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Griechenland
Wohnen auf dem Campingplatz

Obwohl es der griechischen Wirtschaft so langsam wieder besser geht, bei der Bevölkerung kommt davon wenig an: Die Löhne sind um rund 40 Prozent gesunken, jeder vierte Grieche ist arbeitslos. Kein Wunder, dass sich immer mehr Griechen keine Wohnung mehr leisten können. Für manche ist der Campingplatz der einzige Ausweg.

Von Rodothea Seralidou | 22.11.2013
    Der Campingplatz "Glaros" in Kineta, 60 Kilometer westlich von Athen. Das kristallklare Wasser, der malerische Kieselstrand und die Pinien und Platanen machen den Ort zu einem Urlaubsparadies für jeden Campingfan. Familie Hioti sorgt schon seit drei Generationen dafür, dass es den Besuchern an nichts fehlt. Seit einem halben Jahr aber kämen nicht nur zahlende Gäste, sondern auch Menschen, die Hilfe brauchen:
    "Um nicht auf der Straße zu landen, kommen die Menschen zu uns und fragen nach einem Wohnwagen. Im Sommer kam ein Pärchen, die Frau war schwanger und der Mann saß im Rollstuhl. Er flehte uns an, ihnen zu helfen. Vielen Gästen gefällt es nicht, dass wir Bedürftigen umsonst eine Bleibe geben, aber was sollen wir machen? Wir können diese Menschen doch nicht einfach wegschicken!"
    Christos Romanos ist einer jener, die Zuflucht auf dem Campingplatz von Kineta gefunden haben. Familie Hioti hat ihm einen alten Wohnwagen zur Verfügung gestellt. Er zeigt auf die wenigen Habseligkeiten, die aus seinem alten Leben übrig geblieben sind:
    "Das hier ist mein ganzes Hab und Gut: Diese Klamotten, dieser Fernseher, die Decken hier, einige Unterlagen und 20 Euro. Das ist mein ganzes Vermögen."
    Seine Sachen liegen im acht Quadratmeter großen Wohnwagen verstreut. Er öffnet die Holzschränke und den Kühlschrank: Alles leer. Seit sieben Monaten nun wohnt Romanos auf dem Campingplatz von Kineta. Geld für eine Mietwohnung hat er nicht. Dabei kann sich der 60-jährige Musiker durchaus an bessere Zeiten erinnern. Ihm schießen die Tränen in die Augen:
    "Nie im Leben hätte ich damit gerechnet, dass ich so einen Albtraum durchmachen muss. Viele Jahre ging es mir finanziell gut. Ich hatte Auftritte sieben Tage die Woche, hatte eine Wohnung in Athen. Doch dann kam die Krise und wir Musiker waren die ersten, die es erwischte. Und jetzt habe ich keine Chance mehr auf einen Job: Welcher Arbeitgeber will schon einen 60-jährigen Musiker einstellen?"
    Herr Christos Romanos stehend in einem Campingwagen.
    Christos Romanos (Deutschlandradio - Rodothea Seralidou )
    Mit den finanziellen Problemen ging es auch im Privatleben bergab - seine Ehe zerbrach. Und ohne jedes Einkommen konnte Romanos bald weder seine Miete noch seine Rechnungen bezahlen. Wäre nicht die Hilfe der Familie Hioti, er müsste heute auf der Straße leben, sagt er. In diesem Jahr wird er zum ersten Mal den Winter im Wohnwagen verbringen. Aber den könne er nicht heizen, sagt Romanos:
    "Der Winter wird eine schwierige Zeit. Keine Frage. Denn die Luftfeuchtigkeit hier ist sehr hoch. Und ich kann zwar die Hitze durchhalten, aber die Kälte ertrage ich nicht. Was bleibt mir aber übrig? Irgendwann wird der Winter vorbei sein. Dann kommt wieder der Frühling!
    Dass er aus dieser Sackgasse, in der er steckt, herauskommt, glaubt Romanos nicht. Dafür sei er mit seinen 60 Jahren viel zu alt, sagt er. Wenigstens wird er in einigen Jahren Rente bekommen: Rund 350 Euro - nicht viel, aber immerhin. Dann kann er für den alten Wohnwagen, in dem er lebt, vielleicht Miete zahlen. Eine kleine Wiedergutmachung für die großzügige Hilfe der Besitzer.
    Ginge es nach ihnen, würden sie allen Bedürftigen eine Bleibe geben. Doch das sei leider unmöglich, sagt Vana Hioti und schüttelt den Kopf. Schließlich müsse die Familie vom Campingplatz leben. Sie befürchtet aber, dass die Zahl der Hilfesuchenden in den kommenden Monaten steigen wird. Vor allem wenn die Regierung der Forderung der Troika zustimmt, dass künftig Immobilien im Familienbesitz leichter zwangsversteigert werden können.
    "Wenn das umgesetzt wird, werden viele Menschen ihre Häuser verlieren. Aber wie vielen können wir denn helfen? Wir sind doch kein gemeinnütziger Verein, sondern ein Unternehmen. Wenn diese Maßnahmen aber verabschiedet werden, bin ich mir sicher: Es kommen noch schwierigere Zeiten auf uns zu."