Jasper Barenberg: Wie hart Politik sein kann, das hat Angela Merkel gerade an Norbert Röttgen vorgeführt. Gerade noch der hochgelobte Dirigent der Energiewende, stellt die Bundeskanzlerin ihrem Umweltminister nach der krachenden Niederlage in Nordrhein-Westfalen kurzerhand den Stuhl vor die Tür. Wie hart Politik sein kann, das dürfte Angela Merkel in den nächsten Tagen, in den nächsten Wochen auch am eigenen Leib zu spüren bekommen. Auch nach ihrem Ausflug zum Doppelgipfel von G-8 und NATO wirkt in der CDU der Rausschmiss von Röttgen noch nach, das Wahldesaster in Düsseldorf auch. In vielen wichtigen Fragen kommt die Koalition zudem keinen Millimeter vom Fleck, in anderen ist sie auf die Hilfe von SPD und Grünen angewiesen. Einen Jetlag kann sich die Bundeskanzlerin jedenfalls nicht leisten; sie hat gleich nach ihrer Ankunft einen ersten Termin heute in Berlin, und zwar keinen besonders angenehmen.
Am Telefon begrüße ich den Generalsekretär der CDU. Einen schönen guten Morgen, Hermann Gröhe.
Hermann Gröhe: Guten Morgen.
Barenberg: Herr Gröhe, haben Sie inzwischen schon verstanden, warum die Kanzlerin den Umweltminister gefeuert hat?
Gröhe: Also dass dies eine für den Betroffenen überaus schmerzhafte Entscheidung ist, die auch Weggefährten und Freunde berührt, ist das eine. Das andere ist die dramatische Situation in Nordrhein-Westfalen nach der Landtagswahl, die ja bei Norbert Röttgen selbst zu der Entscheidung geführt hat, den Landesparteivorsitz aufzugeben, bei der man aber eben doch auch sehen muss, dass sie auch Auswirkungen auf seine Durchsetzungskraft im Amt des Umweltministers hat. Die Energiewende ist ein herausragendes, das herausragende innenpolitische Projekt dieser Legislaturperiode und darüber hinaus und da bedarf es eben der ungeschmälerten Durchsetzungskraft und da birgt ein personeller Neuanfang, so bitter die Begleitumstände für den Betroffenen vor allem sind, doch auch die Chance, diesem Projekt neuen Schwung zu verleihen.
Barenberg: Und das setzt auch die Regel außer Kraft, die ja auch Angela Merkel ein ums andere Mal betont hat, dass nämlich die Wahl in einem Bundesland keine Folgen für die Bundespolitik hat?
Gröhe: Es war eine Landtagswahl. Es geht um eine Entscheidung für die Zukunft Nordrhein-Westfalens. Aber es ist eine Niederlage in Nordrhein-Westfalen gewesen, die in Ausmaß und in der Tiefe, in der die Partei davon betroffen ist, Regionen, in denen wir früher immer Direktkandidaten gestellt haben, sie verlieren, die Partei als ganzes betrifft. Diese Niederlage, für die hat Norbert Röttgen die Verantwortung übernommen, lagen der Strategie doch wichtige Leitentscheidungen von ihm persönlich auch zugrunde, und die betreffen eben dann auch die Durchsetzungsstärke einer Person in einem politischen Feld, in dem es – denken Sie nur an die schwierigen Verhandlungen mit dem Bundesrat – immer wieder auch darauf ankommt, zusammenzuführen, Kompromisse zu finden und dann auch Positionen durchzusetzen. Und da mindert es nicht die großen Verdienste von Norbert Röttgen um das Projekt Energiewende, wenn man hier jetzt die Chance auch zu einem Neuanfang nutzen möchte, und Peter Altmaier – das ist deutlich geworden – genießt dafür in der Union, aber auch in der Koalition und darüber hinaus hohe Akzeptanz, um dieses Projekt nach vorne zu bringen.
Barenberg: Die Bundeskanzlerin hat sich ja bisher zurückgehalten, beziehungsweise sie hat im Grunde geschwiegen, was die Gründe für ihre Entscheidung angeht. Wird sich das noch ändern? Wird sie sich öffentlich noch etwas ausführlicher dazu äußern?
Gröhe: Sie hat den entscheidenden Punkt genannt, nämlich die Chance für einen Neuanfang in der Form eines personellen Neuanfangs, dass dieses wichtige Thema gleichsam neuen Schwung erhält. Sie hat den Einsatz von Norbert Röttgen für den Klimaschutz, international für die Energiewende ausdrücklich hervorgehoben. Damit ist das Entscheidende gesagt. Sie muss selbst wissen, bei welcher Gelegenheit sie dann weitere Fragen auch öffentlich beantwortet. Ich denke, es ist andererseits auch wichtig – auch das gehört zu einem fairen Umgang miteinander -, dass manches eben auch im Gespräch unter vier Augen - und davon hat es mehrere gegeben - besprochen wird, dann nicht öffentlich nachbereitet wird, sondern man gemeinsam nach vorne schaut.
