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Griechenland zwischen Schuldendruck und Sparvorgaben

Die Griechen bekommen die Schuldenlast ihres Landes nun direkt zu spüren und sparen: Viele nehmen wegen der gestiegenen Mineralölsteuer die U-Bahn, Inhaber von Kleinunternehmen bangen wegen der Konsumzurückhaltung ums Überleben. Die Gewerkschaften machen die Politiker für die Misere verantwortlich und kündigen Demonstrationen im Herbst an.

Von Steffen Wurzel |
    Die U-Bahn in Athen: Es geht eng und hektisch zu im Berufsverkehr. Viele der Passagiere fahren erst seit ein paar Monaten regelmäßig mit der U-Bahn, es ist wesentlich voller als früher. Die Regierung hat die Mineralölsteuer erhöht, Benzin ist in Griechenland deutlich teurer geworden in den vergangenen Monaten, um fast 50 Cent pro Liter. Immer mehr Athener lassen aus Spargründen ihr Auto stehen.

    Während unter der Erde die U-Bahnwaggons voll sind, geht es oben, auf den Straßen der griechischen Hauptstadt, wesentlich ruhiger zu als noch vor ein paar Jahren. Das scheinbar rund um die Uhr mit Autos verstopfte Athen, das war einmal.

    Es ist unbestritten eine der positiven Nebenwirkungen der griechischen Schuldenkrise: mehr direkte Lebensqualität in den großen Städten des Landes durch weniger Verkehr auf den Straßen.
    Die Taxifahrer kommen dadurch schneller voran. Allerdings haben sie weniger Kunden als noch vor einigen Monaten. Die Folge sind finanzielle Einbußen, erklärt der 30-jährige Fahrer Johannes.

    "Noch bis vor ein paar Monaten kam es oft vor, dass man gar kein Taxi finden konnte. Jetzt findet man sofort eines. Die Leute haben finanzielle Probleme und nehmen die U-Bahn oder den Bus. Das hat uns die Krise gebracht."

    Immer weniger Athener können oder wollen sich ein Taxi leisten. Die Taxiunternehmer haben in den vergangenen Monaten mehrfach die Preise erhöht. Johannes schätzt, dass er jeden Tag rund zwei Stunden länger als bisher arbeiten muss, um auf den gleichen Tageslohn wie noch vor einem Jahr zu kommen.

    "Alle Fahrgäste, die bei mir einsteigen, schimpfen über die Politiker. Alle sagen: Die Politiker sind schuld an der Krise. Natürlich, auch wir als Bürger tragen einen Teil der Verantwortung. Aber das meiste kriegen die Politiker ab."

    Die Taxifahrt endet in der Plaka, in der Altstadt von Athen. Kleine Gassen, gemütliche Tavernen vor denen liebevoll gedeckte Tische stehen, ab und zu hört man Musik. Hier scheint die typisch-griechische Welt noch in Ordnung zu sein, könnte man meinen.

    "Viel übrig bleibt uns nicht. Die Leute sollten bloß nicht glauben, dass wir hier das große Geld verdienen. Das war bisher nicht so, und jetzt, mit den neuen Maßnahmen, geht’s noch weiter runter!"

    So wie diesem Kellner bleibt fast allen Griechen am Monatsende weniger Geld zum Ausgeben als noch vor ein, zwei Jahren. Inzwischen bekommen die Griechen den enormen Schuldendruck, der auf ihrem Land lastet, direkt zu spüren.

    Die Regierung unter Ministerpräsident Giorgios Papandreou hat drastische Sparmaßnahmen beschlossen und umgesetzt. Die Mehrwertsteuer wurde innerhalb weniger Monate in mehreren Schritten von 19 auf 23 Prozent erhöht. Außerdem bekommen die mehr als 700.000 Staatsbediensteten weniger Geld, genauso wie die Rentner des Landes.

    Die logische Folge der Einschnitte im öffentlichen Sektor: Die Betroffenen müssen sparen, geben weniger Geld aus, und das fehlt plötzlich im griechischen Wirtschaftskreislauf. Zu spüren bekommen das vor allem die Inhaber von Geschäften, Kleinunternehmen und Restaurants.

    "Diese ganze Sparpolitik ist falsch. Denn es wird nur gespart, damit wir unsere Schulden zurückzahlen können. Nur das zählt! Und das Wirtschaftswachstum? Interessiert keinen mehr. Da sehe ich noch kein Licht am Ende des Tunnels."

