Rehberg sagte, wenn das Land aus dem Euro austreten sollte, entstünde für die Bevölkerung in Griechenland der größte Schaden. Für die Euro-Zone wären die Probleme dagegen beherrschbar. Rehberg kritisiert, die Regierung in Athen pokere und zocke in den Verhandlungen mit den internationalen Geldgebern. Athen habe zurzeit eine Bringschuld, was die Reformvorschläge angehe. Der Ball liege eindeutig im Spielfeld der griechischen Regierung.
Rehberg betonte, Ministerpräsident Tsipras müsse einsehen, dass es nicht in erster Linie darum gehe zu sparen. Vielmehr müssten Einnahmen und Ausgaben Griechenlands wieder in eine Balance gebracht werden. Ziel sei es vor allem, wieder Wachstum und neue Beschäftigung zu erreichen.
Einer neuen Einigung mit Athen muss nach Ansicht von Rehberg auch der Deutsche Bundestag zustimmen. Die Rechtslage sehe vor, das Parlament bei wesentlichen Änderungen von bestehenden Beschlüssen zu befragen. Heute wollen Vertreter der griechischen Regierung in Brüssel neue Vorschläge für eine Beilegung des Schuldenstreits unterbreiten.
Das Interview in voller Länge:
Martin Zagatta: Betreibt Griechenland die größte Insolvenzverschleppung der Geschichte und machen die Gläubiger das jetzt tatsächlich nicht mehr mit? Eine Mehrheit der Deutschen - so die jüngsten Zahlen des "ZDF-Politbarometers" -, eine Mehrheit will nun nicht mehr, dass Griechenland den Euro behält, und eine ganz deutliche Mehrheit, 70 Prozent, fordert demnach keine weiteren Zugeständnisse an Athen. Eckhardt Rehberg ist haushaltspolitischer Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion und jetzt am Telefon, guten Morgen, Herr Rehberg!
Eckhardt Rehberg: Schönen guten Morgen!
Zagatta: Herr Rehberg, nach Pressebereichten hat jetzt auch die Bundesregierung den Glauben an die geforderten Reformen verloren und bereitet sich nun auf die Pleite Griechenlands vor. Sind Sie denn als oberster Haushalter der Unionsfraktion in diese Vorbereitungen einbezogen, zumindest informiert?
Rehberg: Also das sind aktual alles Spekulationen und Gerüchte. Ich denke, man sollte in Ruhe und Gelassenheit die Tage bis zum 18. Juni, der Eurogruppensitzung, abwarten, und eine Woche später ist der Europäische Rat der Regierungschefs. Und der Ball liegt eindeutig im Spielfeld der griechischen Regierung, der Ball liegt in Athen, und nach meiner Auffassung handelt Herr Tsipras, handelt die griechische Regierung vollkommen verantwortungslos gegenüber ihrem eigenen Volk, dass sie so zockt und pokert.
Zagatta: Aber Sie sagen, es gibt da immer noch Hoffnung, also Sie gehören einer christlichen Partei an, da glaubt man noch an Wunder.
Rehberg: Gut, ich muss nicht an Wunder glauben, sondern ich glaube daran, einmal, was die griechische Regierung selber mit beschlossen hat, und zwar die Euroerklärung vom 20. Februar, und dann hoffe ich ganz einfach, dass den Griechen klar ist, dass den größten Schaden bei einem Grexit das griechische Volk trägt, Griechenland selber. Ich halte beim Ausscheiden Griechenlands aus der Eurozone jedenfalls fiskalisch die Probleme für die Eurozone insgesamt dann für beherrschbar.
Zagatta: Ministerpräsident Tsipras, der hat ja schon die reduzierten Forderungen der Gläubiger als absurd bezeichnet, er lehnte Rentenkürzungen kategorisch ab, das oberste griechische Gericht hat jetzt sogar Rentenerhöhungen angeordnet. Wie kann man da noch zusammenkommen, ohne dass die Bundesregierung und die EU weiter nachgeben?
Rehberg: Ich glaube, Tsipras müssen drei Dinge klar werden: Erstens, es geht nicht um Sparen, sondern es geht ganz einfach darum, dass Griechenland seine Einnahmen und Ausgaben in die Balance bekommt, zweitens, dass Tsipras begreift, dass es viele Länder im Euroraum gibt – Slowenien, Slowakei oder die baltischen Staaten, die ein deutlich niedrigeres sozialniveau als Griechenland haben und jetzt für die griechische Politik mithaften. Und drittens letztendlich - das fehlt mir bei Tsipras und Varoufakis, bei der griechischen Regierung insgesamt -, dass sie sich endlich mal darauf konzentrieren und sich Gedanken machen, wie generiere ich Wachstum, Beschäftigung, wie entwickele ich Mittelstand, Forschung und Entwicklung, Innovation, das ist bei denen überhaupt kein Thema.
Zagatta: Das, was Sie uns da sagen, das hören wir ja so und so ähnlich schon seit Monaten. Können Sie sich noch vorstellen, überhaupt noch vorstellen, dass der nächste Teil des eigentlich geplanten Hilfspakets noch ausgezahlt wird, also weitere Milliarden?