Barenberg: Die Energiewende als ein wesentliches Projekt der Bundesregierung haben Sie erwähnt. Es gibt weitere, bei denen es hakt: Betreuungsgeld, Mindestlohn, Speicherung von Telekommunikationsdaten, Steuer auf Finanzgeschäfte - wichtige Projekte, die alle auf Eis liegen. Wie lange kann es sich die Koalition unter Führung von Angela Merkel eigentlich noch leisten, solche wichtigen Entscheidungen unerledigt vor sich herzuschieben?
Gröhe: Ja da muss man sich natürlich jede Entscheidung für sich ansehen. Wenn Sie die Finanztransaktionssteuer ansehen, dann ist das kein Thema der Koalition, sich hier nicht einig zu sein, sondern da werben wir für unsere Position in Europa. Da gibt es bei großen europäischen Ländern hartnäckigen Widerstand, dagegen arbeiten wir an.
Barenberg: Auch in der FDP.
Gröhe: Die FDP kann sich eine auf nur wenige Länder begrenzte Lösung nicht vorstellen und wir streben ja auch nach Möglichkeit eine in der Europäischen Union an, und dafür gibt es eben in der Europäischen Union noch nicht die Mehrheit. Da gibt es ein Ringen, da wird man auch einmal sehen, ob jetzt beispielsweise die Neuaufstellung auch der französischen Regierung dafür sorgt, dass dieses Thema uns unterstützend noch mal weiteren Drive erhält auf europäischer Ebene. Ich habe nur damit betonen wollen, dass jedes dieser Themen für sich angesehen werden muss. Bei der Vorratsdatenspeicherung bin ich in der Tat der Meinung, da sind wir als Mitglied der Europäischen Union in der Pflicht, Vorgaben Europas in nationales Recht umzusetzen. Innenminister Friedrich hat hier auch gegenüber der Justizministerin deutlich gemacht, wo Kompromisslinien sein können. Das wäre in der Tat sinnvoll, hier bald zu einem Abschluss zu kommen. Es ist nicht gut vorstellbar, dass in einer so zentralen Frage der inneren Sicherheit Deutschland gleichsam zum schwächsten Glied in der europäischen Sicherheitskette wird. Beim Betreuungsgeld können Sie davon ausgehen, das schaffen wir bis zur Sommerpause. Da sind wir ja auch im Grundsatz einig. Da gibt es Details, die man im Gesetzgebungsverfahren regeln kann. Das Entscheidende aber – Sie haben im Vorbericht die Gipfel erwähnt – ist, dass wir in Europa und in der Weltwirtschaft auf gutem Kurs bleiben, und es ist Angela Merkel zu verdanken, dass es eben keinen schnellen Ruf nach Strohfeuer finanziert durch Schulden gibt aus dem G-8-Gipfel, sondern man sich dort ausdrücklich zu Sparen und Strukturreformen für mehr Wettbewerbsfähigkeit bekannt hat.
Barenberg: Aber Herr Gröhe, gerade in der Europapolitik hat die Bundeskanzlerin ja auch jetzt zur Kenntnis nehmen müssen, dass sich die Kräfteverhältnisse in Europa gerade verschieben. François Hollande drängt darauf, den harten Sparkurs, der vor allem von Angela Merkel vorangetrieben wurde, aufzulockern. Mit anderen Worten: es gibt Druck in der Außenpolitik, es gibt Druck in der Innenpolitik. Wie ist es denn um die Durchsetzungskraft der Kanzlerin bestellt?
Gröhe: Sehr gut, wie ich gerade am G-8-Gipfel deutlich gemacht habe. In der Tat ist der Ruf nach schuldenfinanzierten Strohfeuerprogrammen wieder lauter geworden. Ich halte es für unverantwortlich, dass die SPD und die Grünen dies mit verstärken im eigenen Land. Das Motto "mehr Schulden in Europa, mehr Haftung für Deutschland" wäre doch für unser Land verheerend und der Fiskalpakt ist die Vereinbarung von 25 Staats- und Regierungschefs, Schluss zu machen mit verantwortungsloser Schuldenmacherei, und das darf Rot-Grün jetzt nicht durch parteitaktische Spielchen gefährden. Da ist Verantwortung gefragt. Das Grundgesetz sieht eine Zwei-Drittel-Mehrheit vor, insofern haben Sie Recht, brauchen wir SPD und Grüne für solche Entscheidungen. Aber es sind Entscheidungen um die Zukunft des Landes, bei der es wichtig wäre, dass nicht Parteitaktik, sondern die Stimme der Vernunft auch in der Opposition siegt. Mehr Schulden in Europa, mehr Haftung für Deutschland, das wäre brandgefährlich.
