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Griechenland
Schulz: "Gewisse Arrangements möglich"

Wie weit wird Griechenland wirtschaftspolitisch gehen? Europa fürchtet nicht nur den Stopp des Reformprogramms, sondern auch eine andere Haltung gegenüber Russland. EU-Parlamentspräsident Martin Schulz gab sich nach seinem Besuch entspannt - und die Finanzmärkte reagierten prompt.

Von Michael Braun | 29.01.2015
    Will die neue griechische Regierung Russland als Geldgeber gewinnen, wenn Europa sich weigert? Oder Russland zumindest als Markt für Gemüse und Obst zurückholen, nachdem voriges Jahr wegen russischer Gegensanktionen rund 600.000 Tonnen Pfirsiche und andere Agrarprodukte in Griechenland verfaulten? Steht das hinter der Absicht der neuen griechischen Regierung, weitere Sanktionen gegen Russland vermeiden zu wollen? Es könnte auch politisch riskanter Verhandlungspoker der neuen Athener Führung sein. Kapitalmarktexperten wie die Anleihespezialistin Ilona Korsch von Hauck & Aufhäuser trauen der Regierung Tsipras das zu:
    "Ich denke, dass hier der Verhandlungspartner, der neue Regierungschef, Maximalforderungen stellt, was ich vielleicht sogar für normal empfinde. Er möchte sein Gesicht nicht verlieren, hat Versprechungen dem Volk gegenüber abgegeben. Diese Versprechungen sind meiner Meinung nach nicht ganz zu halten. Aber es wird auf eine Kompromisslösung hinauslaufen. Es wird hart verhandelt."
    So werden auch die EU-Außenminister auf ihrem in dieser Stunde laufenden Ratstreffen in Brüssel in die Debatte einbezogen, wie Griechenland sich künftig finanzieren wird. EU-Parlamentspräsident Martin Schulz (SPD) war heute in Athen zu Besuch. "Tacheles reden" werde er, hatte vor dem Abflug gesagt und klarmachen, dass es für einen Schuldenschnitt keine Mehrheit gebe. Nach dem Gespräch in Athen sandte Schulz erste entspannte Signale:
    Es habe die Sorge gegeben, dass Alexis Tsipras seinem eigenen Weg folge, aber das sei nicht der Fall, sagte Schulz nach dem Treffen in Athen. Griechenland suche Lösungen auf einer gemeinsamen Grundlage mit seinen europäischen Partnern.
    Ein Hoffnungsschimmer?
    Schulz hatte zuvor gesagt, statt eines Schuldenschnitts seien "gewisse Arrangements" möglich. Womöglich wird darüber schon morgen Eurogruppen-Chef Jeroen Dijsselbloem reden. Er reist morgen nach Athen.
    Die Finanzmärkte schauen auf solche Nachrichten. Zwei Anleihen hat Griechenland voriges Jahr am Kapitalmarkt unterbringen können, und zwar ohne jede europäische Stütze. Auf diese Papiere wirken also nur Marktmeinungen. Die Anleihe mit drei Jahren Laufzeit notierte heute Mittag mit einer Rendite von 18 Prozent. Als die Meldung von Martin Schulz kam, Griechenland suche eine partnerschaftliche Lösung, entspannte sich die Rendite auf unter 17 Prozent. Vielleicht nur eine normale Tageschwankung. Vielleicht ein Hoffnungsschimmer.
    In dieser Spanne dürften sich auch die Signale der Athener Aktienbörse bewegen. Nach Verlusten von 15 Prozent in den letzten drei Handelstagen ging es heute um rund drei Prozent aufwärts.