Parlamentswahlen in Grönland
Mitte-Rechts-Partei gewinnt überraschend hoch

Die wirtschaftsfreundliche Oppositionspartei Demokraatit hat die Parlamentswahlen in Grönland klar für sich entschieden. Der Urnengang stand weltweit im Fokus, da US-Präsident Donald Trump immer wieder öffentlich Anspruch auf Grönland erhoben hat.

    Eine Menschenschlange wartet auf ihre Stimmabgabe bei der Parlamentswahl in Grönland.
    Eine weltweit beachtete Schicksalswahl: Die Wahlbeteiligung lag in Grönland mit knapp 71% höher als sonst. (IMAGO / Ritzau Scanpix / Mads Claus Rasmussen)
    Grönland hat gewählt – unter den Augen der Weltöffentlichkeit. Die Mitte-Rechts-Partei Demokraatit konnte sich dabei deutlich gegen die linke Regierungskoalition durchsetzen und kam auf 29,9 Prozent, wie aus den offiziellen Ergebnissen hervorgeht. Damit hat sie ihr vorheriges Ergebnis verdreifacht: 2021 hatte Demokraatit nur 9,1 Prozent erreicht. Die ebenfalls oppositionelle nationalistische Naleraq-Partei erhielt 24,5 Prozent. Demokraatit-Parteichef Jens-Frederik Nielsen wird vermutlich Koalitionsgespräche mit Naleraq suchen.
    Die bisher regierenden Parteien, Inuit Ataqatigiit von Regierungschef Múte Egede und dessen Koalitionspartner Siumut, mussten herbe Verluste einstecken und kommen zusammen auf 36 Prozent, nach gut 66 Prozent vor vier Jahren. Etwas mehr als 40.000 Wahlberechtigte unter den insgesamt 57.000 Grönländerinnen und Grönländern durften am Dienstag ihre Stimme abgegeben, die Wahlbeteiligung lag mit 70,9% recht hoch. Mit der Wahl werden alle 31 Sitze im grönländischen Parlament Inatsisartut in der Hauptstadt Nuuk neu vergeben. 
    Ein lächelnder Mann mit Gitarre wird auf der Bühne von zwei Musikern begleitet.
    Wahlsieger Jens-Frederik Nielsen spielt mit Band bei seiner eigenen Wahlparty auf. (IMAGO / Ritzau Scanpix / Mads Claus Rasmussen)
    Wegen Trumps wiederholten Besitzansprüchen an das arktische Land wurden die Parlamentswahlen vorgezogen. Der US-Präsident hat immer wieder erklärt, die Kontrolle über die größte Insel der Erde übernehmen zu wollen. Einer Umfrage zufolge lehnen 85 Prozent der Grönländer dies ab. Grönland ist zwar weitgehend autonom, gehört aber offiziell zum Königreich Dänemark. Die Debatte über Trumps Aussagen hat den Wahlkampf geprägt und vor allem die jahrzehntelange Diskussion über eine mögliche Unabhängigkeit Grönlands von Dänemark befeuert.

    Inhalt

    Klares Votum für die Unabhängigkeit

    Die Wahlergebnisse bestätigen vor allem eins: Die große Mehrheit der Grönländer will nicht weiter zu Dänemark gehören. Wie genau der Weg zur Unabhängigkeit aussehen soll, wird allerdings heftig diskutiert. Grönland erhält jährlich 600 Millionen Euro aus Dänemark, viele Grönländer fürchten bei einem abrupten Bruch große wirtschaftliche Nachteile. Die Subventionen decken etwa die Hälfte des öffentlichen Haushalts ab.
    Wahlsieger Nielsen legt einen klaren Schwerpunkt auf die Wirtschaft und setzt sich für einen behutsamen Weg zur Unabhängigkeit ein. Sein Ziel ist zunächst eine deutliche Steigerung des Bruttoinlandsprodukts, um so die Unabhängigkeit von Dänemark zu ermöglichen.
    Grönlands noch amtierender Ministerpräsident Múte Egede wies Anfang Januar das Kaufangebot von Donald Trump entschieden zurück und ging gleichzeitig auf Distanz zu Dänemark. In seiner Neujahrsansprache zum Jahr 2025 hatte er das erste Mal konkret darüber gesprochen, dass die Grönländer sich über ein Referendum von Dänemark lossagen könnten. Bereits im Jahr 2023 hat Grönland einen Verfassungsentwurf für den Fall einer Unabhängigkeit von Dänemark ausgearbeitet. Seit 2009 hat Grönland das Recht, sich per Referendum für unabhängig zu erklären.
    Seit 2019 haben grönländische Politiker wiederholt erklärt, dass sie daran interessiert seien, die Zusammenarbeit und den Handel mit den USA zu stärken. "Grönland spricht davon, von Dänemark unabhängig zu werden, aber kein Grönländer möchte einfach zu einem neuen Kolonialherrn wechseln", erklärte Forscher Ulrik Pram Gad vom Dänischen Institut für Internationale Studien.