Barenberg: Der CDU-Generalsekretär heute Morgen hier im Deutschlandfunk. Vielen Dank für das Gespräch, Hermann Gröhe.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Am Telefon begrüße ich den Generalsekretär der CDU. Einen schönen guten Morgen, Hermann Gröhe.
Hermann Gröhe: Guten Morgen.
Barenberg: Herr Gröhe, haben Sie inzwischen schon verstanden, warum die Kanzlerin den Umweltminister gefeuert hat?
Gröhe: Also dass dies eine für den Betroffenen überaus schmerzhafte Entscheidung ist, die auch Weggefährten und Freunde berührt, ist das eine. Das andere ist die dramatische Situation in Nordrhein-Westfalen nach der Landtagswahl, die ja bei Norbert Röttgen selbst zu der Entscheidung geführt hat, den Landesparteivorsitz aufzugeben, bei der man aber eben doch auch sehen muss, dass sie auch Auswirkungen auf seine Durchsetzungskraft im Amt des Umweltministers hat. Die Energiewende ist ein herausragendes, das herausragende innenpolitische Projekt dieser Legislaturperiode und darüber hinaus und da bedarf es eben der ungeschmälerten Durchsetzungskraft und da birgt ein personeller Neuanfang, so bitter die Begleitumstände für den Betroffenen vor allem sind, doch auch die Chance, diesem Projekt neuen Schwung zu verleihen.
Barenberg: Und das setzt auch die Regel außer Kraft, die ja auch Angela Merkel ein ums andere Mal betont hat, dass nämlich die Wahl in einem Bundesland keine Folgen für die Bundespolitik hat?
Gröhe: Es war eine Landtagswahl. Es geht um eine Entscheidung für die Zukunft Nordrhein-Westfalens. Aber es ist eine Niederlage in Nordrhein-Westfalen gewesen, die in Ausmaß und in der Tiefe, in der die Partei davon betroffen ist, Regionen, in denen wir früher immer Direktkandidaten gestellt haben, sie verlieren, die Partei als ganzes betrifft. Diese Niederlage, für die hat Norbert Röttgen die Verantwortung übernommen, lagen der Strategie doch wichtige Leitentscheidungen von ihm persönlich auch zugrunde, und die betreffen eben dann auch die Durchsetzungsstärke einer Person in einem politischen Feld, in dem es – denken Sie nur an die schwierigen Verhandlungen mit dem Bundesrat – immer wieder auch darauf ankommt, zusammenzuführen, Kompromisse zu finden und dann auch Positionen durchzusetzen. Und da mindert es nicht die großen Verdienste von Norbert Röttgen um das Projekt Energiewende, wenn man hier jetzt die Chance auch zu einem Neuanfang nutzen möchte, und Peter Altmaier – das ist deutlich geworden – genießt dafür in der Union, aber auch in der Koalition und darüber hinaus hohe Akzeptanz, um dieses Projekt nach vorne zu bringen.
Barenberg: Die Bundeskanzlerin hat sich ja bisher zurückgehalten, beziehungsweise sie hat im Grunde geschwiegen, was die Gründe für ihre Entscheidung angeht. Wird sich das noch ändern? Wird sie sich öffentlich noch etwas ausführlicher dazu äußern?
Gröhe: Sie hat den entscheidenden Punkt genannt, nämlich die Chance für einen Neuanfang in der Form eines personellen Neuanfangs, dass dieses wichtige Thema gleichsam neuen Schwung erhält. Sie hat den Einsatz von Norbert Röttgen für den Klimaschutz, international für die Energiewende ausdrücklich hervorgehoben. Damit ist das Entscheidende gesagt. Sie muss selbst wissen, bei welcher Gelegenheit sie dann weitere Fragen auch öffentlich beantwortet. Ich denke, es ist andererseits auch wichtig – auch das gehört zu einem fairen Umgang miteinander -, dass manches eben auch im Gespräch unter vier Augen - und davon hat es mehrere gegeben - besprochen wird, dann nicht öffentlich nachbereitet wird, sondern man gemeinsam nach vorne schaut.
