Der Sieger ließ lange auf sich warten gestern Abend in Athen. Es war kurz vor Mitternacht, als Alexis Tsipras, der Parteichef des Linksbündnisses Syriza und wahrscheinlich neuer Regierungschef Griechenlands, erschien. Auf dem großen Platz vor der Universität in Athen hob er die Hände zur großen Geste, stieg auf sanft rötlich ausgeleuchteter Bühne vor helle Marmorsäulen:
"Lasst uns die Sonne über Griechenland erheben, die Sonne der Gerechtigkeit, die Sonne der Demokratie, die Sonne des Stolzes. Zusammen werden wir es schaffen."
Einen Neuanfang versprach Tsipras und wandte sich damit an das gesamte griechische Volk. Wie genau er in den nächsten Wochen ans Werk geht, um wirtschaftliche Entbehrungen zu überwinden und die von ihm als Erniedrigungen bezeichneten Sparvorhaben abzumildern, das muss sich für viele, die ihn gewählt haben, jetzt möglichst schnell zeigen.
"Syriza hat uns ja versprochen, dass der Mindestlohn wieder erhöht wird. Wir wissen zwar nicht, wieviel das sein wird, und wir erwarten jetzt schon, dass der arme Teil der Bevölkerung sich wieder was leisten kann und unsere Finanzen jetzt insgesamt wieder ins Lot kommen."
Samaras lobt seine Reformen
Der Mann, der das mit dem nachhaltigen Krisenmanagement in den letzten zwei Jahren tapfer versucht hat, zieht als Verlierer aus den griechischen Neuwahlen, auch wenn sein Einzug ins historische Zappeion vor der internationale Presse zunächst nicht wie eine Niederlage klingt.
Antonis Samaras, bald Ex-Ministerpräsident - er und seine konservative Nea Demokratia schnitten noch schlechter ab, als es die Wahlforscher vorhergesagt hatten. Dennoch lächelte Samaras vor seinem öffentlichen Eingeständnis:
"Das griechische Volk hat gesprochen. Wir respektieren seine Entscheidung", sagte Samaras. "Ich habe ein reines Gewissen. Unser Land war am Rande des Abgrunds, als ich es übernommen habe. Von mir wurde verlangt, dass ich mit nackten Händen heiße Kohlen halten sollte."
Aus Sicht des konservativen Ministerpräsidenten haben er und seine Regierung in den letzten Jahren das Schlimmste verhindert. Bevor für Alexis Tsipras heute die Verhandlungen über die künftige Regierungsarbeit unter Syriza-Führung beginnen, durfte im Herzen Athens gefeiert werden. Viele nachdenkliche Gesichter waren unter den Gästen. Nach einem kurzen Feuerwerk sind die meisten der vielen tausend Syriza-Anhänger abgezogen aus der Stadt. Heute früh, das wissen sie, beginnt der erste Tag Wirklichkeit für ihr Linksbündnis nach der Wahl. Und nicht nur in Sachen Schuldendienst sind reichlich Fragen offen.