    Tatsächlich kann in Griechenland von Wirtschaftswachstum zur Zeit keine Rede sein. Im Gegenteil. Die Wirtschaft des Landes schrumpft, und zwar deutlich. Im zweiten Quartal des laufenden Jahres ist das Bruttoinlandsprodukt Griechenlands im Vergleich zum Quartal davor um 1,5 Prozent gesunken. Analysten hatten mit einem Minus von nur einem Prozent gerechnet.

    Doch trotzdem: Auf den ersten Blick funktioniert das Sparprogramm. Das Haushaltsdefizit Griechenlands ist nach Angaben des Finanzministeriums in Athen um fast 40 Prozent zurück gegangen. Das ist deutlich mehr als geplant. Lob bekommt die griechische Regierung dafür von der EU. "Beeindruckend" seien die ersten Ergebnisse der harten Sparpolitik, heißt es aus Brüssel. Athen habe einen "starken Start" hingelegt. Und deswegen werden aller Vorraussicht nach die EU-Finanzminister morgen beschließen, die zweite Tranche aus dem Rettungspaket an Griechenland auszuzahlen.

    Klar ist aber auch: Die positiven Zahlen haben weniger mit der Erhöhung der Einnahmen als mit der Senkung der Ausgaben zu tun. Und genau hier liegt das Problem. Das Zurückfahren der Investitionen und das Beschneiden der öffentlichen Gehälter würgt die Binnenwirtschaft ab. Vielen Griechen macht das Angst.

    "Unsere Regierung sieht ein Licht am Ende des Tunnels. Sie glauben, das sei der Ausgang. Dabei ist das Licht ist ein Zug, der auf uns zurast! Und der wird uns alle umbringen!"

    Am deutlichsten zu Spüren sind die Folgen der Schuldenkrise an den stark gestiegenen Preise in Griechenland. Lebensmittel, Mieten, Dienstleistungen - alles ist teurer geworden in den vergangenen Monaten. Die Inflationsrate in Griechenland beträgt 5,5 Prozent. Die Teuerungsrate ist damit eine der höchsten in der Europäischen Union.

    Fragt man in Griechenland, wer am Steigen der Preise schuld ist, hört man als Antwort fast immer: "die Troika". Das ist die gängige Bezeichnung für das Dreierteam aus Europäischer Zentralbank, der EU-Kommission und dem Internationalen Währungsfonds IWF. Dieses Dreierteam war es, das im Frühjahr die internationalen Hilfskredite für Griechenland auf den Weg gebracht und das Land so vor einer de facto Staatspleite bewahrt hat. Doch das 110 Milliarden Euro schwere Rettungspaket gab es nicht einfach so, als Blankoscheck. Die Bedingung der Troika: Ihre Finanzexperten überwachen künftig die Sparmaßnahmen der griechischen Regierung. Vor allem zahlreiche linke Politiker, Aktivisten und die Gewerkschaften lehnen das entschieden ab. Ihr Vorwurf: Griechenland mache sich so abhängig und lege sich selbst an die Kette internationaler Finanzorganisationen. Der Präsident des griechischen Gewerkschaftsdachverbands GSEE, Giannis Panagopoulos:

    "Der IWF hat vielleicht das technische Wissen, wie man Löhne beschneidet. Was sie uns aber nicht verraten haben: wie man die Preise runterdrückt! In Griechenland liegt das Preisniveau bei 93 Prozen des Euro-Raums, beim Lohnniveau liegen wir auf 63Prozen!"

    Und tatsächlich: Vor allem junge Griechen, Berufseinsteiger verdienen oft nicht mehr als 800, 900 Euro nach Steuern und Sozialabgaben pro Monat. In kleinen Orten, auf dem Land, mag das reichen. In einer Großstadt wie Athen jedoch, in der sich die Preise oft nicht von denen in Paris oder London unterscheiden, kann man davon kaum leben. So wie dieser 27-jährigen Studentin aus Athen geht es vielen Gleichaltrigen in der griechischen Hauptstadt:

    "Wir haben kein Geld für persönliche Dinge mehr. Ins Kino oder in Kneipen gehen, ein Bier trinken - geht alles nicht mehr. Und: Wir werden entweder gefeuert oder finden erst gar keine Arbeit. Ich möchte zum Beispiel Lehrerin werden, das habe ich studiert. Aber ich weiß, dass es wahrscheinlich auf einen Kellner-Job hinauslaufen wird."

