Straßenwahlkampf in Athen: Die Parteien haben große Info-Zelte mit Sitzecken und Lautsprechern aufgebaut. So rufen Sie ihre Botschaft den Wählern entgegen:
"Nea Demokratia – i Ellada Brosta!"
Griechenland kommt voran, verspricht die konservative Nea Demokratia an ihrem Stand auf dem Syntagma-Platz, direkt vor dem Parlament in Athen. Die meisten Passanten lassen sich weder von den lauten Parolen noch von bunten Flugblättern beeindrucken. Sie sind wahlmüde: Im Januar hatten die Griechen die Linkspartei Syriza an die Macht gewählt, denn die hatte ein Ende der Sparpolitik versprochen.
"Warum soll ich da noch wählen?"
Erst vor zwei Monaten, im Juli, hatte das Volk im Referendum dieses "Nein" zur Sparpolitik noch einmal bekräftigt. Aber dann hatte der Ministerpräsident Tsipras von der Linkspartei Syriza doch ein neues Sparprogramm unterschrieben. Warum soll ich da noch wählen, fragt ein älterer Mann in Athen: "Als griechischer Bürger habe ich all die Lügen satt. Seit Jahrzehnten hören wir immer nur Lügen. Mehr gibt's nicht zu sagen", meint er.
Ja, viele Griechen wollen aus Protest gar nicht wählen oder für kleine Parteien stimmen. Die beiden großen Parteien, die Linkspartei Syriza und die konservative Nea Demokratia, kommen in Umfragen nur auf Werte von jeweils 25 bis 30 Prozent; sie liegen dabei Kopf an Kopf:
Der Spitzenkandidat der Konservativen, Vangelis Meimarakis, wirft Alexis Tsipras von der Linkspartei Syriza vor, in seiner nur siebenmonatigen Amtszeit einen traurigen Weltrekord aufgestellt zu haben:
"Nie zuvor hat irgendein Ministerpräsident in so kurzer Zeit so viel Schaden angerichtet. Wenn es diese Kategorie im Guinnessbuch der Weltrekorde gäbe, dann hätte der Herr Tsipras mit Sicherheit den Rekord geholt."
Fernsehduell zwischen Syriza und Nea Demokratia
Tsipras aber stichelt zurück. Er wirft der konservativen Nea Demokratia vor: Sie habe in den vergangenen Jahrzehnten Griechenland überhaupt erst in die tiefe Krise hinein gestürzt, denn die Nea Demokratia zähle zu den alten Parteien, die Schuld seien an all der Korruption und Misswirtschaft und dem Schuldenberg in Griechenland.
Die Linkspartei Syriza hingegen werde Griechenland nun aus der Krise herausführen, verspricht Tsipras. Dazu will er mit den Kreditgebern über einen Schuldenschnitt verhandeln und er will die Spar-Auflagen aus dem neuen Hilfsprogramm abmildern, vor allem die Steuererhöhungen. Ansonsten aber, da gibt sich Tsipras ganz staatsmännisch, steht er zu diesem neuen Hilfsprogramm, das er ja selbst mit den europäischen Partnern ausgehandelt hat:
"Wir haben es geschafft, mit diesem Abkommen unsere Wirtschaft zu stabilisieren. Wir bekommen 86 Milliarden Euro an Krediten, können in den nächsten Jahren allen Verpflichtungen nachkommen und bezahlen dabei nur niedrige Zinsen."
Heute Abend werden Linkspartei-Chef Tsipras und sein Widersacher Meimarakis von der konservativen Partei im Fernsehduell herzhaft streiten, wer Griechenland am besten aus der Krise führen kann. Beide, Tsipras und Meimarakis, gelten als gute Redner; die Griechen freuen sich auf ein spannendes Rededuell; alle Fernsehsender, die staatlichen und die privaten, werden das Duell heute Abend übertragen.
Ohne die Stimmen der Konservativen wäre Tsipras gescheitert
Die meisten Griechen aber wünschen sich, dass sich Tsipras und Meimarakis am Ende auf einen gemeinsamen Weg einigen, dass sie eine Große Koalition bilden:
"Ich würd' gern mal sehen, dass die zusammenarbeiten. Denn unser Land ist in einer schlimmen Lage: die hohe Arbeitslosigkeit und die vielen anderen Probleme", sagt ein 48-jähriger Arbeitsloser in Athen. Schließlich haben die Linkspartei Syriza und die konservative Nea Demokratia in den vergangenen Wochen im Parlament schon zusammen gearbeitet: Gemeinsam haben sie das dritte Hilfsprogramm durchs Parlament gebracht.
Ohne die Stimmen der Konservativen wäre Tsipras gescheitert, wegen der Abweichler in seinen eigenen Reihen. So sollten die beiden großen Parteien jetzt gemeinsam in einer Großen Koalition das Hilfsprogramm in die Tat umsetzen und mit einer stabilen Regierung Griechenland aus der Krise führen. Das wünschen sich die meisten griechischen Wähler laut einer Umfrage.