Peter Kapern: Eines der Themen beim Koalitionsgipfel war auch die Rettung Griechenlands vor der Staatspleite. Der Bundestag muss dem Kompromiss, den die EU-Finanzminister ja mit der griechischen Regierung gefunden haben, noch zustimmen. Einer, der schon jetzt angekündigt hat, seine Zustimmung in jedem Fall zu verweigern, das ist der CDU-Bundestagsabgeordnete Klaus-Peter Willsch. Mit ihm hat mein Kollege Jasper Barenberg gestern Abend gesprochen.
Jasper Barenberg: Alle Finanzminister der Euroländer haben zugestimmt, nicht nur Wolfgang Schäuble. Sie haben sich aber jetzt schon festgelegt, Griechenland diesen dringend benötigten Aufschub zu verweigern. Warum?
Klaus-Peter Willsch: Das, was uns dort vorgelegt worden ist, ist ja eine bloße Prosa. Die griechische Seite hat eine Zusammenstellung allerlei bereits vereinbarter Anpassungen neu herausgegeben sozusagen. Das ist nichts, was irgendwo mit Zahlen bewertet wäre. Die einzigen Zahlen, die Sie in dem siebenseitigen Papier finden, ist, dass die Zahl der Ministerien von 16 auf zehn reduziert werden soll. Aber welche konkreten Einnahmeerwartungen mit Bekämpfung von Steuerhinterziehung, mit Bekämpfung von Schmuggel oder was auch immer verbunden sind, fehlt vollständig. Das ist einfach nur Prosa.
Barenberg: Aber gehört es nicht zu dem Job einer neuen Regierung, erst einmal Vorschläge zu machen, die man dann im Laufe der Amtszeit durchsetzt und verfolgt? Wenn die griechische Regierung davon spricht, Schritte gegen Steuerhinterziehung zu unternehmen, die Verwaltung zu modernisieren, den Kampf aufzunehmen gegen Korruption, verspricht, die Privatisierungen, die schon vereinbart sind, nicht zurückzunehmen, dann ist das doch offenbar ein ganz solides Programm, finden jedenfalls die Euro-Finanzminister, denn der Chef hat ja gesagt, Griechenland meint es ernst.
Willsch: Ja das wollen wir mal sehen. Viel von dem, was dort jetzt niedergelegt ist, hören wir seit 2010, seit dem ersten Bailout Griechenlands. Da ist in vielen Bereichen auch einiges beschlossen worden von den Vorgängerregierungen. Es ist allerdings vieles von dem, was beschlossen worden ist, nicht umgesetzt worden. Ich will Ihnen mal die Größe der Summen deutlich machen. Wir reden von sieben bis acht Milliarden, die da jetzt anderweitig aufgebracht werden sollen. Wenn Sie das auf die Größenordnung von Deutschland umrechnen, müssen Sie mit einem Faktor 12 oder 15 rechnen. Das heißt, wir reden über 80, 90 Milliarden, die wir jetzt innerhalb von wenigen Wochen in Deutschland an Mehreinnahmen oder Minderausgaben realisieren müssten.
Nehmen Sie den zweiten Punkt, den Sie ansprechen: Privatisierungen. Im ersten Programm 2010 war vereinbart, dass für 50 Milliarden Privatisierungen stattfinden. Wir haben bis heute zwei Milliarden erreicht, und jetzt sagt die neue Regierung schon, gut, was jetzt verhandelt ist, das wird durchgezogen, was schon rechtlich auf einem Weg ist, aber alles andere wird neu überprüft. Ja wo soll denn da die Asche herkommen?
"Man muss sehen, wie Tsipras zuhause redet"
Barenberg: Gerda Hasselfeldt, die Chefin der CSU-Landesgruppe, die hat ja gesagt, alles muss erst einmal jetzt sorgfältig geprüft werden in den nächsten Tagen, und dann wird entschieden. Die Unions-Fraktion hat mit ihrer Mehrheit beschlossen, eine Probeabstimmung erst mal sein zu lassen und sich am Donnerstag auf eine möglicherweise gemeinsame Haltung dann festzulegen. Warum gilt für Sie das nicht, dass man sich jetzt erst mal genau anguckt, vielleicht auch noch mal von Finanzminister Schäuble Details erläutern lässt, sondern Sie sind jetzt schon festgelegt, dass Sie am Freitag dagegen stimmen werden?
