Ministerpräsident Tsipras richtete Vorwürfe an die mazedonischen Sicherheitskräfte: Diese hätten am Sonntag "Tränengas und Gummigeschosse gegen Leute eingesetzt, die keine ernsthafte Bedrohung darstellten und unbewaffnet waren", sagte Tsipras nach einem Treffen mit dem portugiesischen Regierungschef Antonio Costa in Athen. Skopjes Vorgehen sei eine "große Schande für die europäische Gesellschaft und ein Land, das Teil von ihr sein will", fügte Tsipras hinzu. Er erwarte "von den anderen Europäern und vom UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR, dass sie etwas sagen".
Das griechische Außenministerium legte nach eigenen Angaben Beschwerde in Mazedonien ein. Zugleich beschuldigte Tsipras "sogenannte Helfer und Freiwillige", die Flüchtlinge im griechischen Lager Idomeni dazu "aufgestachelt" zu haben, den Grenzzaun zu durchbrechen und damit für die Zusammenstöße verantwortlich zu sein. Bei einigen von ihnen handele es sich offenbar um "Ausländer", die sich in Gevgelija auf der mazedonischen Seite aufhielten und sich zwischen beiden Staaten hin- und herbewegten.
Auch Kinder wurden durch Gummigeschosse verletzt
Die Lage in Idomeni nannte Tsipras "eine Schande". Grund für die Zustände sei die "einseitige Entscheidung zur Schließung der Grenzen" der an der Balkanroute gelegenen Länder. Die mazedonische Regierung in Skopje erklärte, etwa 3.000 Flüchtlinge hätten versucht, die Grenzanlage gewaltsam zu stürmen und dabei Steine und andere Gegenstände geworfen. Die griechische Polizei sei nicht eingeschritten. Im Übrigen hätten mazedonische Sicherheitskräfte keine Gummigeschosse eingesetzt. 23 mazedonische Grenzpolizisten seien verletzt worden.
Bei den stundenlangen Auseinandersetzungen waren fast 300 Menschen verletzt worden. Nach Angaben der Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen hatten 30 Flüchtlinge Verletzungen durch Gummigeschosse am Kopf erlitten, darunter auch drei Kinder unter zehn Jahren. Am Montag war die Lage im Flüchtlingslager Idomeni wieder ruhig, aber angespannt. Nach Angaben von Ärzte ohne Grenzen schoben Flüchtlinge in einer Protestaktion einen Zugwaggon vor einen Polizeibus.
In Idomeni sitzen mehr als 11.000 Menschen unter menschenunwürdigen Bedingungen fest, seit die Fluchtroute über den Balkan vor einigen Wochen abgeriegelt worden war. Seitdem fordern sie immer wieder die Öffnung der Grenze zu Mazedonien, um von dort aus weiter in Richtung Deutschland und andere europäische Länder zu kommen.
Ende der Sparpolitik gefordert
Bei ihrem Treffen in Athen unterzeichneten Tsipras und sein portugiesischer Kollege Costa eine gemeinsame Erklärung. Darin fordern beide Politiker ein Europa mit sozialer Gerechtigkeit. Die Austeritätspolitik in der EU habe die Wirtschaft in Mitleidenschaft gezogen, hohe Arbeitslosenraten verursacht und die Gesellschaften gespalten.
Portugal hatte sich unter den Euro-Rettungsschirm begeben und im Gegenzug ein hartes Sanierungsprogramm absolviert. Inzwischen ist das Land an den Finanzmarkt zurückgekehrt, die Wirtschaft ist aber noch schwach.
Griechenland hängt noch immer am Euro-Tropf und streitet mit den Euro-Partnern und dem Internationalen Währungsfonds (IWF) derzeit erneut über die verlangten Steuer- und Rentenreformen.
(pg/tzi)