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Größte Methanquelle in den Weltmeeren

Geophysik. - Die meisten Schlammvulkane brodeln vermutlich unter Wasser. Genaues weiß man nicht, weil niemand einen Überblick hat. Sie sind die größten Methanquellen in den Weltmeeren. Der Geologe Gerhard Bohrmann vom Zentrum für marine Umweltwissenschaften Marum in Bremen erklärt das Phänomen.

Gerhard Bohrmann im Gespräch mit Gerd Pasch |
    Pasch: Herr Professor Bohrmann, wie viele Schlammvulkane gibt es eigentlich?

    Bohrmann: Ja, das ist gar nicht einfach zu beantworten, denn die Schlammvulkane an Land, die kennen wir ganz gut. Es gibt vielleicht 1100, 1200. Wir können sie sehr gut untersuchen. Aber der Ozean ist sehr viel größer und wir wissen eigentlich gar nicht, wie viele Schlammvulkane es gibt. Sie sehen ähnlich aus: Das sind also Strukturen, die haben Kegel, genauso wie andere, magmatische Vulkane auch. Sie haben einen Förderkanal und in dem Förderkanal wird Schlamm und Gas und Wasser transportiert bis zur Meeresbodenoberfläche, und dort bilden sie dann diese morphologischen Strukturen. Es gibt aber einen großen Unterschied im Ozean, denn das Gas, das dort austritt, das Methan, wird bei bestimmten Temperatur-Druck-Verhältnissen zu einer festen Substanz umgebildet, das ist das so genannte Methanhydrat. Und dieses Methanhydrat kann natürlich einen Förderkanal verstopfen und dadurch einen erhöhten Druck aufbauen. Und wenn der Druck wieder groß genug ist, kann nun das ganze Material explosionsartig aus dem Vulkan herausgeschleudert werden.

    Pasch: Herr Bohrmann, was führt denn eigentlich dazu, dass so ein Schlammvulkan im Meer unter Wasser zum Ausbruch kommt?

    Bohrmann: Na, Sie brauchen verschiedene Dinge dazu. Einmal den Schlamm, Sie brauchen also sehr feinkörnige Ablagerungen, meistens tonreiche Ablagerungen, die mit sehr viel Wasser bei großen Geschwindigkeiten abgelagert werden und dann von Gesteinen wieder überdeckt, überlagert werden. Und bei diesem Überlagerungsdruck kommt es zu einer Entwässerung dieser schlammartigen Sedimente darunter. Das heißt, der Druck steigt und es wird zusätzlich Methan gebildet, aus dem organischen Kohlenstoff, der dort vorhanden ist. Und durch dieses zusätzliche Gas entsteht ein zusätzlicher Druck, und der möchte natürlich, dass das ganze Material dann nach oben steigt, und meistens ist das in bestimmten Regionen der Fall, wo wir sowieso Plattengrenze haben. An diesen Platten Grenzen bewegen sich die Platten und es gibt einen Druck, der sich dann aufbaut, und der führt dazu, dass durch bestimmte Bewegungen solche Bahnen geschaffen werden, in denen Schlammvulkane, Schlamm nach oben steigt und Schlammvulkane gebildet werden.

    Pasch: In Indonesien kennen wir Lusi an Land. Aber wo liegen denn die Schlammvulkane jetzt unter Wasser? In welchen Ozeanen, in welchen Meeresregionen sind sie?

    Bohrmann: Eigentlich in allen Regionen kommen sie vor. Sie kommen gehäuft an Kontinentalrändern vor, zum Beispiel im Pazifik, wo wir eine abtauchende ozeanische Platte unter den Kontinent haben. Dort haben wir also eine Kompression, die entsteht durch diese Plattenbewegungen, also entlang der Westküste von Nord und Südamerika haben Sie solche Schlammvulkane. Sie haben Schlammvulkane in Bereichen, wo große Flüsse in den Ozean hineinmünden, und es gibt natürlich auch andere Bereiche, wie zum Beispiel im Nordatlantik, wo Sie Schlammanreicherungen durch Gletscher, durch ehemaligen Gletschertransport gehabt haben, die dann viel Material im Ozean akkumuliert haben.

    Pasch: Sie sind auf die Suche nach einem solchen Schlammvulkan im Schwarzen Meer gegangen. Was haben Sie denn da gesehen?

    Bohrmann: Wir sind zur Zeit in einem Bereich aktiv südlich der Krimhalbinsel in dem so genannten Sorokin-Trog, das ist ein größeres Becken, was durch den Kaukasus, durch die Kaukasusauffaltung, die Gebirgsbildung, im Zusammenhang damit steht. Und dort sind nun die Steine, die zum Teil 40 oder 50 oder 60 Millionen Jahre alt sind, sehr tief versenkt, fünf bis sechs Kilometer. Und in diesem Bereich haben wir Schlammaufstieg mit besonders vielen Schlammvulkanen an der Meeresoberfläche.