    Vorsitzender von Naleraq: "Wir haben nichts mit Europa zu tun“

    Pele Broberg ist Vorsitzender der Partei Naleraq, die bei den Parlamentswahlen 2021 etwa zwölf Prozent der Stimmen bekommen hat und nun zweitstärkste Partei im Parlament wird. Broberg wirbt für die Unabhängigkeit Grönlands, aber wenn die nicht zu erreichen sei, dann möchte er sein Land lieber enger an die USA binden als abhängig von Dänemark zu bleiben: „Wir sind auf dem nordamerikanischen Kontinent, wir haben nichts mit Europa zu tun“, sagt er.
    Einer Umfrage zufolge sind nur sehr wenige Grönländer dafür, Teil der USA zu werden. Auch Regierungschef Múte B. Egede hatte immer wieder betont: „Wir wollen keine Dänen sein. Wir wollen auch keine Amerikaner sein. Wir wollen Grönländer sein.“ Zugleich zeigte er sich offen für eine stärkere wirtschaftliche Zusammenarbeit mit den USA, etwa beim Abbau der immensen Vorkommen wichtiger Rohstoffe auf der Insel.

    Warum Trump Grönland haben will

    Grönland soll nach den Plänen von US-Präsident Donald Trump künftig ein Teil der Vereinigten Staaten werden. Damit knüpft der Republikaner an einen gescheiterten Versuch während seiner ersten Amtszeit an, als er 2019 die mehrheitlich von Eis bedeckte und zu Dänemark gehörende Insel mit ihren 57.000 Einwohnern kaufen wollte.
    Schon vor Beginn seiner zweiten Amtszeit sagte Trump, die USA seien der Ansicht, dass es „im Interesse der nationalen Sicherheit und der Freiheit in der Welt" eine „absolute Notwendigkeit" sei, Grönland zu besitzen und zu kontrollieren. „Das ist ein Deal, der zustande kommen muss". Dabei schloss der heutige US-Präsident militärische oder wirtschaftliche Maßnahmen nicht aus, um die Kontrolle über Grönland zu erlangen.

    Geostrategische Bedeutung

    Für die USA ist die größte Insel der Erde tatsächlich von hoher geostrategischer Bedeutung. Sie haben dort einen Luftwaffenstützpunkt mit einem Frühwarnsystem für ballistische Raketen, da der kürzeste Weg von Europa nach Nordamerika über Grönland führt. Durch den Klimawandel schmilzt zudem das Eis ab, die Arktis wird damit besser für die Schifffahrt nutzbar und Grönland damit strategisch noch wertvoller.
    Für die USA sei es von entscheidender Bedeutung, dass keine anderen Großmächte auf der Insel Fuß fassen, erklärte der Grönland-Experte Ulrik Pram Gad vom Dänischen Institut für Internationale Studien. So hätten die USA Interesse an einer stärkeren militärischen Präsenz vor Ort bekundet, um die Gewässer zwischen Grönland, Island und Großbritannien zu überwachen - diese gelten als Tor für russische Marineschiffe und Atom-U-Boote.
    Kremlsprecher Dmitri Pesko betonte als Antwort auf Trumps Vorstoß im Bezug auf Grönland: "Wir sind dort präsent und werden es weiterhin sein." Die „dramatische Entwicklung“ werde von der russischen Regierung genau verfolgt, "Gott sei Dank" handele es sich bisher nur um "Ankündigungen".

