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Griechisch-orthodoxe Kirche
Die Insel des göttlichen Lichts

Die griechische Insel Patmos in der Ägais ist ein bedeutendes Zentrum der orthodoxen Christen. Hier soll der Evangelist Johannes eine göttliche Vision gehabt haben; niedergelegt hat er sie im letzten Buch des Neuen Testaments, der Apokalypse. Seit knapp 1000 Jahren leben Mönche auf der Insel. Ihr Ziel ist es, das Erbe des Apostels und die byzantinische Tradition zu pflegen.

Von Ulrich Pick |
    Blick vom Hafen Skala auf den Ort Hora mit dem eindrucksvollen Johanneskloster auf der griechischen Insel Patmos.
    Blick vom Hafen Skala auf den Ort Hora mit dem eindrucksvollen Johanneskloster auf der griechischen Insel Patmos. (dpa / picture alliance / Peter Zimmermann)
    "Patmos hat zwei Substanzen. Der Ursprung ist einerseits apostolischen Charakters. Die Insel ist ja durch den Apostel Johannes gegründet worden. Andererseits ist hier das Kloster. Es wurde im 11. Jahrhundert gegründet, genau gesagt: 1088, vom seligen Christodoulos. Diese Insel besiegelt also das erste christliche Jahrtausend."
    Schon von weitem ist das Johanneskloster auf Patmos gut zu erkennen. Es ist im Stil einer mittelalterlichen Burg errichtet und befindet sich auf dem höchsten Punkt der Insel – mitten im Hauptort Chora, umgeben von engen Gassen und weiß getünchten Häusern. Die fast eintausend Jahre alte Klosteranlage ist ein Touristenmagnet und seit 1999 Weltkulturerbe der Unesco. Ein Jahr später wurde Archimandrit Antipas Nikitaras zu ihrem Abt erklärt. Heute ist er im Ruhestand:
    "Quasi in den Eigenweiden des Klosters befinden sich Güter von unschätzbarem Wert. Es ist praktisch ein Museum, das für uns ein gewaltiges Erbe darstellt. Wir können es also in kultureller Hinsicht mit jedem auf dem Globus aufnehmen. Wir sind ein Forschungszentrum der Orthodoxie von weltweiter Bedeutung."
    Die Bibliothek des Klosters verfügt über fast 1000 Manuskripte, von denen etwa ein Drittel auf Pergament verfasst wurde. Hinzu kommen mehr als 2000 alte Buchausgaben. Die älteste Handschrift ist der Codex Purensis. Er stammt aus der Zeit um das Jahr 500 und umfasst einen Teil des Markus-Evangeliums. In der Schatzkammer des Klosters befinden sich zudem wertvolle liturgische Geräte, alte Gewänder, Bischofsstäbe mit kunstvollen Einlegearbeiten, Weihekreuze und Schmuck aus unterschiedlichen Epochen. Kein Wunder, dass der Stolz und das Geschichtsbewusstsein unter den Mönchen auf Patmos groß sind. Denn die kleine Ägäis-Insel kann auf eine lange Geschichte zurückblicken:
    "Uns hat niemand geschadet. Weder die nationalen Veränderungen, noch die Eroberer. Wir haben stets versucht, unserem geistlichen Oberhaupt, dem Patriarchen von Konstantinopel, treu zu bleiben. Und mit der Hilfe Gottes ist uns das gelungen. Ganz Griechenland war ja dem Patriarchat unterstellt, aber nach der Unabhängigkeit vom Osmanischen Reich wurde die Kirche aus nationalpolitischen Gründen 1850 autokephal, also unabhängig. Wir aber sind seit mehr als 1000 Jahren dem Thron des Patriarchen unterstellt."
    Das Johannes-Kloster versteht sich als wichtiges geistliches Zentrum. Entsprechend bildet die Pflege der byzantinischen Gottesdiensttradition eine der Hauptaufgaben der knapp 40 Mönche. Die Feier der Göttlichen Liturgie – wie die Heilige Messe in der orthodoxen Kirche genannt wird – findet im Katholikon statt, der Hauptkirche des Klosters. Sie wurde auf den Relikten eines antiken Artemis-Tempels errichtet. Bis zur Kuppel misst sie knappe zwölf Meter und ist der Tradition der Insel gemäß, dem "Heiligen Johannes dem Theologen", geweiht.
    "In der Tradition unserer Liturgie gibt es sehr ursprüngliche Elemente. Es sind also keine Messen, die in den vergangenen fünf Jahrhunderten entstanden sind, es sind Messen, die bis ins sechste Jahrhundert zurückreichen. Eine lebendige Tradition aus dem sechsten Jahrhundert."
    Wer die gewundene Straße vom Hauptort Chora zum Hafen in Skala hinuntergeht, kommt zum wohl bedeutendsten Punkt der Insel. Auf etwa der Hälfte der Strecke nämlich liegt die Höhle der Offenbarung. Hier soll vor mehr als 1900 Jahren der Apostel Johannes seine Vision gehabt haben. Die genaue Stelle in dem dreigeteilten Felsen, wo er der Überlieferung nach lag, ist in Silber gefasst. Unmittelbar daneben wurde die kleine Anna-Kirche errichtet. Ein junger Mönch, der seinen Namen nicht nennen möchte, erklärt dem Besucher die Örtlichkeit:
    "Es war die Zeit der Christenverfolgung. Sie haben Johannes hierher in die Verbannung geschickt, auf der Insel durfte er sich frei bewegen. Und in dieser Grotte an einem Sonntag hörte er beim Gebet die Stimme Gottes. Da riss der Felsen auf in drei Teile - schauen Sie: Vater, Sohn, Heiliger Geist. Der Heilige Johannes hörte die Stimme und diktierte alles seinem Schüler Prochoros."
    Dem jungen Mönch zufolge soll Johannes zwei Jahre lang auf Patmos gelebt haben, von 95 bis 97. Danach konnte er wieder zurück nach Kleinasien gehen, wo er schließlich starb.
    "Sein Grab ist dort, in Ephesus, in der heutigen Türkei. Aber Überreste von ihm gibt es nicht. Denn er ist in den Himmel eingetreten. Am 26. September feiern wir also den Eintritt des Johannes in den Himmel. Tausend Jahre später kommt der selige Christodoulos, baut oben auf dem Berg das Kloster und hier die Kirche der Anna. Und hier sehen sie den Ort, wo sich Johannes niederlegte: Hier war sein Kopf, und dort seine Hand, wenn er betete, denn er war gebrechlich."
    Für die Insel Patmos hat der religiöse Tourismus große Bedeutung. Die wichtigsten Faktoren hierbei sind das Johannes-Kloster und die Höhle der Offenbarung. Im Gegensatz zu den anderen Ägäis-Inseln gibt es auf Patmos so gut wie kein Nachtleben. Und dies, sagt Bürgermeister Dimitris Stoikos, soll in Zukunft auch so bleiben:
    "Es gibt eine religiöse Kommission, die überwacht, was hier geschieht, damit keine Lizenzen ausgegeben werden für Läden, die nicht im Einklang sind mit dem Niveau unserer Insel. Lokale, in denen man die ganze Nacht durchfeiern kann, wollen wir nicht. Ich meine solche Läden, die es in Athen gibt - mit Tänzerinnen. Sie wissen schon..."
    Im Jahr 2006 ist ganz Patmos zum Weltkulturerbe ernannt worden. Mit dem Schritt soll die Insel mit ihren rund 2800 Einwohnern weiterhin vom Massentourismus verschont bleiben.