"Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg. Wenn die politisch Verantwortlichen in Griechenland diesen Willen aufbringen, dann ist eine Einigung mit den drei Institutionen immer noch möglich."
So gab sich Bundeskanzlerin Angela Merkel in ihrer Regierungserklärung am vergangenen Donnerstag noch recht hoffnungsvoll. Doch noch am gleichen Abend wurde dieser Hoffnungsschimmer wieder getrübt, als es beim Treffen der Finanzminister in Brüssel erneut zu keiner Einigung kam und selbst IWF-Chefin Christin Lagarde frustriert in die Mikrofone sprach, dass sie gerne wieder ernsthaft mit Erwachsenen verhandeln möchte, um zu einer Lösung zu kommen.
"Wir können nur eine Einigung erzielen, wenn es einen Dialog gibt. Aber im Moment gibt es keinen. Der Schlüssel liegt in der Wiederherstellung eines Dialogs mit Erwachsenen im Raum."
Die griechische Regierung sieht und formuliert das anders. Sie strebt seit dem Amtsantritt im Januar dieses Jahres eine politische Lösung auf höchster Ebene an und fordert den radikalen Bruch mit den bisherigen Programmen. Anfang Juni hat der griechische Regierungschef Alexis Tsipras vor dem Parlament in Athen das erneut eingefordert:
"Von Anfang an hat die griechische Regierung deutlich gemacht, dass sie eine europäische Lösung für das griechische Problem anstrebt.
Eine Vereinbarung im gegenseitigen Interesse, die die griechische Gesellschaft und Wirtschaft aus der Rezessionsspirale der letzten sieben Jahre holt, indem sie endlich die Austerität beendet, indem sie soziale Gerechtigkeit wiederherstellt und eine umfassende Lösung für das Schuldenproblem bietet.
Solch eine Lösung ist genau das, was nicht nur für Griechenland, sondern für ganz Europa gebraucht wird, um ein für alle Mal den gefährlichen Krisenzyklus zu beenden, der 2008 begann."
Finanzminister Giannis Varoufakis fasste es nach dem Treffen der Finanzminister kurz und prägnant zusammen: "A debt restructure is a sine qua non."
Eine Umstrukturierung der griechischen Schulden gilt als eine unabdingbare Voraussetzung für erfolgreiche Verhandlungen. Denn die griechische Regierung hat immer wieder deutlich gemacht, dass sie ein drittes Rettungspaket unter der Fortsetzung oder gar Verschärfung der bisherigen Bedingungen konsequent ablehnen wird.
Syriza sucht den politischen Befreiungsschlag
Von einem dritten Paket kann derzeit noch keine Rede sein. Noch geht es um die Fortsetzung der bisherigen Verabredungen, um die Auszahlung von weiteren 7,2 Milliarden Euro aus dem zweiten Rettungspaket, damit Athen die kommenden Rückzahlungen bedienen kann. Aber die Zuspitzung ist von der Syriza-Regierung bewusst gewählt mit dem Ziel, den politischen Befreiungsschlag zu wagen.
"Griechenland braucht den großen Deal bei der Anpassung, aber nicht in dieser Art. Wir brauchen grundsätzliche Reformen und keine weiteren Kürzungen oder Änderungen bei den Renten oder den Steuersätzen."
Von einem politischen Befreiungsschlag will Finanzminister Wolfgang Schäuble nichts wissen. Er gilt mittlerweile als der Hardliner in der Bundesregierung, der die wachsende Zahl der Befürworter eines Austritts aus der Eurozone sehr ernst nimmt und sich deshalb anders als möglicherweise die Kanzlerin für eine harte Haltung gegenüber Athen plädiert.
"Griechenland hat mehr Hilfe bekommen als jedes andere Land. Auch das müssen die verantwortlichen Politiker immer wieder dem griechischen Volk sagen. Und jetzt muss Griechenland auch umsetzen, wozu es sich verpflichtet hat. Weil Hilfe ist immer auch ein Stück weit Hilfe zur Selbsthilfe. Weil irgendwann müssen die Griechen auf einen Weg kommen, wo sie aus eigener Kraft sich das erwirtschaften, was sie sich leisten wollen."
Davon kann trotz aller Hilfen keine Rede sein. Die Wirtschaftsleistung ist in den vergangenen fünf Jahren um ein Fünftel eingebrochen. In der gleichen Zeit ist die Arbeitslosigkeit von elf auf mittlerweile 26 Prozent gestiegen.
