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Griechenland
"Von Herrn Schäuble kommt eine pampige Antwort"

Schäubles Reaktion auf den Kompromissvorschlag Griechenlands sei nicht gut und nicht europäisch, sagte Sven Giegold, Finanzexperte von Bündnis 90/Die Grünen im Europaparlament, im Deutschlandfunk. Er messe auch bei der alten konservativen und der neuen Linkregierung mit zweierlei Maß.

Sven Giegold im Gespräch mit Gerd Breker |
    Sven Giegold, MdEP von den Grünen
    Sven Giegold, MdEP von den Grünen (imago stock&people)
    Sven Giegold: Es sieht auch schlecht für die Eurozone aus, denn Schäuble spielt wirklich mit dem Feuer. Die Griechen haben die Tür für einen Kompromiss weit aufgestoßen und von Herrn Schäuble kommt eine pampige Antwort. Das ist, ehrlich gesagt, nicht gut genug, das ist nicht europäisch.
    Gerd Breker: Der griechische Antrag sollte aus Ihrer Sicht Ausgangspunkt für weitere Verhandlungen sein, ein erster Schritt sozusagen?
    Giegold: Ich finde, dieser Text ist eine gute Basis für eine Verhandlung und für einen Deal. Der Text ist nicht perfekt, der hat auch noch Schwächen, aber man muss sehen, dass Griechenland damit praktisch alle Bedingungen der Europartner vom Montag erfüllt hat. Und das ist in der Tat ein großer Schritt. Denken Sie daran: Noch vor Kurzem sollte es keine Troika mehr geben, sie wollten nicht alles zurückzahlen, es sollten diverse Maßnahmen rückabgewickelt werden, sie wollten das Programm nicht erfüllen und so weiter. Und in diesen Punkten gab es große Schritte auf die Eurogruppe zu.
    Breker: Griechenland hat sich kompromissbereit gezeigt. Allerdings Griechenland sagt nicht, wie es die Sparziele erreichen will.
    Grünen-Politiker Sven Giegold bei der Präsentation der Europawahlkampagne im April 2014
    Über Sven Giegold
    Geboren 1969 in Las Palmas de Gran Canaria, Spanien. Der Politiker von Bündnis 90/Die Grünen studierte Wirtschaftswissenschaften, Politik und Erwachsenenbildung in Lüneburg, Bremen und Birmingham und schloss das Studium 1996 mit dem Master ab. Bereits als Schüler engagierte er sich in der Ökologiebewegung. Zwischen 2000 und 2008 baute er Attac mit auf, eine globalisierungskritische Nichtregierungsorganisation. 2008 trat Giegold Bündnis 90/Die Grünen bei. Seit 2009 ist er Mitglied des Europaparlaments, seit 2014 ist er ihr Sprecher dort und übernimmt unter anderem verschiedene Funktionen im Bereich Wirtschafts- und Finanzpolitik, so als Fraktionssprecher für diese Bereiche.
    Giegold: Sparziele "nicht rational"
    Giegold: Griechenland sagt, dass die Sparziele auch so hart sind, dass es nicht rational ist. Und da haben die Griechen Recht. Da müssen Sie sehen: Dass das Ziel, 4,5 Prozent der Wirtschaftsleistung an Überschüssen zu erzielen, aus dem Staatshaushalt heraus, das hat noch niemand länger geschafft. Auf jeden Fall kein Land mit so großen wirtschaftlichen Schwierigkeiten wie Griechenland. Das bedeutet, diese hohen Primärüberschüsse, wie das technisch heißt, die sind nicht vernünftig, wenn gleichzeitig Menschen in der Weise leiden. Dabei geht es nicht darum, dass Griechenland neue Schulden machen will. Es geht darum, wie schnell die Schulden zurückgeführt werden sollen. Und wenn Menschen keinen Zugang haben zu Krankenversorgung und Hunger leiden, dann ist es nicht vernünftig, in dieser Geschwindigkeit Schulden zurückzuzahlen. Und dass Griechenland da eine Korrektur will, ist nachvollziehbar.
    Breker: Die Troika-Einrichtung, die wird von den Griechen inzwischen akzeptiert, allerdings nur für die nächsten sechs Monate.
    Giegold: Grundsätzlich werden die Institutionen jetzt akzeptiert und natürlich will Griechenland nach Ende des Programms etwas Neues aushandeln. Das ist auch ihr gutes Recht. Dass sie die Überwachung durch die Institutionen jetzt akzeptieren, ist gut. Ich persönlich muss sagen, ich würde der EZB keine Träne nachweinen. Die war immer der stärkste Scharfmacher und hat auch falsch beraten, muss man sagen. Gleichzeitig hat die EZB schon auch wegen ihrer geldpolitischen Unabhängigkeit eigentlich in der Wirtschaftspolitik nichts verloren. Das sieht übrigens auch Bundesbankchef Weidmann im Kern so und ich finde, der Mann hat Recht.
    Breker: Nun ist es so, Herr Giegold, dass unterschiedlich dieser Brief aus Griechenland bewertet wird. Die Geschlossenheit der Eurogruppe und der EU-Kommission, sie scheint zu bröseln. Das ist doch gefährlich, oder?
    Giegold: EU-Kommission stärkere Rolle bei Kompromisssuche zubilligen
    Giegold: Ja. Andererseits gehören unterschiedliche Meinungen auch zu Europa. Das alleine würde mich jetzt noch nicht beunruhigen. Beunruhigend ist natürlich schon, dass schon vor der letzten Eurogruppe ein Kompromissversuch der EU-Kommission einfach vom Tisch gewischt wurde, wenige Minuten vor der Sitzung. Jetzt haben wir wieder diese Meinungsunterschiede. Man sollte doch der EU-Kommission eine stärkere Rolle hier zubilligen als Sucher für vernünftige Kompromisse. Die EU-Kommission lag da auf jeden Fall besser als jetzt zuletzt Herr Schäuble.
    Breker: Nimmt man die ersten Reaktionen auf den griechischen Antrag, dann hat man das Gefühl, inzwischen geht es Deutschland gegen Griechenland.
    Giegold: Ja, so wirkt es, wobei Deutschland ist sicher in der Eurogruppe nicht alleine. Es ist auch so, dass schon zur alten Regierung eine extrem gespannte Atmosphäre war. Was mich allerdings wirklich stört ist, dass vorher, wo eine Partei an der Macht war, die der Europäischen Volkspartei, also der Parteifamilie der CDU/CSU angehört hat, als das der Fall war, wurde öffentlich praktisch keine Kritik geäußert. Es gab keine Kritik daran, dass die Regierung reihenweise Ziele des Programms nicht umgesetzt hat. Jetzt, wo eine neue Regierung, die der Linkspartei angehört, an der Macht ist, da wird auf die letzten Programmelemente bestanden. Da wurde mit zweierlei Maß gemessen und ich wundere mich schon, dass auch die Regierungskoalition das so mitmacht. Entweder man verlangt, dass ein Programm umgesetzt wird, oder man verlangt es nicht. Aber es von einer Regierung in Griechenland zu verlangen und von einer anderen nicht, das macht keinen Sinn und da ist Herr Schäuble nicht konsequent.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.