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GroKo-Vereinbarungen
"Ein 'Gut' würde ich sicherlich vergeben"

Die bisherigen Ergebnissen der Koalitionsverhandlungen seien ein Beitrag dazu, das Leben der Menschen in Deutschland zu verbessern, sagte Gustav Adolf Horn vom gewerkschaftsnahen Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung im Dlf. Viele Kürzungen, die man den Menschen aufgebürdet habe, würden wieder zurückgenommen.

Gustav Adolf Horn im Gespräch mit Jörg Münchenberg |
    Horst Seehofer, Ministerpraesident von Bayern und CSU Parteivorsitzender, Bundeskanzlerin Angela Merkel, CDU, und Martin Schulz, Parteivorsitzender der SPD, geben im Willy-Brandt-Haus die Ergebnisse der Sondierungsgespraeche bekannt. Berlin, 12.01.2018.
    Weil die Verhandlungsparteien einander nicht sehr vertrauten, sei viel Klein-Klein in den Verhandlungsergebnissen, sagt Gustav Adolf Horn (imago stock&people)
    Jörg Münchenberg: Ein Scheitern der Koalitionsgespräche kann zwar theoretisch immer noch nicht ausgeschlossen werden, aber eigentlich sind sich Beobachter wie Beteiligte relativ sicher. SPD, CSU und CDU werden sich auf einen Koalitionsvertrag verständigen, vielleicht sogar schon heute. Aber dann wird es noch mal spannend, denn am Ende muss auch bekanntlich die SPD-Basis einen Koalitionsvertrag absegnen.
    Zugehört hat Gustav Adolf Horn vom gewerkschaftsnahen Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung. Herr Horn, ich grüße Sie.
    Gustav Adolf Horn: Guten Tag!
    Münchenberg: Herr Horn, können Sie sich jetzt noch vorstellen, dass die Koalitionsgespräche auf den letzten Metern scheitern könnten?
    Horn: Eigentlich nicht. Dazu hat man zu viel Arbeit hineingesteckt, auch in zu vielen Punkten Einigung erzielt und auch neue Dinge verabschiedet. Es wäre ja alles vergebliche Zeit gewesen, wenn man das jetzt in den letzten Stunden würde scheitern lassen. Ich glaube, hier müssen die politisch Verantwortlichen dann auch die Verantwortung und insbesondere die SPD-Mitglieder vor ihrer Partei übernehmen und das der Öffentlichkeit vorlegen.
    "Da sind sehr viele gute Vorschläge dabei"
    Münchenberg: Herr Horn, lassen Sie uns mal auf das schauen, was bislang bekannt ist. Das hört sich ja schon alles sehr ausgewogen an: Hier mehr Geld für den sozialen Wohnungsbau, dort ein bisschen Steuererleichterungen und auch mehr Kindergeld, Festschreibung des Rentenniveaus bei 48 Prozent bis 2025. Hat potenziell Schwarz-Rot bislang aus Ihrer Sicht die richtige Mischung gefunden?
    Horn: Nun ja, da sind sehr viele gute Vorschläge bei. Alles das, was Sie genannt haben, sind ja Dinge, die die Menschen in diesem Lande besserstellen als vorher. Es geht im Grunde genommen dahin, dass man vieles von dem, was man an Kürzungen den Menschen auferlegt hat, jetzt teilweise zurücknimmt – ich denke da insbesondere an die Rentenentscheidung –, und gleichzeitig auch neue Probleme, die aufgetaucht sind, in Angriff nimmt – ich denke an die Beschlüsse zum Wohnungsmarkt. All dies ist sicherlich aus Sicht der Menschen sinnvoll. Es ist ein Beitrag dazu, ihr Leben besser zu machen, und insofern denke ich, das ist ein guter Weg, auf dem die Koalitionäre oder potenziellen Koalitionäre gerade sind.
    Münchenberg: Das heißt, Sie würden der nächsten Großen Koalition schon mal vorab eine Note eins geben für das, was sie vorhat?
    Horn: Eins wäre sicherlich sehr hoch gegriffen. Dafür erwartet man Außergewöhnliches. Außergewöhnlich halte ich das nicht, aber ein "gut" würde ich sicherlich vergeben.
    "Es geht darum, die Globalisierung zu demokratisieren"
    Münchenberg: Was fehlt denn aus Ihrer Sicht?