Noch drastischer sehen die Zahlen für Jugendliche aus. Da hat mittlerweile jeder zweite keine Aussicht auf einen Job. Dabei wurden die Gehälter und auch die umstrittenen Pensionen bereits deutlich gekürzt. Ein böses Erwachen nach fast zehn goldenen Jahren im Euro.
Mit der Einführung der Gemeinschaftswährung wurden die Kreditkosten drastisch gesenkt. Statt 25 Prozent mussten die Kreditnehmer nur noch bis zu sechs Prozent Zinsen für neue Schulden zahlen, was zu einer erheblichen Ausweitung des öffentlichen wie des privaten Konsums führte. Unter dem Dach der gemeinsamen Währung können die einzelnen Staaten Wettbewerbsvorteile jedoch nur noch über niedrige Preise und Löhne erzielen.
Athen hätte demnach die neuen Kostenvorteile der Gemeinschaftswährung in Produktivitätsgewinne umsetzen müssen, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Da das unterblieben ist, fallen die Anpassungsschritte jetzt umso härter aus. Deshalb steigt bislang auch der Schuldenberg weiter an, ohne dass es zu einem erkennbaren Turnaround, zu einem neuen wirtschaftlichen Aufschwung kommt. Dafür müssen die Ideen und Märkte noch geboren werden.
"Ich werde weiter darauf hinarbeiten, dass Griechenland in der Eurozone bleiben kann und wir haben im Übrigen jetzt Erfolgsbeispiele. Irland ist durch ein schwieriges Programm gegangen und hat mit die besten Wachstumsraten in der Europäischen Union. Spanien hat Wachstumsraten es entstehen bei immer noch sehr hoher Arbeitslosigkeit neue Jobs. Und gerade Griechenland ist im Moment das einzige Land, das im Augenblick wirtschaftlich nicht wächst. Und wir von unserer Seite sind guten Willens, aber der gute Wille allein reicht nicht, sondern zum Schluss müssen die Rechnungen auch aufgehen."
Lautet die geradezu stoische Haltung der Bundeskanzlerin, der es tatsächlich in erste Linie darum geht, die europäische Währungsgemeinschaft durch das griechische Drama nicht auseinanderbrechen zu lassen. Faktisch bleiben in dieser Situation den Staats- und Regierungschefs nur drei Optionen, die jeweils noch eine große Bandbreite von Vereinbarungen enthalten können:
- Der griechische Staatsbankrott in der Eurozone und ein möglicher Grexit.
- Eine Verständigung über einen konditionierten Schuldenschnitt oder zumindest ein Schuldenmoratorium.
- Ein Minimalkompromiss auf der Basis der bisherigen Vereinbarungen, um weitere Zeit zu gewinnen.
Staatsbankrott in der Eurozone und ein möglicher Grexit
Auf über 325 Mrd. Euro belaufen sich die Kredite, die Athen bislang in der Finanzkrise erhalten hat. 240 Mrd. davon sind Kreditzusagen der Europartner und des IWF. Für den Rest steht die Europäische Zentralbank, und damit eigentlich wieder die Länder der Eurozone, gerade. Ohne die ständig neue Geldzufuhr über die Instrumentarien der EZB wäre der Geldkreislauf in Griechenland schon längst zusammengebrochen.
Allein die Notkredite für die Geschäftsbanken sind in der vergangenen Woche zweimal angehoben worden und belaufen sich jetzt auf rund 86 Mrd. Euro.
Diese Notkredite sind damit zum eigentlichen Lebenselixier der griechischen Wirtschaft geworden. Nur durch sie bleiben die Banken überhaupt zahlungsfähig. Zugleich bilden die Notkredite die Grundlage für den massiven Kapitalabzug, der in den letzten Wochen und Tagen stattgefunden hat.
In den vergangenen sieben Tagen haben die Bürger Griechenlands über 5 Mrd. Euro von ihren Konten abgehoben und unters Kopfkissen oder ins Ausland gebracht, um einem möglichen Staatsbankrott zu entgehen.
