Da ist es wieder, das Klischee von den Griechen, die nichts auf die Reihe kriegen. Seit Wochen hagelt es Kritik aus ganz Europa am Management der griechischen Grenzen in der Flüchtlingskrise; immer wieder wird die Forderung laut, Griechenland aus dem Schengenraum auszuschließen, wo im Prinzip keine Grenzkontrollen gelten.
Besonders populär ist das Griechen-Bashing in osteuropäischen Ländern, so der griechische Ministerpräsident Alexis Tsipras am Dienstag nach einem Treffen mit EU-Ratspräsident Donald Tusk. "Diese Regierungen zögern in der letzten Zeit nicht, Griechenland anzugreifen. Dieses Verhalten wird Europa in die Sackgasse führen." Die griechische Regierung fühlt sich ungerecht behandelt. Denn wie soll ein Land alleine mit dem Ansturm von Hunderttausenden Menschen fertig werden – ohne eine gemeinsame europäische Lösung für das Problem?
Wenn die Flüchtlinge erst in den Booten Richtung griechische Inseln sitzen, könne sie die Küstenwache jedenfalls nicht stoppen, so Ioannis Mouzalas, der für Migration zuständige Vizeminister. "Solche Pushbacks sind schlicht illegal; weder die griechische Küstenwache noch die EU-Grenzschutzagentur Frontex haben die Absicht, illegale Dinge zu tun."
Die bisher getroffenen Beschlüsse lindern die Situation kaum. Aufnahme für über 66.000 Flüchtlinge, die Griechenland erreicht haben, versprachen die anderen EU-Mitgliedsstaaten. Aber bisher wurden gerade mal knapp 300 Menschen aus Griechenland in andere Länder ausgeflogen.
Türkei zum sicheren Drittland erklärt
Andererseits wollen die meisten Flüchtlinge ohnehin über die Balkanroute weiter nach Nordeuropa. Für Menschen aus Syrien, dem Irak und Afghanistan ist das noch möglich. Für andere Nationalitäten hat Mazedonien die Grenze dichtgemacht. Wer aus Pakistan, dem Iran oder Marokko kommt, steckt seit Ende November in Griechenland fest.
Eine Möglichkeit wäre, Migranten ohne Asylgrund in die Türkei zurückzuschicken. Um das zu ermöglichen, hat Griechenland die Türkei Anfang des Monats zum sicheren Drittland erklärt. Der griechische Innenminister Panajiotis Kouroumblis. "Griechenland, muss ich sagen, hat sich zu diesem Schritt überwinden müssen. Wir stellen damit unsere Bereitschaft unter Beweis, das Problem wirklich umfassend anzugehen."
Die griechische Regierung hofft auf eine Lösung mit der Türkei, die dazu führt, dass nicht mehr so viele Flüchtlinge in die Boote der Schlepper steigen. Das Ende November beschlossene Abkommen der EU mit der türkischen Regierung hat jedenfalls nicht zu einem deutlichen Rückgang der Flüchtlingszahlen geführt.
Inzwischen arbeiten immerhin die meisten der sogenannten Hotspots auf den griechischen Inseln. Mithilfe von Beamten der EU-Grenzschutzagentur Frontex registrieren die griechischen Behörden hier die ankommenden Flüchtlinge und speisen deren Daten in die europäischen Systeme ein. Aber mit der schnellen Entscheidung über Asylanträge und der Abschiebung nicht schutzbedürftiger Flüchtlinge wären die Registrierungsstellen wohl überfordert.
Der griechische Verteidigungsminister Panos Kammenos von der rechtspopulistischen Partei Unabhängige Griechen macht sich in Sachen Grenzschließung keine Illusionen – und hofft auf die Schiffe der NATO, die jetzt vor der türkischen Küste die Schlepper bekämpfen sollen. "Ich denke, es ist ein Fakt, dass einige Nachbarländer ihre Grenzen schließen werden. Wenn die NATO nicht eingreift, werden wir einen riesigen Zustrom von Flüchtlingen aus der Türkei haben."
Unterbringungsmöglichkeiten für Flüchtlinge fehlen
Dagegen geht Ioannis Mouzalas davon aus, dass deutlich weniger Flüchtlinge kommen werden, wenn die Grenzen Richtung Norden erst dicht sind. Dann würde sich herumsprechen, dass der Weg über Griechenland eine Sackgasse ist, so der Vizeminister für Migration. "Wir werden nicht das Horrorszenario erleben mit Millionen Flüchtlingen, die eingeschlossen sind. Es werden einige Zehntausend sein, ich würde sagen, 50.000 plus x. Ich glaube, dass wir... in der Lage sein werden, das zu managen."
Selbst wenn Mouzalas recht behalten sollte, hätte Griechenland noch viel zu tun, um die Flüchtlinge angemessen unterzubringen. Ende Oktober hatte die griechische Regierung versprochen, insgesamt 50.000 neue Plätze für Flüchtlinge zu schaffen – unter anderem mithilfe des UN-Flüchtlingshilfswerks. Doch diese Zahl ist bei Weitem noch nicht erreicht.