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GroKo-Streit um Grundrente
Schneider (SPD) verspricht Start der Grundrente am 1. Januar 2021

Die Grundrente sei ein klares soziales Anliegen, "auch für den sozialen Zusammenhalt", sagte der SPD-Politiker Carsten Schneider im Dlf. Sowohl CDU/CSU, als auch seine Partei hätten sie bereits zweimal versprochen. Eine Verschiebung werde es nicht geben. Auch die Union werde am Ende zustimmen.

Carsten Schneider im Gespräch mit Dirk-Oliver Heckmann |
Der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD, Carsten Schneider, nimmt am 27.09.2017 in Berlin im Bundestag an der SPD-Fraktionssitzung teil.
Der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD, Carsten Schneider (dpa/ picture alliance/ Kay Nietfeld)
Am Mittwochabend (29.01.2020) verhandelt die GroKo erneut über die Grundrente. Monatelang hatten Union und SPD um einen Kompromiss für die Grundrente gerungen und sich dann geeinigt. Doch jetzt ist die Union mit dem Gesetzentwurf nicht zufrieden, den Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) vorgelegt hat. Dieser entspreche nicht dem, was man vereinbart habe. Unter anderem geht es darum, ob die Grundrente schon nach 33 Beitragsjahren gezahlt werden soll, die volle Grundrente dann ab 35 Beitragsjahren. Die Union ist damit nicht einverstanden. Auch die Finanzierung ist noch nicht gesichert. Über diesen Komplex sprechen wir mit Carsten Schneider, Erster Parlamentarischer Geschäftsführer der SPD-Bundestagsfraktion.
Dirk-Oliver Heckmann: Die Union hat ja gefordert, die SPD müsse einen neuen Entwurf vorlegen, der dem Koalitionsvertrag und dem bisherigen Kompromiss entspricht. Außerdem hat die Union eine Verschiebung der Grundrente ins Spiel gebracht. Da Sie ja, Herr Schneider, die Koalition offenbar bis zum bitteren Ende weiterführen möchten, sind Sie bereit, auch das zu schlucken?
Carsten Schneider: Nein. Grundsätzlich gilt das, was wir bei diesem Punkt mit der Koalition gemacht haben, dass diese Regierung ein Mandat für vier Jahre hat, wie auch die Abgeordneten, dass aber natürlich das nur gilt, wenn man übereinstimmt in grundlegenden Fragen. Die Grundrente ist eine grundlegende Frage. Darüber hat der Koalitionsausschuss schon entschieden. Worum geht es? Wir sind im 30. Jahr der deutschen Einheit. Ein großer Teil gerade vieler Ostdeutscher, vieler aus meinem Bekanntenkreis, haben ihren Job nach der Wende verloren, mussten Billigarbeit machen, unter ihrer Qualifikation, schlechte Löhne, und trotzdem haben sie gearbeitet, und die sollen eine Rente bekommen, die höher ist als die Grundsicherung für Leute, die nie gearbeitet haben und nie eingezahlt haben. Das, finde ich, ist ein ganz klares soziales Anliegen auch für den sozialen Zusammenhalt, und ich bin mir ganz sicher, die Union wird dem am Ende auch zustimmen. Ich nehme das jetzt zur Kenntnis, aber Hubertus Heil hat einen Gesetzentwurf gemacht. Der ist ganz klar anhand der Koalitionsbeschlüsse. Und das wird dann auch den Bundestag passieren.
Tobias Hans (CDU), Ministerpräsident des Saarlandes
Saarländischer Regierungschef Hans (CDU) - "Die Finanzierung der Grundrente muss generationengerecht sein"
Der saarländische Ministerpräsident Tobias Hans (CDU) fordert eine solide Finanzierung der geplanten Grundrente. Menschen, die jahrzehntelang gearbeitet hätten, müssten auch von ihrer Rente leben können, sagte Hans im Dlf. Dafür dürfe es aber keine einseitige Belastung kommender Generationen geben.
Heckmann: Das heißt, eine Verschiebung kommt für die SPD auf gar keinen Fall in Frage?
Schneider: Diese Grundrente hat für viele Menschen in Deutschland eine hohe Bedeutung und diese beiden Parteien, die diese Regierung tragen, haben das schon zweimal zu Bundestagswahlen im Programm gehabt und versprochen. Ich empfinde es als eine Frage der Akzeptanz, auch von Wählern gegenüber der Regierung, ob man solche Punkte auch durchsetzt oder nicht, und ich bin dafür, sie durchzusetzen, und wir werden die auch durchsetzen.