    Bis Ende des Jahres könnte die Arbeitslosenquote in Griechenland auf bis zu 20 Prozent steigen, so einige Prognosen. Das würde die ohnehin gebeutelten Sozialkassen des Landes zusätzlich belasten. Der Staat müsste noch härter sparen als ohnehin schon, ein Teufelskreis.

    Besonders von der Arbeitslosigkeit betroffen sind junge Leute. Viele Uni-Absolventen gehen vom Campus direkt zum Arbeitsamt. Kein Wunder, dass inzwischen mehr als zwei Drittel der jungen Akademiker zwischen 22 und 35 in Griechenland darüber nachdenken, auszuwandern. Zu diesem Ergebnis kommt eine Umfrage der griechischen Tageszeitung "To Vima". Von mehr als 5.000 befragten hochqualifizierten Uni-Absolventen haben sich bereits 40 Prozent im Ausland beworben. Vor allem viele IT-Spezialisten und Ingenieure sehen für sich kaum noch Chancen, in Griechenland einen guten Job zu finden. Wer kann, verlässt das Land.

    Die Stimmung in der griechischen Bevölkerung ist zwar nicht durchgehend pessimistisch, vielerorts hört man Sprüche wie: Wir haben es bisher immer hinbekommen. Allerdings fragt sich spätestens jetzt, nach der Sommerpause, fast jeder: Wie geht es mit mir, mit meiner Familie, in Zukunft weiter? Und wo kann ich sparen? So wie diese Athener Sekretärin haben viele Griechen bereits für den Sommerurlaub weniger Geld ausgeben als in den Vorjahren:

    "Wir haben das Geld, was wir sonst ausgegeben hätten, gespart. Wir haben dieses Jahr den Urlaub mit den Schwiegereltern verbracht. Wir wussten: Spätestens im September wird’s sehr schwierig. Und wohl auch die folgenden Monate."

    Ortswechsel. Eine knappe Flugstunde von Athen entfernt, in der Altstadt von Rhodos. Hier ist von der griechischen Schuldenkrise auf den ersten Blick nichts zu sehen. Zahlreiche Touristen, vor allem aus Deutschland, Skandinavien und den Benelux-Staaten wuseln durch die engen Gassen von Rhodos-Stadt.

    Zwei Niederländerinnen, Anfang Zwanzig, sitzen bepackt mit Strandutensilien in einem Café. Von der vielzitierten Krise haben die beiden bisher nichts mitbekommen:

    "Die Leute hier sprechen überhaupt nicht über die Krise. Sie behalten das alles eher für sich. Sie wollen die Touristen nicht verschrecken, glaube ich. Wir sind gerade pleite, weil wir keinen funktionierenden Geldautomaten finden. Das ist gerade eine echte Krise für uns ..."

    Auf den ersten Blick mag es für Touristen zwar nicht sofort zu sehen sein, doch auch auf den griechischen Urlaubsinseln haben sich die Zeiten geändert. Auch wenn die Zahl der Besucher nicht so sehr zurückgegangen ist wie befürchtet, vor allem die Besitzer kleinerer Restaurants und Tourismus-Geschäfte müssen mit Einbußen kämpfen. Viele Geschäftsleute wollen die ständig steigenden Preise nicht eins zu eins an die Touristen weitergeben, um diese nicht endgültig zu verschrecken.

    Vor allem viele Touristen aus Deutschland sind in dieser Saison mit gemischten Gefühlen nach Rhodos und auf die anderen griechischen Urlaubsinseln gezeichnet. Die Berichte über gewaltsame Ausschreitungen, Hafenblockaden und ständige Streiks haben ein sehr negatives Bild vom früher ach so idyllischen Urlaubsziel Griechenland gezeichnet. Alexandros Vassilikos, Vorstandsmitglied des griechischen Hotelverbands, ist um Schadensbegrenzung bemüht:

    "Über Streiks in Griechenland wird mehr berichtet als über Streiks in Frankreich etwa. Und es gibt die Streiks ja auch. Aber: Sie sind Tage im Voraus bekannt und jeder in der Tourismusbranche versucht sein Bestes, sich darauf einzustellen. Streiks sind nicht gut, nicht für Griechen und nicht für unsere Besucher. Aber wir können die Folgen der Streiks umschiffen."

    Auch wenn der Hotelverband versucht, zu beschwichtigen, das Image des Reiseziels Griechenland hat gelitten. Mit daran Schuld, so Alexandros Vassilikos, sei die oft undifferenzierte Berichterstattung über die griechische Schuldenkrise.