Die Europäische Zentralbank, so deren Präsident Mario Draghi vor dem EU Parlament, wird diese Unterstützung solange weiter gewähren, wie die Banken noch als zahlungsfähig gelten und genügend Sicherheiten vorweisen können und so lange, bis die Politik andere Entscheidungen getroffen hat.
"Es sollte absolut klar sein, dass die Entscheidung über den Fortgang des aktuellen Programms und die Auszahlung weitere Finanzmittel ganz in den Händen der Eurogruppe und damit in den Händen der Mitgliedsländer der Eurozone. Das muss am Ende auch eine politische Entscheidung von gewählten Vertretern sein und nicht eine von der Zentralbank."
Wenn die Einigung nicht gelingt und die Europäische Zentralbank im nächsten Schritt den griechischen Banken weitere Notfallkredite verweigern müsste, dann würde damit die faktische Zahlungsunfähigkeit der Banken und des Staates eingeleitet. Dann müsste Athen vielleicht schon morgen Kapitalverkehrskontrollen einführen, die Bargeldauszahlungen beschränken und in absehbarer Zeit eine Parallelwährung einführen.
Streit um wirtschaftlich sinnvollste Lösung
Für den Präsidenten des Münchner Ifo Instituts, Hans Werner Sinn, der schon seit Jahren den Grexit fordert, wäre das ein längst überfälliger Schritt um den Neuanfang zu wagen und den erheblichen Kapitaltransfer ins Ausland zu beenden.
"Ich habe das Gefühl, unsere Politiker denken, sie könnten die Griechen am ausgestreckten Arm verhungern lassen. Davon kann gar nicht die Rede sein. Im Gegenteil. Je länger die Sache dauert, desto mehr ELA Kredite lassen sie sich drucken von ihrer Zentralbank, überweisen das ins Ausland und das ist dann sicher. Und für den Fall des Knalls bleibt das griechisches Eigentum, während umgekehrt die Gegenforderung, die das EZB System gegenüber der griechischen Notenbank hat, sich in Luft auflöst."
Der Ökonom plädiert für einen harten Schnitt und den Austritt Griechenlands aus dem Euro, damit das Land unter anderen Voraussetzungen den Neuanfang wagen kann. Denn anders als bei einem Verbleib in der Eurozone wären dann nicht mehr nur Löhne und Preise die Faktoren, um die eigene Wettbewerbsfähigkeit zu verbessern, sondern auch die Währung, also die Drachme, die gegenüber dem Euro deutlich abwerten müsste.
"Ich meine, das ist nichts Besonderes, das ist Lehrbuchstandard, dass die Abwertung eine Lösung ist um die Wettbewerbsfähigkeit wieder herzustellen. Wir haben so viele Beispiele. Denken Sie an Finnland Anfang der Neunziger Jahre, oder Schweden, die ihre Wirtschaft durch eine massive Abwertung wieder auf Schwung gebracht haben. Das ist halt das Mittel das wirkt."
Das Problem dabei ist nur, dass die ökonomischen Lehrbücher bislang die Erfolgsgeschichten von Abwertungen souveräner Staaten mit einer eigenständigen Währung beschreiben. In der Eurozone sind die unmittelbaren Verflechtungen der Staaten und der Kreditzahlungen nicht nur allein über die unterschiedlichen Rettungspakete ungleich größer und wären die Auswirkungen eines Austritts auch für die anderen Krisenstaaten unmittelbar zu spüren. Die Angst vor einer möglichen Ansteckungsgefahr ist nicht von der Hand zu weisen.
"Zunächst einmal wäre der Grexit für die Bundesrepublik Deutschland kein Problem. Aber in der Eurozone sitzen noch 18 weitere Staaten außer Griechenland und Deutschland und Italien und Frankreich wären von einem Grexit unmittelbar betroffen, weil die Abschreibungen zum Beispiel von bilateralen Krediten die Italien Griechenland gewährt hat, die Italiener sofort in einer drastischen Weise belasten würde. Aus meiner Sicht ist der Grexit eine unkalkulierbare Gefahr für Europa und die Weltwirtschaft insgesamt. Deshalb sage ich Griechenland im Euro zu halten ist sinnvoller, als den Grexit herbeizureden."
Sagt der Präsident des EU Parlaments Martin Schulz und beschreibt damit den Gegensatz zwischen ökonomischer Rationalität und politischer Opportunität, den es in dieser Krise auszuhandeln gilt. Der politische Charme immer neuer Kredite besteht ja schlicht darin, die eigentliche Lösung der Probleme weiter in die Zukunft zu verschieben. Stets verbunden mit der Hoffnung, dass die vereinbarten Reform den Turnaround schon einleiten werden.