Rehberg: Wissen Sie, ich bin ein großer Anhänger des Skatspiels, und ich weiß, wenn man überreizt hat, dann hat man halt verloren, und das muss den Griechen klar werden. Und deswegen ...
Zagatta: Hat die griechische Regierung schon überreizt?
Rehberg: Die pokert ja, Pokern ist ein anderes Spiel, Herr Zagatta, und deswegen bin ich ganz einfach der Auffassung, dass den Griechen zwischen heute und dem 18. Juni oder dann kommende Woche klar sein muss, dass sie eine Bringpflicht, eine Bringschuld haben im Interesse ihres eigenen Volkes.
Zagatta: Herr Rehberg, was auffällt, ist ja, dass die Kanzlerin sich in letzter Zeit viel moderater geäußert hat als ihr Finanzminister, die SPD vergleicht - das hören wir uns vielleicht ja mal kurz an -, also die SPD vergleicht Wolfgang Schäuble ja schon mit dem griechischen Finanzminister Varoufakis, der ebenfalls entmachtet worden sei.
Die ganze Griechenland-Rettung trägt die Handschrift von Herrn Schäuble und Frau Merkel, und wenn es jetzt dort erhebliche Zweifel gibt und es ja sogar so ist, dass Herr Schäuble die Verhandlungsführung entnommen wurde – das ist ja jetzt Herr Tsipras und Frau Merkel, Herr Schäuble hat jetzt die Stellung wie Herr Varoufakis mehr oder weniger, man darf Interviews geben, aber nicht mehr verhandeln ...
Zagatta: Das sagt der SPD-Finanzpolitiker Carsten Schneider, den haben wir vor zwei Tagen interviewt. Gibt es da schon Differenzen in der Bundesregierung?
Rehberg: Nein, es gibt keine Differenzen, und das, was der Kollege Schneider von der SPD in dieser Woche gesagt hat, ist einfach unanständig, unfair und respektlos gegenüber Wolfgang Schäuble und das gehört sich nicht in einer Koalition.
Zagatta: Gehen Sie davon aus, dass da Schäuble und Merkel tatsächlich an einem Strang ziehen?
Rehberg: Ja, davon gehe ich felsenfest aus, und das ist auch meine Kenntnis der Dinge.
Zagatta: Wenn unter diesen Umständen, Herr Rehberg, der nächste Teil des Hilfspaketes an Athen dann vielleicht doch noch ausgezahlt werden soll, muss dann der Bundestag unbedingt zustimmen?
Rehberg: Ja, und das ist keine politische Entscheidung. Wir haben die Rechtslage, dass bei Programmverlängerungen oder bei wesentlichen Änderungen des laufenden Programms – und schon eine Änderung des Primärüberschusses wäre eine wesentliche Änderung - nicht nur der Haushaltsausschuss gefordert ist, sondern der ganze Bundestag.
Zagatta: Aber bei einer Probeabstimmung sollen für diesen Fall ja schon mehr als 100 Unionsabgeordnete angekündigt haben, dann mit Nein zu stimmen. Wie haben Sie da abgestimmt?
Rehberg: Es gibt keine Probeabstimmung.
Zagatta: Die gab's nicht?
Rehberg: Das ist eine Fehlmeldung. Es gab in der Fraktion keine Probeabstimmung. Wir werden dann abstimmen, wenn die Entscheidung ansteht, das heißt auch, wenn der entsprechende Antrag der Bundesregierung vorliegt.
Zagatta: Also keine formelle Abstimmung oder keine Probeabstimmung ...
Rehberg: Es gab zu diesem Thema keine Probeabstimmung.
Zagatta: Hat man sich umgehört oder woher kommt diese Zahl?
Rehberg: Ja, ich weiß nicht, woher Sie Ihre Informationen haben. Ich kann nur sagen ...
Zagatta: Gelesen bei Kollegen.
Rehberg: Nein, das ist falsch.
Zagatta: Das heißt, Sie können sich auch vorstellen, dass Ihre Fraktion dann da auch wieder mitzieht, da weitere Hilfen zu gewähren?
Rehberg: Wir werden dann entscheiden, wenn die Entscheidung ansteht, und ich kann heute nicht prognostizieren, worüber wir entscheiden.
Zagatta: Herr Rehberg, Sie haben uns vorhin gesagt, Sie hielten einen Grexit technisch, also einen Austritt Griechenlands aus der Eurozone, technisch für machbar. Wenn der Euro zerbricht, zerbricht Europa, hat Angela Merkel einst gesagt - gilt das nicht mehr?
Rehberg: Der Euro würde nicht zerbrechen, wenn Griechenland aus der Eurozone rausgeht. Wir haben heute Mechanismen wie den europäischen Stabilitätsmechanismus mit 450 Milliarden Euro, also ganz andere Mechanismen als zu Beginn der Krise im Jahr 2010. Hier ist die Eurozone gewappnet.
Zagatta: Eckhardt Rehberg, der haushaltspolitische Sprecher der Unionsfraktion. Herr Rehberg, ich bedanke mich für das Gespräch!
Rehberg: Tschüss, schönen Tag!
Zagatta: Danke, Ihnen auch!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.