Heckmann: Ist keine klare Antwort auf meine Frage.
Schneider: Was war die noch mal genau?
"Nein! Die wird zum 1. Januar 2021 in Kraft treten"
Heckmann: Meine Frage war gewesen, ob eine Verschiebung auf gar keinen Fall in Frage kommt.
Schneider: Ach so: eine Verschiebung. – Nein! Die wird zum 1. Januar 2021 in Kraft treten. So ist das verabredet. Die CDU ist immer schnell bei der Subvention von Unternehmen oder von Erben, aber wenn es darum geht, armen Leuten ein bisschen mehr fürs Leben zu geben, dann ist sie nicht ganz so schnell. Wir sind da schneller und deswegen wird das auch so kommen.
Heckmann: Herr Schneider, Sie sagten gerade, der Gesetzentwurf, der von Herrn Heil vorgelegt worden ist, der orientiere sich und entspreche dem Koalitionsvertrag und den bisherigen Ergebnissen. Bisher war aber Konsens, dass Rentenbezieher, die 35 Jahre lang eingezahlt haben, diese Grundrente erhalten sollen. Der Sozialminister, Hubertus Heil, will jetzt aber, dass auch jene zum Zuge kommen, die nur 33 Jahre Beiträge geleistet haben. Weshalb geht die SPD über den Koalitionsvertrag und über das bisher Erzielte immer wieder hinaus, wenn Sie doch sagen, man soll sich doch bitte an das halten, was vereinbart worden ist?
Schneider: Nein, ich habe gesagt, natürlich geht der Vorschlag der SPD weit über den Koalitionsvertrag hinaus. Darüber gibt es aber bereits eine Einigung im letzten Koalitionsausschuss, die Malu Dreyer noch mit Herrn Söder auf der Unions-Seite verabredet hat, dass wir eine höhere Grundrente letztendlich bezahlen, aber auch sie so unbürokratisch wie möglich machen. Eines der Anspruchskriterien, die ich für zentral halte, ist, dass jemand gearbeitet hat, und dann gibt es die Frage, macht man so eine Abbruchkante direkt bei 35 Jahren. Das war mal unser Punkt, 35 Jahre. Auch aus der Opposition und auch von vielen anderen gab es die Vorschläge, nein, macht eine langsame Gleitzone, damit es nicht so eine harte Kante gibt, 34 Jahre und elf Monate kriegt nichts und 35 Jahre bekommt etwas. Eine Gleitzone dort einzuziehen, das ist der Vorschlag, der jetzt im Kabinett liegt. Ich bin auch für andere Vorschläge dankbar. Aber ansonsten gilt, dass wir im Parlamentsverfahren – da sind wir ja noch lange nicht …
Heckmann: Das heißt, diese Gleitzone, Herr Schneider, die könnte auch entfallen aus Ihrer Sicht, wenn Sie sagen, Sie sind da offen für andere Vorschläge?
Schneider: Nein, nein! Ich habe gesagt, Hubertus Heil hat bereits einen anderen Vorschlag aufgenommen. Das ist ja einer der Punkte, die bereits vereinbart wurden, dass man langsam dort vorankommt. Ich finde das klug und ich sehe nur keine anderen Vorschläge. Ich habe manchmal den Eindruck, um da einen Punkt zu machen, dass es insbesondere bei der Unions-Seite bei der Grundrente um ein ungeliebtes Kind geht. Sie wollten das nie in dem Maße und die SPD hat das durchgesetzt, und jetzt wird Versucht, an allen möglichen Punkten herumzukritteln. Es geht doch um drei Millionen Menschen, gerade die mit den geringsten Renten und Einkommen, und deswegen machen wir uns für die auch stark und wir ziehen da auch nicht zurück.
"Es gibt aber noch andere Interessenten, die noch mitmachen wollen"
Heckmann: Finanziert werden soll diese Grundrente ja über eine europäische Transaktionssteuer. Problem ist bloß: Kaum ein Land macht mit. Auch Österreich hat jetzt gesagt, so wie das jetzt angedacht ist, da sind wir auf keinen Fall dabei. Und die Union, die sagt jetzt, das wäre dann ein Problem von Finanzminister Scholz, und solange es diese Finanztransaktionssteuer nicht gibt, die Erträge daraus, sollte es auch keine Grundrente geben.
