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Grossbritannien
Erfolg mit Provokation und Europakritik

Die Mitglieder der euroskeptischen UKIP-Partei fallen vor allem mit Provokationen, Beleidigungen und rassistischen Äußerungen auf. Trotzdem ist die Partei inzwischen sehr beliebt unter den Briten.

Von Jochen Spengler | 13.02.2014
    Dieser Spruch dürfte ihm schon oft leidgetan haben:
    "UKIP - das ist doch ein Haufen Spinner, Irrer und heimlicher Rassisten",
    spottete der heutige Premierminister David Cameron 2006 über die Konkurrenz am rechten Rand. Solche Arroganz des politischen Establishments hat vermutlich auch den Aufstieg der Anti-EU-Truppe befördert. Einer neuen Umfrage zufolge ist UKIP inzwischen die beim Wähler beliebteste Partei mit einem Zustimmungswert von 27 Prozent. In erster Linie liegt dies am charismatischen Führer, dem Europaabgeordneten Nigel Farage, der provoziert und polarisiert, wo er nur kann.
    Farage punktet mit Beleidigungen
    Seine Gegner halten ihn für einen gefährlichen Populisten; bei seinen Anhängern aber genießt der 49-jährige Kettenraucher und Biertrinker Kultstatus. Denn Farage hat auf alle komplizierten Probleme eine einfache, oft humorvolle Antwort. Er ist ein glänzender Redner und schreckt vor keiner Beleidigung zurück; die berühmteste lieferte er 2010, als er im EU-Parlament den neuen Ratspräsidenten Herman Van Rompuy begrüßte:
    "You have the charisma of a damp rag and the appearance of a low grade bank clerk. Who are you?"
    Wer Van Rompuy eigentlich sei, fragte Farage. Niemand in Europa habe je von ihm gehört und er habe das Charisma eines feuchten Putzlappens und das Erscheinungsbild eines kleinen Bankangestellten. Bei solchen Sprüchen Farages, der sich als Rächer des kleinen Mannes geriert, juchzen die Fans. Ken Clarke, politisches Urgestein der britischen Konservativen, die stetig Wähler an die Farage-Partei verlieren, brachte es vor einem Jahr auf den Punkt:
    "Das Ärgerliche an UKIP ist, dass es bloß eine Protestpartei ist, gegen die politischen Parteien, gegen Ausländer, gegen Einwanderer, aber wofür sie sind, wissen sie nicht."
    Es sei ein Haufen Clowns, ergänzte Clarke dann noch seine zutreffende, wenn auch taktisch höchst unkluge Analyse, die noch mehr Wähler in die Arme von UKIP getrieben hat. Nigel Farage bedankte sich prompt bei den Konservativen.
    "Ganz offen gesagt will ich, dass sie uns beschimpfen. Bitte seid so ungehobelt wie möglich gegenüber unseren Wählern und unserer Partei."
    Ringen um Seriosität
    Zugleich aber müht sich Farage verzweifelt um Seriosität, weswegen er sich im BBC-Interview sogar vom recht widersprüchlichen Parteiprogramm distanziert, das eine Finanzierungslücke von 160 Milliarden Euro aufweist.
    "I would decribe this as overly ambitious."
    Viele Forderungen seien wohl allzu ehrgeizig, relativiert Farage und nein, von einigen wisse er gar nichts, ob nun Abschaffung der Atomwaffen, Eisenbahnen in Traditionsfarben oder Pflichtuniformen für Taxifahrer.
    "And you want a compulsory dress code for taxi drivers?" - "Do we?"
    Wenn es um Webseiten gehe, seie er kein Experte. Derzeit sei einfach kein Programmpunkt mehr gültig und im Herbst gebe es dann ein ganz neues Manifest für die Wahlen 2015.
    "And that is why I said none of it stands today."
    Forderung der UKIP: EU-Austritt
    Was bedeutet, dass UKIP zu den Europawahlen im Mai im Grunde nur mit einer einzigen Forderung antritt: raus aus der EU. Nicht nur die programmatische Unklarheit kratzt an der Seriosität. Kein Monat vergeht, in dem nicht irgendwo ein Mandatsträger der Partei, die inzwischen mehr als 30.000 Mitglieder zählt, ins Fettnäpfchen tritt. Ob Mujeeb ur Rehman, der als pakistanisch-stämmiges Aushängeschild der Partei für Nicht-Rassismus stand, bis er als früherer Boss einer Entführerbande entlarvt wird. Oder die Ratsherrin Victoria Ayling: Bei Videoprobeaufnahmen sagt sie erst noch verharmlosend:
    "Wir müssen die Einwanderung kontrollieren. Wir können die Anzahl, die zu uns kommt und die Folgen für die Infrastruktur nicht verkraften. Alle, die hierherkommen, sollten ermutigt werden, Englisch zu sprechen."
    Doch dann plappert sie im Off, dass sie am liebsten alle zurückschicken würde, aber das könne sie leider nicht sagen.
    "I would send the lot back, but I can’t say that."
    UKIP Ratsherr David Sylvester schreibt in einem Brief, dass die Stürme und Fluten in Großbritannien Gottes Strafe wegen des Homo-Ehe-Gesetzes seien. Und Ex-Europaparlamentarier Godfrey Bloom bezeichnet Frauen als Schlampen und spricht von der viel zu hohen Entwicklungshilfe, die nach Bongo-Bongo-Land gehe, damit sich die Leute dort Sonnenbrillen und Ferraris kauften.
    "How can we give possible a billion pounds to Bongo-Bongo-Land?"
    Farage distanziert sich dann meist von solch peinlichen Mitgliedern, "säubert" die Reihen und verspricht die Durchleuchtung aller Kandidaten. Seine Popularität haben die Vorfälle bislang scheinbar nicht beeinträchtigt.