Griechische Wirtschaft ohne nennenswerte Exportgüter
Irland und Spanien mögen da Beispiele sein, dass das tatsächlich gelingen kann. Aber Griechenland ist noch weit davon entfernt. Umgekehrt gilt. Auch wenn bei einem Zahlungsausfall die griechischen Schulden die jeweiligen nationalen Haushalte wegen der langen Fristen nicht unmittelbar vor Probleme stellen würden, eine zusätzliche Belastung durch den Schuldenausfall wäre unabweisbar und die Summen sind erheblich.
66 Mrd. für Frankreich, 58 Mrd. Italien 87 Mrd. für Deutschland und 19 Mrd. für die Niederlande. Summen, an denen man sich nicht vorbei mogeln kann und die irgendwann zu Kürzungen in den eigenen Etats führen müssten und die wirtschaftliche Entwicklung und das Wachstum belasten würden. Auch bei der Lehmann Bank ging man Anfangs davon aus, dass die Pleite einer einzelnen Bank eigentlich zu händeln sei. Die Folgen dieses Zahlungsausfalls waren jedoch nachhaltig und wirken bis heute nach.
"Die Kosten für Deutschland sind weitgehend unabhängig davon, ob Griechenland im Euro bleibt, oder nicht. Weil wenn sie im Euro pleitegehen, dann wird der Staat pleite sein, die Banken werden pleite sein, die Wertpapiere die die Banken als Sicherheiten eingereicht haben, werden ausfallen zum großen Teil. Das maximal mögliche Exposure für Deutschland ist 87 Mrd. Euro und das wäre im Fall des Austritts im Prinzip auch."
Der Grexit, oder auch der Graccident kann kein wirkliches Ziel sein, hält der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung Marcel Fratscher dagegen. Zum einen, weil Griechenland überhaupt nicht die Voraussetzungen für einen schnellen Gesundungsprozess nach einer Pleite in oder außerhalb des Euros mitbringen würde und zu anderen, weil die Folgewirkung für die Europartner eben zu unüberschaubar sind, um ein solches Risiko ernsthaft eingehen zu wollen.
"Dieses Argument wäre korrekt, wenn es so wäre, dass Griechenland hervorragende Produkte hätte, die weltweit richtig wettbewerbsfähig sind. Dann wäre es richtig zu sagen, wir brauchen ja nur eine Abwertung. Wir müssten die Güter günstiger machen internationale, dann kappt das schon. Aber genau das ist ja das Problem Griechenlands. Es hat nicht diese Güter, es hat Tourismus uns ein bisschen Landwirtschaft. Dem Land fehlen die Strukturen, dem Land fehlen die Produkte. Letztlich ist es ein Problem der Institutionen und nicht der Wirtschaft. Und das werden sie nicht lösen durch eine Grexit. Ganz im Gegenteil."
Ein Schuldenschnitt ist keine wirkliche Option
Aus den genannten Gründen ist auch der Schuldenschnitt keine wirklich Option, weil die Folgewirkung für die Europartner nahezu die gleichen wären. Die Probleme in Griechenland wären dadurch noch lange nicht gelöst und die Verlierer wären einmal mehr die Bürger, weil sämtliche Importe, wie etwa Öl und Gas erheblich teurer werden würden.
"Man darf nie vergessen, Gläubiger und Schuldner sitzen in einem Boot. Wenn der Schuldner untergeht, wird auch der Gläubiger nass. In Interesse des deutschen Steuerzahlers müssen wir hier, wo der Weg zueinander so kurz ist, doch eine Einigung finden können. Aber durch die verheerende Kommunikation auf beiden Seiten ist ein Misstrauen entstanden, das schwer zu überwinden ist. Eigentlich brauchte man einen Mediator."
Sagt Gustav Horn, der Leiter des Wirtschaftsforschungsinstituts der Hans Böckler Stiftung.
Tatsächlich liegen beide Seiten in den Detailverhandlungen über die Anschlussfinanzierung des bisherigen Programms nicht weit auseinander. Da geht es um rund 450 Mio. Euro und die Frage der richtigen Instrumente. Richtig ist auch, dass sich der bereits vereinbarte Katalog der Maßnahmen sehen lassen kann. Da geht es heute um das letzte Stück, wie bei Tarifverhandlungen.