Schneider: Zunächst mal finde ich bemerkenswert, was unter einer schwarz-grünen Regierung in unserem Nachbarland Österreich passiert. Das sind zwei Dinge. Das ist erstens der berechtigte Punkt mit der Finanztransaktionssteuer, die ja die Grünen angeblich auch immer wollten. Das stellt der Finanzminister dort jetzt grundsätzlich infrage. Warum sind andere Länder wichtig, weil wir das im Zuge der gemeinsamen Zusammenarbeit mit mehreren Ländern in der Europäischen Union machen wollen, und da sind mindestens neun erforderlich. Es sind jetzt, glaube ich, zehn. Es gibt aber noch andere Interessenten, die noch mitmachen wollen. Deswegen ist Olaf Scholz dabei, auch diese Woche gewesen in Brüssel, einen gemeinsamen Vorschlag und Linie innerhalb der Gruppe der Staaten, die sie gemeinsam einführen wollen, zu erreichen.
Heckmann: Und die Signale sind eher ablehnend.
Schneider: Nee, sind sie nicht! Es gibt einen Prozess. Ich muss Ihnen ehrlich sagen: Ich verfolge dieses Thema seit jetzt zehn Jahren. Das ist nicht nur ein Punkt der Finanzkrise. Nicht nur die Bürger zahlen die Zeche für die Exzesse an den Finanzmärkten, sondern die Aktionäre selbst, und genau das schlägt die SPD mit vor mit einem relativ geringen Betrag, 0,2 Prozent einer Umsatzbesteuerung, die es sonst nicht gibt, und wirbt in anderen europäischen Ländern dafür. Was man nur sieht ist, Beispiel Österreich, da wird die Mittelmeer-Mission Sophia gekillt und es wird auch versucht, die Finanztransaktionssteuer zu hintertreiben. Dass das mit Schwarz-Grün eine ganz andere Schlagseite hat, als wenn dort Sozialdemokraten regieren, das macht es schwerer, aber es wird trotzdem kommen.
"Was soll eine Unternehmenssteuersenkung bringen?"
Heckmann: Herr Schneider, lassen wir in Berlin, in Deutschland bleiben. Sie haben die Forderungen der Union nach Steuersenkungen für Unternehmen angesprochen. Wie wahrscheinlich ist es denn, dass sich die SPD da auf einen Kuhhandel einlässt – nach dem Motto, mehr Leute erhalten die Grundrente und dafür bekommen die Unternehmen eine Steuersenkung?
Schneider: Die Frage ist ja, was ist notwendig und wo gibt es eine ökonomische Notwendigkeit auch, die Konjunktur, die in Deutschland nicht gerade brummt, sondern eher im unteren Bereich, unter ein Prozent liegt, zu stimulieren und dort auch Impulse reinzugeben. Im letzten Jahr hatten wir ein Wachstum von 0,6 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Das war rein induziert durch fiskalische Impulse der Bundesregierung. Da sind Punkte wie Steuersenkungen dabei gewesen, für Familien insbesondere, aber auch noch die Wiederherstellung der Parität in der Krankenversicherung, macht sieben Milliarden für die Beschäftigten, ist eine Belastung der Unternehmen gewesen, für Beschäftigte mehr Netto – hat funktioniert. Jetzt frage ich mich, was soll eine Unternehmenssteuersenkung bringen, außer dass der Dumping-Wettlauf nach unten weitergeht. Und da auch wieder ein Blick über den Tellerrand: Die Argumente der Union sind, alle anderen Länder machen das und da müssen die Unternehmen auch weniger Steuern zahlen. Ich halte das für falsch, aus einem ökonomischen und aus einem politischen Grund. Ökonomisch machen die Unternehmen so viele Gewinne wie noch nie – Sie brauchen sich nur die DAX-Zahlen angucken – und sie schütten sie aus, entweder an die Aktionäre als Einkommen, oder die Schulden im Unternehmen werden getilgt, aber es wird zu wenig investiert.
Heckmann: Trotzdem sagt Ihr Parteichef Norbert Walter-Borjans, über Steuersenkungen kann man sprechen.
Schneider: Ja, für einfache Leute. Man darf jetzt Äpfel mit Birnen nicht vergleichen. Nicht Unternehmenssteuern vergleichen mit Entlastungen für untere und mittlere Einkommen. Das ist ein großer Unterschied, ein riesengroßer Unterschied, wer was bekommt. Wir sind persönlich als Sozialdemokraten der Auffassung, dass die Situation von Familien, von unteren und mittleren Einkommen verbessert werden muss. Da sind wir auch dabei und das haben wir auch absolut im Blick und das hat für uns neben Investitionen eine Priorität. Unternehmenssteuersenkungen gehen an dem Ziel aus meiner Sicht vollkommen vorbei.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.