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Griechenland
Wenig Hoffnung auf Kompromiss

Die Verhandlungen im Schuldenstreit mit Griechenland verlaufen weiter schleppend. Die Stimmung ist angespannt, der Ton bleibt rau und die Uhr tickt. Beinahe täglich gibt es Treffen von EU-Vertretern mit der Regierung in Athen. Die Hoffnungen auf einen raschen Kompromiss sinken weiter.

17.06.2015
    Proteste in Griechenland: Plakate vor dem Finanzministerium am 11.06.2015, auf einem heißt es "Jesus, bitte rette Griechenland"
    Es gibt keine Entspannung im griechischen Schuldendrama. (AFP / Louisa Gouliamaki)
    Der Chef der Eurogruppe, Jeroen Dijsselbloem, ist pessimistisch hinsichtlich einer schnellen Einigung mit Griechenland über die Schuldenkrise. "Die Chance, dass wir uns mit Griechenland am Donnerstag einigen, ist sehr klein", sagte der niederländische Finanzminister im Parlament in Den Haag. Die 19 Ressortchefs der Eurogruppe wollen am Donnerstag über das weitere Vorgehen beraten. Auch hohe EU-Vertreter schraubten die Erwartungen an das Treffen der Euro-Finanzminister erheblich herunter, da neue Spar- und Reformvorschläge aus Athen fehlten. "Der Ball ist im Feld der griechischen Regierung", resümierte EU-Währungskommissar Pierre Moscovici. "Uns bleibt nur noch wenig Zeit."
    Nach Einschätzung seines Notenbank-Chefs Ioannis Stournaras braucht Griechenland dringend eine Einigung mit den Gläubigern. Andernfalls könnte das Land "Schlimmes" erleben. In seinem am Mittwoch vorgelegten Bericht zur Lage der griechischen Wirtschaft warnt der Notenbankchef: "Ein Fehlschlag der Verhandlungen wird der Anfang eines schmerzhaften Kurses sein." Zu befürchten sei nicht nur die Zahlungsunfähigkeit Griechenlands, sondern am Ende auch der Austritt aus der Europäischen Union.
    Medien: Steuereinnahmen brechen weg
    Dem Land droht zudem der nächste Rückschlag. Nach übereinstimmenden Medienberichten sollen die Steuereinnahmen Griechenlands in den ersten fünf Monaten des Jahres rund 1,7 Milliarden Euro hinter den Erwartungen zurückliegen. Grund dafür ist nach Angaben des griechischen Staatsradios vom Mittwoch, dass sich die gesamte Wirtschaft praktisch nicht mehr bewege. Außerdem ließen viele Bürger die Fristen für die Zahlung von Steuern verstreichen. Stattdessen versuchten sie, Steuern später in Raten zu zahlen.
    Hat Alexis Tsipras die Forderungen der EU-Kommission in der griechischen Öffentlichkeit falsch wiedergegeben? Das zumindest wirft Jean-Claude Juncker dem grieschischen Ministerpräsidenten vor. Der EU-Kommissionspräsident sagte, anders als behauptet befürworte er weder eine Anhebung der Mehrwertsteuer auf Medikamente noch auf Strom. Er hielte es vielmehr für einen "schweren Fehler", Athen zu einem solchen Schritt zu zwingen - "und der Ministerpräsident weiß das".
    Der griechische Finanzminister Yanis Varoufakis wies die Vorwürfe zurück und erklärte, Juncker habe seine Forderungskataloge entweder selbst nicht gelesen oder wieder vergessen. Am aktuellen Stillstand der Gespräche sind nach Ansicht von Tsipras die Gläubiger schuld. Die Uneinigkeit zwischen dem Internationalen Währungsfonds und den europäischen Gläubigern blockiere die Verhandlungen, sagte er.
