Das neue Privatisierungsprogramm für Griechenland war eine der Hauptbedingungen beim Brüsseler Gipfel Mitte des Monats. 50 Milliarden Euro sollen so zusammenkommen im Lauf der nächsten Jahre. Viele zweifeln, ob das gelingt. Schätzungen und Realität klafften bisher schon weit auseinander. Im Juli 2011 schätzte die EU-Kommission die Privatisierungserlöse in Griechenland von 2010 bis '15 schon einmal auf 50 Milliarden. Sechseinhalb wurden es stattdessen. Vielleicht wird sich die Investorensuche ja mit weniger Zeitdruck bessern.
Doch viele Ökonomen zweifeln, ob der Verkauf der verbleibenden griechischen Staatsbetriebe überhaupt so hohe Milliardenbeträge abwirft. 50 Milliarden Euro, das wäre mehr als ein Fünftel des kompletten Bruttoinlandsprodukts in Griechenland. Zum Vergleich: In Deutschland müsste man dafür fast 600 Milliarden erlösen. Also fast doppelt so viel wie ein kompletter Jahreshaushalt des Bundes. Hinzu kommt die politische Unsicherheit in Athen. Privat-Investitionen standen nicht im Wahlprogramm von Ministerpräsident Tsipras. Der ist eigentlich kein Mann für wirtschaftsfreundliche Politik, findet Christos Katsioulis, Chef der Friedrich Ebert Stiftung in Athen:
Drei Hauptkandidaten für Privatisierungen
"Wenn man ihm und seinen wichtigsten Ministern zuhört, dann hört man eine tiefe Skepsis gegenüber der freien Wirtschaft. Dann hört man eine tiefe Skepsis bezüglich Privatinvestitionen. Insofern wird es ihm sicherlich nicht darum gehen, ein investitions- und wirtschaftsfreundliches Klima zu schaffen. Es wird ihm vielleicht darum gehen, dass die Wirtschaft hier besser in Schwung kommt, weil er dann höhere Steuern eintreiben kann. Aber Wirtschaftsförderung an und für sich ist für ihn sicherlich kein wichtiger politischer Zweck. Dafür kommt er auch aus einer Ecke, die zu weit links ist."
Die drei Hauptkandidaten für Privatisierungen sind immer noch die staatlichen Energie-Betriebe, die Bahn und weitere Anlagen im Hafen von Piräus. Doch wie schwierig all das werden dürfte, zeigt allein das Gerangel um die Strombetriebe: Den dafür zuständigen Minister warf Tsipras aus seinem Kabinett, weil er im Parlament gegen ihn gestimmt hatte. Der Nachfolger, Panos Skourletis, machte beim Amtsantritt vor einer Woche klar, dass er nur unter äußerstem Druck bereit sei, zu handeln: "Wir haben die Bedingungen für weitere Hilfen nur akzeptiert, weil wir sonst hier eine humanitäre Katastrophe hätten, schlimmer als das, was wir seit Jahren erleben."
Hafen von Piräus ist schon zur Hälfte verkauft
In einem Zeitungsinterview sagte Skourletis am Wochenende, er suche nach Alternativen zum Verkauf von Energiefirmen. Wegen der strategischen Bedeutung sollte der Netzbetreiber Admie in staatlicher Hand bleiben. Er lehne auch eine Privatisierung des Versorgers PPC ab. Regierungschef Tsipras hatte nach seinem Amtsantritt im Januar die Admie-Privatisierung zunächst gestoppt. Genau wie die restliche Privatisierung des Hafens von Piräus. Der ist bisher zur Hälfte verkauft, an chinesische Eigentümer.
Nikos Vettas, Chef der Wirtschafts- und Industrieforschungseinrichtung IOBE, erinnert an eine Haupt-Bedingung für Privatisierungen. Nämlich ein voll funktionsfähiges Bankensystem: "Das wichtigste ist die Zukunft privater Investitionen. Je schneller das Bankensystem wieder normal arbeitet, desto schneller können Investoren sich Gedanken machen, ob sie ihr Geld hier investieren wollen." Ein Minus von zwei bis zweieinhalb Prozent sagt Vettas für die griechische Wirtschaft im laufenden Jahr voraus. Da gibt es noch pessimistischere Schätzungen. Eins aber sagen alle: Auch im nächsten Jahr wird es bei einer Rezession bleiben. Kein besonders gutes Umfeld also für die Privatisierung staatlicher Betriebe.