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Großbritannien
Boris Johnson - das Amt des Premiers als Dank für den Brexit?

Er war das Gesicht der Brexit-Kampagne und der Wortführer der Europagegner - nun ist Boris Johnson der aussichtsreichste Kandidat für David Camerons Nachfolge. Seine Beliebtheitswerte sind hoch - und das, obwohl er zum britischen Establishment gehört.

    Londons Ex-Bürgermeister und Brexit-Befürworter Boris Johnson vor seinem Haus nahe London.
    Londons Ex-Bürgermeister und Brexit-Befürworter Boris Johnson könnte neuer britischer Premierminister werden. (LEON NEAL / AFP)
    Das Brexit-Votum gebe den Briten die "glorreiche Gelegenheit", wieder die Kontrolle zu übernehmen. So freute sich Boris Johnson über das Ergebnis des Referendums. Gleichzeitg lobte er Premier David Cameron als einen "außerordentlichen Politiker", dessen Rücktritt er bedaure - dabei ist Johnson derzeit der aussichtsreichste Kandidat für Camerons Nachfolge.
    Mehrfach wurde Johnson in der Vergangenheit zum beliebtesten Politiker Großbritanniens gewählt. Bei der Bürgermeisterwahl in London hätte er gute Chancen auf eine weitere Amtszeit gehabt. Doch er trat nicht an. Und das hat wohl seinen Grund: Seine Entscheidung, sich für den Brexit einzusetzen, soll mit dem Hintergedanken auf ein höheres Amt innerhalb der Partei, den Tories, gefallen sein. Das werfen ihm auch seine Kritiker vor: Sie sagen, Johnson habe sich aus reinem Opportunismus an die Spitze des Brexit-Lagers gestellt und aus persönlichen Motiven die Zukunft der Insel aufs Spiel gesetzt.
    Hitler-Vergleich schadete ihm nicht
    Im Februar verkündete er seinen Entschluss, für den Brexit zu kämpfen und sich damit gegen seinen Parteifreund Cameron zu stellen. "Schweren Herzens" habe er sich dazu entschieden, sagte er damals. Er wolle nichts gegen Cameron und dessen Regierung unternehmen - dem Volk zuliebe habe er allerdings keine Wahl. Er versprach seinen Anhängern, das Brexit-Referendum werde zum "Unabhängigkeitstag" Großbritanniens werden. - Exakt so äußerte sich übrigens nach der Brexit-Entscheidung auch der Chef der rechtspopulistischen UKIP, Nigel Farage.
    Johnson konnte während der Kampagne viele Briten, denen Farage zu radikal war, überzeugen. Selbst sein Vergleich der EU mit Hitler schadete seinem Ansehen nicht. Das Rüpelhafte gehört zu seinem Image: Er schneidet Grimassen, flucht, stolpert, stürzt und pöbelt. Damit schafft er es, auch Menschen abseits des politischen Establishments anzusprechen.
    Politische Karriere begann 2001
    Johnson gehört wie Cameron dazu - zum heute so oft gescholtenen Establishment. Johnson besuchte das Elite-Internat Eton und studierte in Oxford. Er stammt aus einer wohlhabenden Politikerfamilie. Sein Vater war als Konservativer Mitglied im Europäischen Parlament, sein Bruder Jo ist Minister in Camerons Kabinett und seine Schwester Rachel arbeitet als Journalistin. Alle drei sprachen sich für den Verbleib in der EU aus. Johnson selbst begann seine politische Karriere 2001 als Abgeordneter, bevor er 2008 zum Bürgermeister von London gewählt wurde - eine Stadt, die traditionell eher links gewählt hatte.
    (cvo/tgs)