    Horn: Es fehlt sicherlich der handlungsleitende Gedanke. Das ist ja auch das, was in der öffentlichen Meinung sehr viel kritisiert wird. Hier fehlt es mir noch an einer Darstellung, warum man dies eigentlich alles macht. Aus meiner Sicht geht es darum, die Globalisierung zu demokratisieren. Das meine ich nicht in einem formalen politischen Prozess, sondern die Teilhabe an der Globalisierung weiter zu gestalten. Bisher ist die Globalisierung von vielen Menschen als Bedrohung empfunden worden, was mit Kürzungen zum Beispiel bei Renten verbunden ist. Diesen Gedanken hebt man durch diese Beschlüsse auf und das muss man den Leuten auch erklären, dass man damit einen anderen Ansatz findet, die Globalisierung gerecht zu gestalten.
    Münchenberg: Nun hat der Parteivorsitzende der Grünen, Robert Habeck, heute Morgen in diesem Programm der potenziellen schwarz-roten Koalition vorgeworfen, er vermisse die großen Linien. Stattdessen werde viel im Klein-Klein weitergewurstelt. Sehen Sie das ähnlich?
    Horn: Es ist viel Klein-Klein in diesem Koalitionsvertrag, weil man sich ja auch nicht so besonders gut vertraut. Dann muss man auch die kleinen Dinge formal sehr korrekt lösen. Aber ich denke, man muss schon auch noch mal erklären, warum man dies alles macht, und das ist sicherlich, warum man sich diesem Vorwurf im Moment aussetzt. Wir kennen eine Vielzahl von Einzelmaßnahmen, wir kennen noch nicht den Gedanken, der dabei handlungsleitend war, warum man dies alles macht.
    "Entscheidung zum Soli hätte ich anders gestaltet"
    Münchenberg: Ich muss das jetzt fragen; Sie vertreten ja ein gewerkschaftsnahes Institut. Das Geld, was die mögliche Große Koalition in die Hand nehmen will – da ist ja von bis zu 50 Milliarden Euro die Rede –, reicht das aus, oder hätten Sie gerne gesagt, da hätte man noch mehr machen können?
    Horn: Sicherlich hätte ich einige Dinge anders geregelt. Zum Beispiel die Entscheidung zum Solidaritätsbeitrag hätte ich anders gestaltet. Ich hätte sie verteilungsneutraler gemacht. Hier werden am Ende des Tages sicherlich doch die höheren Einkommen profitieren. Ich hätte auch sicherlich beim Wohnungsmarkt mir noch mehr gewünscht. Ich habe noch große Sorgen über die anstehende Entscheidung zur Gesundheitsreform, ob das nicht letztlich teurer wird für die gesetzlich Versicherten. Da kann man auch noch Kritik dran üben. Die Richtung stimmt im Prinzip, aber man muss es noch viel besser erklären.
    Münchenberg: Auf der anderen Seite, weil Sie die Spitzenverdiener angesprochen haben: Die müssen ja den Soli weiter in voller Höhe bezahlen.
    Horn: Das ist richtig. Aber ich weiß nicht, ob es nicht besser und sauberer gewesen wäre, den Solidaritätsbeitrag einfach in den Einkommenssteuertarif zu integrieren und vielleicht auch noch den Spitzensteuersatz anzuheben, denn wir haben ein ernstes Verteilungsproblem in Deutschland und das wird in der Tat mit diesem Koalitionsvertrag nur sehr begrenzt, wenn überhaupt angegangen.
    "Wir hätten für stärkere Vermögensbesteuerung plädiert"
    Münchenberg: Das heißt, Sie hätten auf jeden Fall für einen höheren Spitzensteuersatz plädiert?
    Horn: Dafür hätte ich plädiert und wir hätten sicherlich auch für stärkere Vermögensbesteuerung plädiert, sei es in Form der Erbschaftssteuer oder einer direkten Vermögenssteuer.
    Münchenberg: Nun gibt es ja, Herr Horn, bei der sachgrundlosen Befristung von Beschäftigungsverhältnissen noch keine Einigung. Aus Ihrer Sicht, wie groß ist da der Handlungsdruck?
    Horn: Es besteht ganz generell ein Handlungsdruck bei atypischen Beschäftigungsverhältnissen. Die haben ein Ausmaß angenommen, das viele Menschen in Verunsicherung schickt. Sie haben keinen festen Job, sie haben Befristungen, sei es sachgrundlos oder auch mit sachlichem Grund, und ich finde es wichtig, dass eine Regierung da herangeht und den Menschen, gerade den jüngeren Menschen etwas mehr Sicherheit gibt als in der Vergangenheit, damit wir diesen Sektor wieder auf ein Normalmaß zurückführen können.
