Wenn Alexis Tsipras übermorgen nach Moskau reist, dann ist ihm nicht nur die Aufmerksamkeit des Gastgebers sicher. In vielen Staaten der Europäischen Union (EU) betrachtet man diese Reise des griechischen Regierungschefs mit Argwohn und wird jedes Wort auf die Goldwaage legen. Der Russland-Beauftragte der Bundesregierung, Gernot Erler, hält es für nicht unwahrscheinlich, dass Moskau versuchen könnte, mit Blick auf die Ukraine-Krise einen Keil in die westliche Konsensfindung zu treiben. In den kommenden Monaten muss die EU über eine Verlängerung der Russland-Sanktionen befinden. Erler sagte der Nachrichtenagentur AFP, die griechische Führung müsse sich aber die Frage stellen, ob es klug wäre, die Russland-Sanktionen mit ihrem Disput mit der EU in der Finanzkrise in Zusammenhang zu bringen. Das Ausspielen dieser Karte werde die Zahl der Freunde Griechenlands sicher nicht erhöhen, so Erler.
Kritik und Zuspruch
Schon am Samstag hatte EU-Parlamentspräsident Martin Schulz den griechischen Premier davor gewarnt, europäische Partner mit seiner Moskau-Reise zu verprellen. Kritische Stimmen kommen auch aus der Unions-Fraktion. Der außenpolitische Sprecher der CSU-Landesgruppe, Florian Hahn, sagte im Bayerischen Rundfunk:
"Die Frage ist, was diese Reisen bringen. Ich würden den Griechen vorschlagen, dass sie sich lieber um ihren Haushalt kümmern, dass sie sich um ihre Finanzpolitik kümmern, die Reformenliste vorlegen und diese dann ordentlich abarbeiten, damit wir in Europa weiter vorankommen."
Der Vorsitzende des Europa-Ausschusses, Günter Krichbaum von der CDU warnte noch deutlicher. Wer weitere europäische Hilfe wolle, dessen Kompass müsse nach Brüssel zeigen, nicht nach Moskau. Der Grünen-Europa-Politiker Reinhard Bütikofer zeigte sich gegenüber dpa gelassen. Griechenland habe die konkreten Beschlüsse im europäisch-russischen Verhältnis mitgetragen, betone Bütikofer. Die Linkspartei verteidigt die Visite von Tsipras in Moskau. Außenpolitiker Stefan Liebich zum BR:
"Es ist ja so, dass Alexis Tsipras gesagt hat, er möchte gerne in seinem Land endlich Steuern bei den Reichen erheben, aber er wünscht sich auch, dass es die Möglichkeit gibt, dass er sein Programm umsetzen kann. Und wenn man ihm die Luft zum Atmen abschnürt, dann wird das ganze Programm nichts. Und dann sind wir selber diejenigen, die Verantwortung dafür tragen, dass er die Hilfe woanders sucht."
Wahrscheinlich weitere Finanzhilfen für Griechenland notwendig
Luft zum Atmen, die könnte in einigen Monaten in Form weiterer Finanzhilfen für Griechenland notwendig werden. Wir sollten uns alle darauf einstellen, rät Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckhardt in der Welt am Sonntag. Sie sehe nicht, dass Griechenland schon im Frühsommer auf eigenen Beinen stehe. Falls ein drittes Hilfsprogramm tragfähig sei, würden die Grünen ihrer Verantwortung gerecht werden, so Göring-Eckhardt. Auch wenn die Bundeskanzlerin angesichts der aktuellen Mehrheitsverhältnisse auf derartige Unterstützung aus den Reihen der Opposition bisher nicht angewiesen ist.
Die Entscheidung über weitere Hilfen für Athen könnte zur Zerreißprobe in der Union werden. Widerspruch kam auf alle Fälle schnell. Der Generalsekretär des CDU-Wirtschaftsrats, Wolfgang Steiger, sagte AFP: Diese Zusage von Göring-Eckhardt verdirbt die Moral in Europa. Steiger warnte die Grünen, so wörtlich, nicht wieder in die gleichen Fehler zu verfallen wie vor zwei Jahren, als sie sich für Eurobonds und damit die Vergemeinschaftung von Schulden eingesetzt haben. Auch CSU-Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt lehnt Überlegungen zu einem dritten Hilfspaket ab. Darüber müsse man sich derzeit nicht den Kopf zerbrechen, sagte sie zu Welt Online. Sollten griechische Reformpläne nicht konkreter werden, sehe sie auch keinen Spielraum für die Gewährung neuer Gelder aus dem laufenden Finanzpaket.