    "Es wurde viel über Griechenland diskutiert. Das sorgt für ein negatives Image. Egal, ob es um die Regierung oder das Land ging, die ausländischen Medien haben oft nur gesagt: "Athen fordert dies und das" oder "Athen macht dieses und jenes." Es ist für uns sehr schwierig, Urlauber anzulocken, wenn so ein pauschal-negatives Bild gezeichnet wird."

    Auf das schlechte Image Griechenlands wird auch Gaby Zouannou immer wieder angesprochen. Sie arbeitet als Verkäuferin in einem Laden für Taschen und Lederjacken in der Altstadt von Rhodos.

    "Am Anfang war das schlimm. Das wurde aber auch so hochgepuscht. Ich war selber in Deutschland im Winter und habe dort den "Stern" und den "Focus" und so weiter gelesen - und da waren so viele Falschmeldungen drin! Ich habe mir die Haare gerauft und gedacht: Die haben alle keine Ahnung von Griechenland!"

    Die gebürtige Münsteranerin lebt seit mehr als dreißig Jahren auf Rhodos. Sie hat ihren Freunden in den vergangenen Monaten viele Fragen beantworten müssen, sowohl den griechischen, als auch den deutschen in ihrer Heimat. Und meistens drehte es sich um Vorurteile über das jeweils andere Land. So musste Gaby Zouannou ihren deutschen Freunden immer wieder sagen, dass das Vorurteil, "der typischen Grieche" habe in den vergangenen Jahren in Saus und Braus gelebt, so nicht stimmt.

    "Keiner weiß, wie viel Geld Griechen für ihre Kinder ausgeben müssen, wenn die Abitur machen wollen. Ich würde sagen: 500 Euro im Monat auf jeden Fall. Ein Studienrat in Griechenland kriegt so wenig Geld, der kriegt etwa 1.200 Euro im Monat. Der macht seinen Job, so wie er ihn gerade machen muss. Er macht aber nicht mehr. Und nachmittags muss man den dann mit 60 Euro pro Stunde extra bezahlen und dass weiß in Deutschland kein Mensch!"

    Dass vor allem im Frühjahr Zehntausende Griechen ihrem Ärger über die Schuldenkrise Luft gemacht haben, mit Demonstrationen, Streiks und Protestaktionen, kann Gaby Zouannou gut verstehen. Auch wenn die ständigen Streiks dem Image des Reiseziels Griechenland nicht gerade gut getan haben. Insgesamt, so die Verkäuferin, könne sie den Frust der Leute nachvollziehen.

    "Das, was die Leute jetzt so unheimlich aufregt ist: Es bezahlt wieder mal nur der kleine Mann. Es bezahlt der Rentner, der 600 Euro im Monat kriegt, der bezahlt den ganzen Mist jetzt hier. Die ganzen Rechtsanwälte, die Ärzte und die Leute, die mit dicken Autos in der Gegend herumfahren, die werden wieder nicht geschnappt."

    Zurück in Athen. Den Vorwurf, der kleine Mann müsse die Zeche für die griechische Fast-Pleite zahlen, versuchen die PR-Experten im Finanzministerium zu zerstreuen. Auffällig oft haben die Steuerbehörden in den vergangenen Monaten über Erfolge ihrer Fahnder berichtet.
    Ein Beispiel: Steuerfahnder suchten mit Hilfe der Google-Software "Maps" nach möglichen nicht angemeldeten Luxus-Swimmingpools reicher Griechen, so hieß es vor einigen Wochen.

    Vor kurzem hat Finanzminister Giorgos Papakonstantinou außerdem einen Video-Wettebewerb für junge Filmemacher gestartet. Mutmaßliche Steuerbetrüger sollen mit Kurzfilmen zu mehr Ehrlichkeit bewegt werden. In Interviews und auf Pressekonferenzen lässt der Finanzminister keine Gelegenheit aus, zu betonen, dass die griechischen Bürger langfristig von den harten Reformen im Land profitieren werden. Giorgos Papakonstantinou:

    "Der Bürger soll das Gefühl bekommen, dass er das Geld, das ihm vom Staat weggenommen wird, wiederbekommt. Und zwar in Form von funktionierenden staatlichen Dienstleistungen: in der Gesundheit, in der Billdung und bei den Sozialleistungen. Die Wirtschaft soll wettbewerbsfähiger werden. Vor allem aber, es muss gerecht zugehen."