Willsch: Was soll denn bis Freitag an weiteren Details kommen? Das halte ich für ausgeschlossen, dass wir ein wirklich beratungsfähiges Programm, auch nur eine Anmutung davon bekommen. Man muss sich auch anschauen, wie über die Ergebnisse von letztem Freitag Tsipras zuhause redet. Er sagt in seiner Fernsehkonferenz dazu, gestern haben wir einen entscheidenden Schritt gemacht, wir lassen die Sparmaßnahmen, das Anpassungsprogramm und die Troika hinter uns. Er sagt, mit der Vereinbarung würden die von der Vorgängerregierung eingegangenen Verpflichtungen zu Lohn- und Rentenkürzungen sowie Entlassungen im Staatsdienst und Steuererhöhungen annulliert. Er sagt, die Pläne konservativer Kräfte im In- und Ausland, die Griechenland ersticken wollten, sind durchkreuzt worden. Das ist O-Ton Tsipras!
Und weshalb ich dann, wo wir jetzt eine Regierung haben, die offenkundig zuhause völlig anders redet, als sie das bei uns tut - bei den Vorgängerregierungen hat man ja noch das Gefühl gehabt, die wollen wirklich an die Reformen herangehen, aber hier wird einmal vor der Eurogruppe so gesprochen und zuhause weiter im Wahlkampfmodus -, das wird nicht tragen, das wird nicht funktionieren. Denn wenn der Wille nicht da ist, wirkliche Veränderungen durchzuführen, wird es scheitern, zumal da, wo der Schwerpunkt draufliegt, sie ja nicht über Nacht Ergebnisse erzielen können. Sie müssen Gesetze ändern, sie müssen Verwaltungsstrukturen überhaupt erst aufbauen, die nicht vorhanden sind, um eine wirksame Steuerverwaltung und ein Einziehen der Steuern auch zu gewährleisten. Sie müssen, wenn Sie Vermögensabgaben realisieren wollen auf Grund und Boden, ein Kataster haben, was bis heute, obwohl es seit fünf Jahren versprochen ist oder die Arbeiten daran, immer noch nicht da ist. Also es ist ein Rufen, wenn einem das Wasser bis an die Oberkante der Unterlippe steht, da verspricht man allerlei, aber sobald der Wasserpegel wieder ein bisschen sinkt, dann wird das wieder ganz anders sein.
"Ein Ausscheiden Griechenlands wäre verkraftbar"
Barenberg: Sie sind also dafür, Griechenland Pleite gehen zu lassen und aus dem Euroverbund rauszuwerfen, denn das bedeutet Ihre Stimme am Freitag im Bundestag?
Willsch: Ich bin seit 2010 der Auffassung, dass es für die Griechen erfolgversprechender wäre, es außerhalb des Euro zu versuchen. Ein Ausscheiden Griechenlands aus der Eurozone ist von allen Wirtschaftsexperten als heute verkraftbar dargestellt durch die Abdeckung durch alle möglichen Schutzmechanismen, die ja geschaffen worden sind für einen solchen Fall. Innerhalb des Euro wird es nicht gelingen, weil eine weitere reale Senkung von Löhnen und Preisen um runde 30 Prozent erforderlich wäre, damit Griechenland überhaupt in die Nähe von Wettbewerbsfähigkeit kommt. Das ist alles sehr viel einfacher, wenn Sie eine eigene Währung haben, abwerten können, damit die Importe senken, den Export oder Tourismus in Griechenland fördern können. Das wäre der ökonomisch richtige Weg und den empfehle ich nachdrücklich.
Kapern: Der CDU-Bundestagsabgeordnete Klaus-Peter Willsch im Gespräch mit meinem Kollegen Jasper Barenberg.
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