Vathi – der Hauptort der griechischen Insel Samos um die Mittagszeit. Wir gehen mit einer Familie aus dem Irak zum Pizzaessen auf den zentralen Platz. Wir haben die Familie mit zwei Kindern und einer Großmutter zum Essen eingeladen, um in Ruhe mit ihnen zu sprechen - etwas weiter weg von ihrer selbstgebauten Holzhütte im wilden Teil des Flüchtlingscamps. Die Familie ist erst ein wenig schüchtern, weil sie sich nicht sicher ist, ob sie die Einladung annehmen soll, doch dann wollen die Eltern mit den beiden Kindern gerne Platz nehmen auf den Plastikstühlen der kleinen Pizzeria am Hafen.
Die Wirtin stürmt auf sie zu, sagt "nein, ihr dürft Euch hier nicht hinsetzen". Erst als ich mich als deutscher Reporter vorstelle, der selbstverständlich für alle bezahlen will, nickt die Wirtin und stellt zwei Tische zusammen.
Die Ablehnung gegenüber Flüchtlinge steigt
"Hier dürft ihr nicht rein, sagen immer wieder die Leute hier in Vathi zu uns", sagt der Familienvater. Diese Erfahrung habe er mit seiner Familie immer wieder machen müssen. Obwohl es die Regeln der Registrierungsstelle hoch oben über dem Ort natürlich erlauben, dass sich Flüchtlinge frei bewegen dürfen – tagsüber zumindest in Vathi.
Seit am Rande des Orts etwa 6.000 Flüchtlinge leben müssen und damit genauso viele Menschen wie der Ort regulär Einwohner hat, dreht sich der Wind. Nur wenige Einwohner auf Samos sind so freundlich zu Migranten wie der Kiosk-Besitzer oder der Supermarkt-Verkäufer, der Flüchtlingen in Ruhe Lebensmittel erklärt und in die Tüte packt.
Viele Griechen haben es endgültig satt, die Hauptlast des stark ansteigenden Flüchtlingsstroms über die Ägäis zu tragen – und der konservative Ministerpräsident Kyriakos Mitsotakis hat mit seiner Regierung diese Stimmung im Land in ein neues Gesetz gepackt:
"Asylbewerber, die mit den Behörden nicht kooperieren und kein Asyl bekommen, kommen in geschlossene Abschiebezentren, sagt Mitsotakis unter lautem Beifall seiner Parteifreunde. Unser Ziel ist es, bis Ende 2020 10.000 Migranten zurück in die Türkei zu schicken und damit die Inseln zu entlasten. Und mehr als 20.000 Asylbewerber werden in zehn Regionen unseres Landes in festen Unterkünften untergebracht - menschenwürdig."
Bereits jetzt weniger Sozialleistungen für Flüchtlinge
Schon im Hochsommer, kurz nach der Regierungsübernahme, hat die konservative griechische Regierung eine wichtige Sozialleistung für Flüchtlinge beschnitten. Wer neu als Migrant ins Land kommt, erhält nicht mehr automatisch eine Sozialversicherungsnummer, die sogenannte Amka. Rachel Ellis von der Schweizer Frauenhilfsorganisation SAO auf der Insel Lesbos findet das skandalös:
"Es ist jetzt absolut unmöglich für neu ankommende Flüchtlinge, diese Versicherungsnummer zu bekommen. Also gibt’s für sie zum Beispiel auch keinen Termin im Krankenhaus. Das betrifft auch Menschen, die mit chronischen Krankheiten eigentlich dringend behandelt werden müssten. Das heißt, diese Menschen bekommen keine ärztliche Diagnose und somit auch keine Medikamente verschrieben, die sie eigentlich dringend bräuchten".
Im Athener Straßenbild fällt auf, dass mehr Polizei unterwegs ist. Uniformierte fragen Migranten mit ernster Miene nach ihren Papieren. Kleine Gruppen von arabisch sprechenden Flüchtlingen rund um die Akropolis werden gründlich gefilzt – müssen dafür bis zu einer halben Stunde - umstellt von Polizisten und ihren Motorrädern warten. Ein Kurde aus dem Irak, der im Park an einer Metrostation seit zwei Jahren Papiertaschentücher und Feuerzeuge verkauft, saß dafür im August drei Tage lang in Polizeigewahrsam.
Dies sind Beispiele dafür, wie die Ordnungskräfte auf Anweisung ihrer Dienststellen sehr gezielt eine neue Migrationspolitik umsetzen sollen. Und die will offenbar noch mehr als bisher vor allem abschrecken. "Refugees welcome" steht groß und deutlich in Athen allenfalls noch als Spruch auf Brückenpfeilern und Betonwänden zu lesen.