    Auch Griechenlands Regierungschef Giorgos Papandreou versucht die Bürger mit dem Argument der Nachhaltigkeit auf seine Seite zu ziehen. Nur ein grundlegend reformiertes Griechenland habe Zukunftschancen. Laut Umfragen sieht das eine Mehrheit der Griechen grundsätzlich genauso. Nur beim "wie" hat die Regierung das griechische Volk noch nicht wirklich überzeugt. Entsprechend wird Ministerpräsident Papandreou nicht müde, seine Argumente zu wiederholen, wie hier im Parlament.

    "Wir wollen unser Vaterland komplett neu auf die Beine stellen. Entweder jetzt oder nie. Und ich bin zuversichtlich: Wir werden es schaffen."

    Nur ein paar Gehminuten vom Parlament entfernt sitzt Ilias Iliopoulos im ersten Stock des ADEDY-Gebäudes. Hinter der Abkürzung ADEDY verbirgt sich die einflussreiche griechische Beamtengewerkschaft. Ilias Iliopoulos ist ihr Generalsekretär. Er hat mehr als ein Dutzend verschiedene Zeitungen auf seinem Schreibtisch ausgebreitet. In den meisten Artikeln geht es direkt oder indirekt um die Folgen der Schuldenkrise, die steigende Arbeitslosigkeit, vor allem unter jungen Leuten, weiter steigende Preise und die neueste Hiobsbotschaft: das Ergebnis einer Umfrage der Athener Industrie- und Handelskammer. Demnach haben 86 Prozent der befragten Unternehmen in der Stadt Probleme, ihre laufenden Rechnungen zu bezahlen. Es drohen noch mehr Firmenpleiten, weitere Jobs stehen auf dem Spiel. Für die kommenden Wochen zeichnet Ilias Iliopoulos ein düsteres Bild:

    "Bedenken Sie: Die Spar-Maßnahmen werden sich im Herbst so richtig bemerkbar machen. Anders gesagt: Der Durchschnittsarbeitnehmer hat noch gar nicht begriffen, was auf ihn zukommt. Jetzt, im Laufe des Septembers und im Oktober werden die Leute die harte Realität erkennen. Dass sie zum Beispiel die Miete nicht bezahlen können. Oder die Raten fürs Haus."

    Der ADEDY-Generalsekretär formt seine rechte Hand zur Faust, während er spricht. Er sei Anhänger der konservativen Partei Nea Dimokratia, sagt Ilias Iliopoulos. Trotzdem klingt er wie ein Linker, wenn er über die zurückliegen Streiks und Protestaktionen der griechischen Beamten spricht. All das sei nur ein Anfang gewesen, betont er. Ja, viele Griechen hätten es in den Sommermonaten ein bisschen ruhiger angehen lassen. Doch das sei nur die Ruhe vor dem Sturm gewesen, so der Gewerkschafter. Die Worte von Ilias Iliopoulos klingen fast schon wie eine Drohung.

    "Im Herbst wird der Protest der Leute explosive Ausmaße annehmen. Das bisher war nur ein Versuch, der Regierung zu sagen: Wir lehnen diese falsche Politik ab! Unsere neue Nachricht heißt: Wir werden diese falsche Politik beseitigen! Das wird die Antwort sein."

    Ab Mitte September, das haben Gewerkschaften und Oppositionspolitiker bereits angekündigt, soll ganz Griechenland mit neuen Streiks und Demonstrationen überzogen werden. Einen heißen Herbst versprechen die Protest-Gruppierungen, quer durch die politische Landschaft.
    Der Tenor: Ministerpräsident Giorgios Papandreou habe mit seiner sozialdemokratischen PASOK-Partei zwar eine breite parlamentarische Mehrheit, im Volk jedoch nicht. Zumindest die Kritiker der Regierung Papandreou sind nach wie vor überzeugt, den harten Sparkurs, der das Land im Griff hat, noch zu kippen. Konkret im Auge haben Gewerkschaften und Oppositionelle den 29. September. An diesem Tag sind Demonstrationen in ganz Europa geplant. Nochmal ADEDY-Generalsekretär Ilias Iliopoulos:

    "Wir sind in Kontakt mit unseren europäischen Freunden. Wir planen für den 29. September Demos überall in Europa, die größte in Brüssel. Wir werden zeigen: Die europäischen Völker werden sich gemeinsam aus der Abhängigkeit befreien von denjenigen, die uns ausnutzen."
    Der griechische Premierminister Giorgos Papandreou spricht im Parlament in Athen.
    Der griechische Premierminister Georgios Papandreou spricht im Parlament in Athen. (AP)