    Pasch: Nicht nur Schlamm kommt dort heraus, sondern auch Gas. Davon haben Sie eben schon gesprochen. Wie sieht das denn da unten aus, ist das ein lebensfeindlicher Bereich?

    Bohrmann: Ja, das Schwarze Meer generell ist sauerstofffrei, der tiefere, das tiefere Wasser. Man hat etwa Sauerstoff in den oberen 120 m. Das Schwarze Meer ist aber 2200 Meter tief. Das heißt, der untere Bereich ist vollkommen sauerstofffrei. Und das liegt daran, dass wir im Schwarzen Meer hohe Methanemissionen haben, vor allem an Schlammvulkanen. Dieses Methan weicht in die Wassersäule aus und wird dort mikrobiell umgesetzt. Und bei dieser mikrobiellen Zersetzung wird der Sauerstoff aufgebraucht. Wir haben also einen sauerstofffreien Ozean durch diese intensiven Methanemissionen.

    Pasch: Und welchen Einfluss, welche Beziehungen gibt es da möglicherweise auch zum Klima?

    Bohrmann: Ja, das ist ein Thema, was uns natürlich ganz besonders bewegt. Wenn dieses Methan in die Atmosphäre gelangt, dann ist es ein Treibhausgas, ein sehr viel effektiveres Treibhausgas als CO2. Und es gibt gerade im östlichen Schwarzen Meer immer wieder Berichte, historische Berichte vom Kaukasus her, aber auch von der Türkei her, dass man gesehen hat, dass die Luft über dem Wasser brennt. Und man kann sich das eigentlich nur vorstellen, dass das Methan sich dort entzündet. Das heißt, das ist so ein Indiz dafür, dass das Methan auch wirklich vom Meeresboden in die Atmosphäre gelangt. Und das ist für uns Anlass gewesen, dort intensive Untersuchungen durchzuführen.

    Pasch: Also gar nicht so ohne, dieses Schlammvulkane, sowohl im Wasser als auch an Land. Wenn man sie anbohrt, beispielsweise, dann ist das eine kleine Umweltkatastrophe, die über Jahre möglicherweise anhält. Wie sehen Sie denn grundsätzlich dieses Gefahrenpotenzial?

    Bohrmann: Also an Land sind sie natürlich mit verheerenden Folgen versehen. Wir sehen das ja bei Lusi, aber mit diesem Schlamm kommt auch Schwefelwasserstoff nach oben. Und wir haben in diesen Bereichen, wo Schlammvulkane existieren, auch riesige Probleme mit dem Grundwasser zum Beispiel. Und am Ozeanboden ist das etwas schwieriger, aber für uns trotzdem interessant, weil wir nicht wissen, wie groß sind die Emissionen eigentlich aus dem Ozean in die Atmosphäre hinein. Und die Schlammvulkane sind die effektivsten Methanemissionen, die wir kennen im Ozean, und deshalb ist es von besonderem Interesse.

    Pasch: Und wenn, wie geplant immer mehr und immer tiefer nach Rohöl oder Gas in den Ozeanen gebohrt wird, wie groß ist das Risiko, dass dann die Explorationsteams da eingehen?

    Bohrmann: Das ist ein bekanntes Risiko, das kennen die Explorationsteam sehr genau. Und sie müssen sich da ein sehr genaues Bild auch der Reservoirs verschaffen., Den so ein Schlamm Vulkan wie Lucy, der ist natürlich so lange aktiv, wie auch Schlamm im Untergrund vorhanden ist. Das ist also eine Reservoirfrage, und die Geophysikerteams, die können also sehr tief, mehrere Kilometer tief in die Erde hineinschauen und müssen dann natürlich Abschätzungen dieser Reservoirs durchführen und müssen dann auch bei ihren Bohraktivitäten sehr genau beachten, wo sie etwas ins Ungleichgewicht bringen können, denn beim Bohren gibt es gewisse Entlastungen, und das kann dazu führen, dass man auch so einen Schlammvulkan induziert.

    Pasch: Wie lange wird dieser Schlammvulkan dennoch vor sich hin blubbern müssen?

    Bohrmann: Naja, das ist natürlich ein sehr aktives System, Lusi, man kann anhand der Reservoirs schon einige Jahrzehnte prognostizieren, das kann also noch sehr lange dauern. Nun hat man meistens nicht immer kontinuierliche Aktivität, es gibt also Stillstandsphasen, wo dann auch weniger passiert. Aber dann gibt es auch wieder heftigere Eruptionsphasen, wo dann sehr schlagartig etwas passiert. Ich würde also sagen, wir müssen da noch einige Jahre, Jahrzehnte damit rechnen, dass Lusi aktiv ist.