Die jüngsten Vorschläge aus Athen, die weitere Anpassungen bei den Renten und den Mehrwertsteuersätzen enthalten sollen, könnten dieses akute Problem und damit die Auszahlung der restlichen 7,2 Mrd. aus dem zweiten Rettungsprogramm lösen.
Doch noch offen bleibt dabei die Forderung der griechischen Regierung nach einer weitergehenden, endgültigen Lösung des Schuldenproblems mit der der gordische Knoten durchschlagen werden soll, um einem dritten Rettungspaket aus dem Weg zu gehen.
"Griechenland braucht einen großen Schritt bei der Anpassung. Aber nicht in der bisherigen Art und Weise. Unser Vorschlag ist ziemlich einfach. Keine weiteren neuen Schulden für den griechischen Staat, sondern stattdessen die Übertragung der 27 Mrd. die wir der EZB schulden auf den ESM. Damit würden wir diese Schulden übernehmen und ablösen."
Sagt Finanzminister Giannis Varoufakis. Durch diese Übertragung der Schulden der Zentralbank auf den Europäischen Stabilitätsmechanismus ESM, so die Spekulation der Regierung, könnte die griechische Zentralbank ohne weitere Notkredite an den seit März geltenden Sonderprogrammen der EZB teilnehmen und sich ohne ein drittes Programm frisches Geld besorgen.
Im Gegenzug verspricht die Regierung ein großes Reformpaket das sich nicht auf Steuersätze und Rentenkurzügen, sondern auf echte Strukturreformen des griechischen Staates konzentrieren und den Klientelismus ablösen soll.
Doch nicht nur für IWF-Chefin Christine Lagarde ist das eine Rechnung mit vielen Unbekannten. Niemand weiß, ob die Regierung überhaupt die Kraft und das Durchhaltevermögen hätte, um diese grundlegenden Reformen politisch anzugehen und auch umzusetzen. Für den IWF müssen die Bedingungen konditionierter sein, um ernst genommen zu werden.
"Wir können hier nicht nach dem Prinzip 'Wünsch Dir was' verfahren. Es müssen schon belastbare Vorschläge sein. Da können wir auch gerne über Instrumente reden, die andere ersetzen. Aber aus unserer Perspektive muss es vor allem glaubwürdig sein, denn der IWF verleiht das Geld von 188 Staaten und denen gegenüber sind wir verantwortlich von den ärmsten bis zu den reichsten."
Zeit gewinnen
In dieser grundsätzlichen Frage wird es heute Abend keine Einigung geben können, weil die Voraussetzungen noch zu unterschiedlich sind.
Da könnte sich allenfalls der mögliche Pfad abzeichnen, über den in den kommenden Wochen verhandelt werden soll. Der Vorstoß Athens dürfte auf wenig Gegenliebe stoßen, weil er nicht konditioniert genug ist und den Europartnern zu wenig Sicherheiten bietet.
Wenn man den bisherigen Rahmen nicht verlassen und für die Regierung in Athen trotzdem Zeit gewinnen will, dann bleibt eigentlich nur ein Schuldenmoratorium, sagt Michael Hüther, der Chef des Instituts der Deutschen Wirtschaft:
"Den Rahmen könnte doch bieten die Vereinbarung vom November 2012. Damals sind die Schulden auf 30 Jahre verlängert worden und die Tilgungsregel zu variieren, das im Grunde an die Wachstumsergebnisse zu binden, sie zeitlich sozusagen zu flexibilisieren."
Soll heißen, Griechenland würde künftig nur dann Schulden zurückzahlen müssen, wenn es sich das von der Haushaltsentwicklung her auch leisten kann. Für den IWF wäre das in dieser Form kein gangbarer Weg. Da müssten eventuell die Europartner einspringen. Die Geldgeber könnten sich damit trösten, dass es zu keinem Totalausfall der Schulden kommt. Zudem wären sie weitgehend von neuen Rettungsdarlehen befreit, die nur noch mit größten politischen Anstrengungen durchsetzbar wären. Und nicht zuletzt wäre das ein Weg, der beiden Seiten die Gesichtswahrung erlauben würde.