    Münchenberg: Auf der anderen Seite sagt die Wirtschaft, das gibt uns die notwendige Flexibilität und das sei auch ein Grund dafür, dass Deutschland jetzt so erfolgreich ist.
    Horn: Hier muss man in der Tat einen Kompromiss finden. Selbstverständlich soll die Wirtschaft flexibel agieren, wenn sie beispielsweise eine Schwangerschaftsvertretung oder eine Krankheitsvertretung engagieren kann. Aber auf keinen Fall darf diese Flexibilisierung dazu benutzt werden, die Löhne zu drücken, und das ist in der Vergangenheit vielfach geschehen.
    "Ich rechne mit keinem großen Sprung, sondern kleinen Schritten"
    Münchenberg: Wenn man jetzt schaut, Herr Horn, was die SPD bei den Verhandlungen zum Flüchtlingsnachzug rausgeholt hat, da sagen ja doch viele Beobachter, es ändere sich faktisch durch diesen Kompromiss, den es jetzt gibt, gar nichts. Wie hoffnungsvoll sind Sie denn, dass die SPD zum Beispiel bei der sachgrundlosen Befristung von Beschäftigungsverhältnissen tatsächlich mehr herausholt oder das erreicht, was jetzt geändert werden muss?
    Horn: Nun ja, ich bin verhalten optimistisch, sagen wir. Man darf ja auch die Machtverhältnisse einfach nicht vergessen. Die CDU hat zehn Prozentpunkte mehr als die SPD, und es ist klar, wer der stärkere Partner in dieser Koalition ist. Insofern kann die SPD mit ihren Vorstellungen sicherlich keinen Durchmarsch erreichen. Aber schon jede marginale Verbesserung ist eine Verbesserung, und wenn man tatsächlich grundlegende Veränderungen will, dann ist der Wähler gefragt, dass er dies auch in seinem Abstimmungsverhalten zum Ausdruck bringt. Das hat er aber nicht und insofern ist die Macht der SPD beschränkt.
    Münchenberg: Das heißt, Sie rechnen auch an dieser Stelle eher mit kleinen Zugeständnissen?
    Horn: Ich rechne mit kleinen Zugeständnissen, mit Kompromissen, mit keinem großen Sprung, sondern kleinen Schritten.
    "Sie sind unwillig, aber sie stehen jetzt in der Verantwortung"
    Münchenberg: Nun ist es ja so, dass die SPD ursprünglich gar nicht in diese Koalition eintreten wollte. Jetzt wird man mehr oder weniger dazu gezwungen. Nehmen wir mal an, die SPD-Basis stimmt auch noch zu, Herr Horn. Wie kraftvoll kann denn diese neue Regierung tatsächlich sein, wenn man doch den Eindruck hat, da sitzen zwei Unwillige mit am Tisch, die jetzt regieren müssen, ob sie wollen oder nicht?
    Horn: Sicherlich sind sie unwillig und das bringen sie auch jederzeit zum Ausdruck. Aber tatsächlich stehen sie jetzt einfach in der Verantwortung und sie haben jetzt auch verhandelt, sie haben ein Ergebnis oder wahrscheinlich ein Ergebnis und dann müssen sie auch dazu stehen. Da muss man die Politiker dann auch in die Pflicht nehmen, sich mit diesem Ergebnis in die Öffentlichkeit zu stellen und es auch wirklich zu verantworten.
    Das schließt ja nicht aus, dass die einzelnen Parteien und auch die SPD (die CDU sicherlich auch) ihr inhaltliches Profil gleichzeitig schärfen, indem sie sagen, wenn wir alleine regieren würden, würden wir dieses oder jenes auch noch machen. Das ist ja nicht ausgeschlossen, dass sie sich gleichzeitig weiter an einem öffentlichen Diskurs über die anstehenden Probleme beteiligen. Sie müssen es sogar, damit der Bürger auch eine Wahl hat, wenn er denn wieder zur Wahlurne geht.
    Münchenberg: … sagt Gustav Adolf Horn vom gewerkschaftsnahen Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung. Herr Horn, besten Dank für das Gespräch.
    Horn: Gerne geschehen.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.