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Griechenland
Unwürdiges Leben in überfüllten Abschiebezentren

Seit Jahren steht Griechenland wegen der schlechten Behandlung von Flüchtlingen am Pranger. In den letzten Monaten hat es im Land viele Razzien gegeben. Alle, die ohne gültige Papiere aufgegriffen wurden, kamen in Aufnahmezentren. Eines davon liegt im Nordosten des Landes, in der Nähe zur Türkei - eine Ortsbegehung.

Von Anna Koktsidou | 03.04.2014
    Freundlich, aber bestimmt trägt Polizeichef Paschalis Syritoudis seine Informationen vor, umringt von seinen Mitarbeitern. Höchste Priorität habe, die Lebensqualität dieser Menschen zu verbessern, so Syritoudis.
    Polizeichef Syritoudis ist zuständig für das Zentrum Fylakio, im Norden der Region Evros: Es dient als Aufnahmelager, Zwischen- und Abschiebestation für knapp 400 Frauen und Männer, deren Vergehen darin besteht, ohne gültige Papiere in Griechenland zu sein - geflohen vor Krieg oder vor Armut:
    "Täglich putzt ein Privatunternehmen die Unterkunft, ein Catering- Unternehmen bringt jeden Tag das Essen, zwei Mal am Tag gibt es Hofgang für je drei Stunden", erklärt Syritoudis. Seit er Polizeichef sei, bemühe er sich um eine bessere Freizeitgestaltung: Es gebe Bücher, Ausgaben des Koran, Möglichkeiten zu zeichnen. Außerdem für jede Zelle einen Fernseher - und auf einem USB-Stick Filme, die die Insassen auswählen können.
    Dann lässt uns der Polizeichef in den Männertrakt, der hinter den Büroräumen liegt. Ein langer Flur, unterteilt mit Zwischenwänden in große Zellen, an der Rückseite schmale Fenster, die nur wenig Licht durchlassen, dazu Toilette und Dusche. Bis zu 50 Männer teilen sich eine Zelle, verhängen ihre Stockbetten mit Decken oder Pappkartons - und verschaffen sich damit so etwas wie eine Privatsphäre. Zum Flur hin sind die Zellen vergittert, durch die Gitterstäbe hindurch starren sie auf die Fernseher, die an dieser Wandseite angebracht sind. Lebensqualität, von der der Polizeichef spricht - davon kann aus Sicht der Insassen keine Rede sein:
    Durch die Gitterstäbe hindurch zeigt ein Mann aus dem Sudan die Verpflegung: ein abgepacktes Croissant samt kleiner Saftpackung zum Frühstück, ein Brötchen samt gleichem Saft für den Abend. Am Mittag ein Teller Bohnensuppe, die sie auf den Betten sitzend essen - dafür zahlt der griechische Staat an den Cateringservice 5,60 Euro pro Insasse. Täglich.
    "How can we survive?"
    Wie kann man da überleben, sagt ein anderer Mann, wir haben Hunger. Der 50-Jährige stammt aus Ghana. Er zeigt auf die Metallbetten, die zum Teil keine Matratzen haben, manche schlafen in den untersten Reihen auch auf Betonpritschen.
    "Menschen werden hier wie Tiere behandelt", bricht es aus dem Ghanaer heraus. Seit zwölf Jahren ist er in Griechenland. Mittlerweile ohne legalen Status, seine sogenannte Rosa Karte, die ihm einen Aufenthalt garantierte, hat er verloren. Drei Rechtsanwälte hat er beauftragt, um sie wiederzubekommen, ohne Erfolg. Als die Polizei ihn bei Schwarzarbeit erwischte, kam er in Abschiebehaft. Doch er hat in Athen Frau und Kinder - darf er da überhaupt abgeschoben werden?
    "Niemand hilft mir", schreit er und fängt an zu weinen. Auch die anderen Männer sind verzweifelt. Theoretisch haben sie alle Rechte, doch in der Praxis versperrt ihnen eine Hürde nach den anderen diese wahrzunehmen. Für kostenlose Rechtsberatung gibt es eine einzige Rechtsanwältin des Griechischen Flüchtlingsrats - sie hat alle Hände voll zu tun. Viele wollen Asylanträge stellen, aber es dauert Monate; für andere ist der Aufenthaltsstatus an reguläre Arbeit gebunden, doch solche Jobs werden immer weniger.
    Von jetzt auf nachher kann jemand zum Illegalen werden und hier landen. Und die EU-Gesetze ermöglichen es, dass sie bis zu 18 Monate in den Zentren festgehalten werden, in denen die Sensibilität eines Polizeichefs darüber entscheidet, ob sie eine oder drei Stunden Hofgang haben oder ein Buch zum Lesen. Ob der Asylantrag schnell oder langsam weitergereicht wird:
    "Ich weiß, dass ich hier illegal bin", sagt ein junger Mann aus Georgien. "Aber ich bin nicht kriminell und ich bin kein Tier. Und ich möchte nach europäischen Maßstäben behandelt werden."