenden Juniabend gefolgt. Paraititheite, tretet zurück, ist der Name der neuen Protestbewegung.
Gekommen sind vor allem Angehörige der Mittelklasse. Sie fühlen sich extrem belastet durch die vom Parlament jüngst beschlossenen Steuererhöhungen. Und sie sehen keine Perspektive, dass es wieder aufwärts geht in Griechenland. Im Gegenteil, sagt Freiberufler Andreas, der zusammen mit anderen ein riesiges "Tretet-Zurück"-Plakat hält.
"Von ihrem Wahlprogramm haben Tsipras und Syriza keine einzige Zeile umgesetzt. Was hat es da für einen Sinn, dass sie noch weiter regieren? Das Land kann nicht länger warten. Die Wirtschaft geht immer mehr kaputt, die Unternehmen schließen. Die Katastrophe passiert, weil es diese Regierung gibt."
Noel ist mit ihrem Mann Spiros zur Demo gekommen. Sie ist Schriftstellerin, er Manager einer Pharmafirma. Es kann nur besser werden, wenn Tsipras geht, meint auch sie. "Mir möchten eine Veränderung, wo es Ehrlichkeit gibt, Würde und eine Zukunft. Wir haben eine 18-jährige Tochter, die gerade erst ins Leben startet. Wir wollen, dass sie eine Zukunft hat."
Tsipras macht Bürgern Hoffnung
Not amused war die griechische Regierung vom sich anbahnenden Protest. Kulturminister Philis sah die Bewegung am Rande der Verfassungsmäßigkeit, Regierungssprecherin Jerovasili bezeichnete sie als unpatriotisch. "'Tretet zurück' ist eine Forderung, die nicht auf das antwortet, was die griechische Gesellschaft gerade braucht. Das ist feindlich gegenüber dem eigenen Land."
Für unsouverän hält Christos Katsioulis diese Reaktion. Und typisch für die alten Muster, so der Büroleiter der SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung in Athen. "Dieses Aufpusten des Gegners ist der Innerregierungshygiene dienlich, wo man deutlich machen kann, man ist weiter in dem polarisierten Kampf gegen das Establishment, man hat versucht diese Menschen als das alte hinzustellen, die versuchen ihre Privilegien zu schützen."
Die neue Protestwelle trifft die Regierungspartei Syriza in einer schwierigen Phase. Die Abstimmung der neuen, schmerzhaften Reformpakete hat die Links-Rechts-Koalition von Alexis Tsipras zwar überstanden. Aber jetzt ist die Frage, wie er die Partei zusammenhalten kann, die in den Verhandlungen mit den internationalen Geldgebern viele ihrer Prinzipien über Bord geworfen hat. In seiner Rede bei der Parlamentsdebatte im Mai versuchte der Ministerpräsident die Hoffnung zu wecken, dass es ab jetzt besser wird.
"Das sind keine einfachen Maßnahmen. Weil die Bürger dieses Landes schon sehr viel ertragen haben. Aber es ist das erste Mal, dass es die letzten Einschnitte sein könnten und es eine andere Perspektive gibt."
Demonstranten bieten keine Alternative
Jetzt komme der Wirtschaftsaufschwung, so die Botschaft. Aber das wird nicht reichen, um Syriza an der Macht zu halten. Die einstige linke Sammlungsbewegung ist zusammengeschrumpft, die Hardcore-Linken haben die Partei verlassen. Tsipras muss jetzt Führungsqualitäten zeigen, sagt Christos Katsioulis.
"Er muss versuchen, der Partei neuen Drive zu geben, neue Leute dazu zu holen, und dazu versucht er sich unterschiedlicher Elemente zu bedienen, einerseits des Protestes, des Antiestablishments, aber dann auch Realismus, ein Wirtschaftsmodell, das man verfolgen kann und an dem man Regierungspolitik machen kann, etwas, das bisher ja gefehlt hat."
Zu sehr war Syriza getrieben von den Ereignissen, als eigene Akzente setzen zu können. Ein Akzent könnte jetzt sein, die wirklich reichen Griechen stärker heranzuziehen, meint der Politikwissenschaftler. Und gegen den immer noch vorherrschenden Klientilismus anzutreten. Tsipras sei dafür im Prinzip der Richtige, weil er zu denen in seiner Partei gehöre, die das Land verändern wollen.
"Das haben wir mitbekommen bei der Rentenreform, die faktisch fast alle gleichermaßen getroffen hat, was wichtig ist, weil es aufhört mit Privilegierung von bestimmten Personengruppen, die wir sonst bei diesen Reformen hatten."
Das Problem der "Tretet zurück"-Bewegung: Sie zeige keine richtige Alternative auf. Besser wäre der Slogan gewesen: Sovarevteite – reißt euch zusammen und macht endlich seriöse Regierungsarbeit.