    Reichhaltige Bodenschätze

    Grönland ist nicht nur ein strategischer Knotenpunkt – in und um die Insel schlummern wertvolle Bodenschätze. Dabei geht es insbesondere um seltene Erden. Dänische Forscher gehen davon aus, dass in Grönland 35 Millionen Tonnen dieser Rohstoffe lagern; das könne beispielsweise den europäischen Bedarf für mehrere Jahrzehnte sichern.
    Außerdem schlummern in Grönlands Boden Gold, Diamanten, Uran, Zink, Blei sowie große Mengen an Öl und Gas. Die grönländische Regierung unter Führung der linksgrünen Partei Inuit Ataqatigiit hat die Förderung von Öl und Erdgas jedoch verboten, um den Klimawandel nicht noch weiter anzufachen. Gefördert werden soll nur das, was die Welt für die grüne Transformation benötigt. Das Land möchte zudem Potenziale der Wasserkraft ausschöpfen und zeigt sich bereit, bei der Lagerung von CO2 zu helfen.
    Grönland ist mit seinen Eismassen besonders stark vom Klimawandel  betroffen. Die Arktis erwärmt sich laut einer Studie seit 1979 viermal schneller als der Rest des Planeten und die grönländische Eiskappe schmilzt immer schneller ab. Schmilzt sie vollständig, könnte der Meeresspiegel Simulationen zufolge um mehr als sieben Meter ansteigen.  Gleichzeitig erhöht der Klimawandel den Wert von Grönlands Bodenschätzen, weil die Ressourcen durch das Schmelzen des Eisschildes leichter zugänglich wird.
    Donald Trump ist nicht der erste US-Präsident, der an Grönland interessiert ist. Als Grönland noch eine dänische Kolonie war, wollten die USA unter dem damaligen Präsidenten Harry Truman die Insel 1946 als strategisches Gut während des Kalten Krieges für 100 Millionen Dollar in Gold kaufen. Doch bereits damals lehnte die Regierung in Kopenhagen den Verkauf ab.
    Die USA hinken im Wettlauf um die Vorherrschaft in der Arktis ihren Rivalen Russland und China hinterher: Russland arbeitet schon seit Jahrzehnten daran, wie es die Arktisregion strategisch erschließen kann, China hat schon vor einiger Zeit begonnen, in die Rohstoffförderung in Grönland zu investieren. Darum sagt Trump: „Wir werden es bekommen, auf die eine oder andere Weise“.

    Warum Grönland zu Dänemark gehört

    Geografisch liegt Grönland in Nordamerika, politisch ist es aber mit Dänemark verbunden. Vor etwa 4500 Jahren haben Inuit Grönland besiedelt, im 10. Jahrhundert entdeckte der Wikinger Erik der Rote die Insel und taufte sie „grünes Land“. Im 18. Jahrhundert wurde Grönland von Dänemark kolonisiert. 1973 wurde Grönland als Teil Dänemarks Mitglied der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und später Mitglied der Europäischen Union.
    Die Grönländer, noch immer zu 90% Inuit, pochen aber schon seit Jahrzehnten auf stärkere Unabhängigkeit. Im Jahr 1979 erreichten sie einen Autonomiestatus von Dänemark, 1982 sagten sie sich im Rahmen dieser Autonomie mittels einer Volksbefragung von der Europäischen Union los, 1985 verließ Grönland schließlich die EU.
    Grönländer sind somit zwar dänische Staatsbürger, aber keine EU-Bürger. In der Außenpolitik stimmen sich Grönland und Dänemark jedoch ab. Abgesehen von der Außen- und Verteidigungspolitik darf die grönländische Politik nahezu alle administrativen Aufgaben in die eigene Verantwortung übernehmen. Bisher werden aber nur die Fischerei und der Bergbau in Grönland verwaltet.
    Die dänische Ministerpräsidentin Mette Frederiksen hatte in Antwort auf Trump gesagt, sie habe nicht die Fantasie, sich vorzustellen, dass Trumps Übernahme-Pläne für Grönland jemals umgesetzt werden könnten. Sie erinnerte daran, dass "Grönland den Grönländern gehört". Dänemark sei jedoch offen für einen Dialog über die Arktis-Interessen der USA, sagte Außenminister Lars Lökke Rasmussen.

    Wie sich die EU positioniert

    Die Europäische Kommission bezeichnete die Drohungen Trumps als "sehr hypothetische Frage". Kommissionssprecherin Paula Pinho verwies jedoch auf eine gegenseitige Verteidigungsklausel der 27 EU-Mitgliedsländer im Falle eines Angriffs auf das zu Dänemark gehörende Grönland. Die für Außenpolitik zuständige Sprecherin Anitta Hipper betonte, "dass die Souveränität der Staaten respektiert werden muss".
    Auch der scheidende Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat die Anschluss-Drohungen des heutigen US-Präsidenten vehement zurückgewiesen: "Das Prinzip der Unverletzlichkeit von Grenzen gilt für jedes Land - egal ob es im Osten von uns liegt oder im Westen", sagte Scholz. "Daran muss sich jeder Staat halten - egal ob es ein kleines Land ist oder ein sehr mächtiger Staat." Auch aus weiteren Teilen Europas kam Kritik: Die französische Regierung bezeichnete Trumps Drohungen als "Form von Imperialismus".

    pto / pj