    Merkel: Konzentration auf Einigung
    Tsipras kann sich sicher sein, dass die EU zu Kompromissen bereit ist, um einen Grexit zu verhindern. Bundeskanzlerin Angela Merkel versprach, die volle Konzentration liege darauf, eine Einigung zu erzielen. Sie wiederholte ihre Aussage, sie wolle alles dafür tun, um Griechenland in der Eurozone zu halten. Der französische Finanzminister Michel Sapin sagte der Zeitung "Le Figaro", die Folgen eines Grexit seien unkalkulierbar. Die EU-Verträge sähen "die Möglichkeit, dass ein Land den Euro aufgibt", nicht vor. "Ich rate dringend dazu, den Fuß nicht auf unbekanntes Terrain zu setzen." Sein US-amerikanischer Amtskollege Jacob Lew drängte Tsipras in einem Telefonat zu einem, wie es hieß, "pragmatischen Kompromiss".
    Der griechische Ministerpräsident Alexis Tsipras und EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker.
    Das Verhältnis zwischen Tsipras und Juncker war schon besser. (AFP / John Thys)
    Der Leiter der Münchner Sicherheitskonferenz, Wolfgang Ischinger, warnte zudem vor geopolitischen Folgen. "Der Wegfall Griechenlands, das Herausfallen Griechenlands aus dem EU-Verbund wäre eine Tragödie für unsere Bemühungen, den Südosten Europas weiter und dauerhaft und endgültig zu stabilisieren", sagte er im Deutschlandfunk. Möglicherweise würde dann Russland in die Lücke stoßen, warnte er.
    "Die haben das Ding jetzt selbst an die Wand gefahren"
    Dem widersprach der CDU-Haushaltspolitiker Klaus-Peter Willsch. Russlands Präsident Wladimir Putin habe schon genug andere Regionen, die er unterhalten müsse. "Und dass er sich bei all dem noch Griechenland ans Bein binden würde, was ja ein schlechtes Investment ist - er müsste ja zubuttern -, das halte ich für unwahrscheinlich", sagte Willsch im Deutschlandfunk. Er betonte zudem, dass ein Ausscheiden Griechenlands aus der Eurozone nicht schlimm sei. "Wenn Griechenland aus dem Euro ausscheidet und in der Europäischen Union bleibt, ist das in meinen Augen völlig undramatisch." Er betonte, komme es zu einem Grexit, sei dafür die Regierung Tsipras hauptverantwortlich. "Es gab allen guten Willen, den die aber rabiat verspielt haben mit ihrem Auftreten. Die haben das Ding jetzt selbst an die Wand gefahren."
    Es gibt aber auch versöhnlichere Töne: So erhielt Tsipras Rückendeckung von Österreichs Bundeskanzler Werner Faymann. Was Griechenland brauche, seien keine weiteren Kürzungen, sondern mehr Investitionen. "Ich war immer der tiefen Überzeugung, dass man aus der Krise heraus investieren muss", sagte Faymann nach einem Vier-Augen-Gespräch mit Tsipras in Athen. Mit Blick auf die Steuern sagte er, reiche Griechen müssten ihre Steuern zahlen und dürften ihr Geld nicht ins Ausland schaffen. "Ich halte es aber für sinnvoll, insbesondere kleinere Pensionen keiner weiteren Kürzung zuzuführen." Er äußerte sich zuversichtlich, dass eine Lösung im Streit um die griechische Finanzkrise möglich sei. Um sie unter Dach und Fach zu bringen, müsse man sich in den nächsten Tagen intensiv darum kümmern, ergänzte Faymann.
    Finanzminister treffen sich in Luxemburg
    Das Rettungsprogramm für Griechenland läuft noch bis Ende Juni. Seit Monaten verhandelt Athen um die Freigabe der letzten 7,2 Milliarden Euro. Damit könnte das Land Ende Juni fällige Schulden zurückzuzahlen. Morgen treffen sich die Euro-Finanzminister in Luxemburg und hoffen dort auf ein neues Kompromissangebot aus Athen. Angesichts der dramatischen Lage wird außerdem in Brüssel über einen Krisengipfel an diesem Wochenende spekuliert.
    (hba/bor)