Barenberg: Die Energiewende als ein wesentliches Projekt der Bundesregierung haben Sie erwähnt. Es gibt weitere, bei denen es hakt: Betreuungsgeld, Mindestlohn, Speicherung von Telekommunikationsdaten, Steuer auf Finanzgeschäfte - wichtige Projekte, die alle auf Eis liegen. Wie lange kann es sich die Koalition unter Führung von Angela Merkel eigentlich noch leisten, solche wichtigen Entscheidungen unerledigt vor sich herzuschieben?
Gröhe: Ja da muss man sich natürlich jede Entscheidung für sich ansehen. Wenn Sie die Finanztransaktionssteuer ansehen, dann ist das kein Thema der Koalition, sich hier nicht einig zu sein, sondern da werben wir für unsere Position in Europa. Da gibt es bei großen europäischen Ländern hartnäckigen Widerstand, dagegen arbeiten wir an.
Barenberg: Auch in der FDP.
Gröhe: Die FDP kann sich eine auf nur wenige Länder begrenzte Lösung nicht vorstellen und wir streben ja auch nach Möglichkeit eine in der Europäischen Union an, und dafür gibt es eben in der Europäischen Union noch nicht die Mehrheit. Da gibt es ein Ringen, da wird man auch einmal sehen, ob jetzt beispielsweise die Neuaufstellung auch der französischen Regierung dafür sorgt, dass dieses Thema uns unterstützend noch mal weiteren Drive erhält auf europäischer Ebene. Ich habe nur damit betonen wollen, dass jedes dieser Themen für sich angesehen werden muss. Bei der Vorratsdatenspeicherung bin ich in der Tat der Meinung, da sind wir als Mitglied der Europäischen Union in der Pflicht, Vorgaben Europas in nationales Recht umzusetzen. Innenminister Friedrich hat hier auch gegenüber der Justizministerin deutlich gemacht, wo Kompromisslinien sein können. Das wäre in der Tat sinnvoll, hier bald zu einem Abschluss zu kommen. Es ist nicht gut vorstellbar, dass in einer so zentralen Frage der inneren Sicherheit Deutschland gleichsam zum schwächsten Glied in der europäischen Sicherheitskette wird. Beim Betreuungsgeld können Sie davon ausgehen, das schaffen wir bis zur Sommerpause. Da sind wir ja auch im Grundsatz einig. Da gibt es Details, die man im Gesetzgebungsverfahren regeln kann. Das Entscheidende aber – Sie haben im Vorbericht die Gipfel erwähnt – ist, dass wir in Europa und in der Weltwirtschaft auf gutem Kurs bleiben, und es ist Angela Merkel zu verdanken, dass es eben keinen schnellen Ruf nach Strohfeuer finanziert durch Schulden gibt aus dem G-8-Gipfel, sondern man sich dort ausdrücklich zu Sparen und Strukturreformen für mehr Wettbewerbsfähigkeit bekannt hat.
Barenberg: Aber Herr Gröhe, gerade in der Europapolitik hat die Bundeskanzlerin ja auch jetzt zur Kenntnis nehmen müssen, dass sich die Kräfteverhältnisse in Europa gerade verschieben. François Hollande drängt darauf, den harten Sparkurs, der vor allem von Angela Merkel vorangetrieben wurde, aufzulockern. Mit anderen Worten: es gibt Druck in der Außenpolitik, es gibt Druck in der Innenpolitik. Wie ist es denn um die Durchsetzungskraft der Kanzlerin bestellt?
Gröhe: Sehr gut, wie ich gerade am G-8-Gipfel deutlich gemacht habe. In der Tat ist der Ruf nach schuldenfinanzierten Strohfeuerprogrammen wieder lauter geworden. Ich halte es für unverantwortlich, dass die SPD und die Grünen dies mit verstärken im eigenen Land. Das Motto "mehr Schulden in Europa, mehr Haftung für Deutschland" wäre doch für unser Land verheerend und der Fiskalpakt ist die Vereinbarung von 25 Staats- und Regierungschefs, Schluss zu machen mit verantwortungsloser Schuldenmacherei, und das darf Rot-Grün jetzt nicht durch parteitaktische Spielchen gefährden. Da ist Verantwortung gefragt. Das Grundgesetz sieht eine Zwei-Drittel-Mehrheit vor, insofern haben Sie Recht, brauchen wir SPD und Grüne für solche Entscheidungen. Aber es sind Entscheidungen um die Zukunft des Landes, bei der es wichtig wäre, dass nicht Parteitaktik, sondern die Stimme der Vernunft auch in der Opposition siegt. Mehr Schulden in Europa, mehr Haftung für Deutschland, das wäre brandgefährlich.
Barenberg: Der CDU-Generalsekretär heute Morgen hier im Deutschlandfunk. Vielen Dank für das Gespräch, Hermann Gröhe.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.