Endlich geschafft. Jetzt bin ich also Britin. Zusammen mit 19 weiteren Kandidaten stehe ich im schmucken kleinen Festsaal im südenglischen Städtchen Lewes. Vor uns zwei britische Flaggen und ein Bild der Königin.
Soeben haben wir Königin Elisabeth II. und ihren Nachfahren ewige Treue geschworen. Und feierlich gelobt, die Rechte, Freiheiten und Werte des Landes zu respektieren, unsere staatsbürgerlichen Pflichten zu erfüllen und uns aktiv in die britische Gesellschaft einzubringen. Eine Frau aus Osteuropa schluchzt so heftig, dass sie das Gelöbnis kaum über ihre Lippen bringt. Ein Drittel von uns stammt vom europäischen Festland, zwei Drittel stammen aus Übersee.
Verwaltung stellt Hürden auf
Im Anschluss werden wir mit einer Tasse Tee bewirtet und vergleichen unsere bürokratischen Hindernislauf. Ein Herr aus Malawi erzählt, er habe zehn Jahre auf seine Einbürgerung gewartet. Bei mir waren es nur zehn Monate, aber 'der Prozess' hätte aus der Feder von Franz Kafka stammen können. Allein die Formulare, erst für das Bleiberecht, dann für die Staatsbürgerschaft – insgesamt 116 Seiten. Stapelweise Nachweise: seit wann ich auf der Insel wohne, arbeite, und alle erforderlichen Abgaben leiste. Dazu mysteriöse Briefe vom Innenministerium, mit der Aufforderung, innerhalb knappester Fristen weitere Dokumente einzureichen – andernfalls wäre mein Antrag null und nichtig.
Um welche Dokumente es sich handelt, wird allerdings nicht angegeben. Dafür werden Telefonnummern aufgelistet, die mir Klärung verschaffen könnten. Nur: Die Leitungen sind ständig besetzt. Und vielleicht am bizarrsten: anonyme Anrufer, die mich nach persönlichen Informationen ausfragen, wobei ich keinerlei Beweise habe, ob dies eine echte Anfrage ist oder ein versuchter Identitätsdiebstahl. Die Droh- und Schreckensbriefe vom Innenministerium werden übrigens stets mit der besonders langsamen Second Class Mail abgeschickt, so dass die darin gesetzten Fristen bei ihrer Ankunft schon fast abgelaufen sind. Wäre ich zufällig ein paar Tage verreist, wäre mein Antrag gescheitert.
Erleichterte Nachbarn
Auf der einen Seite also, Schikanen. Und Gebühren in Höhe von 12 hundert Pfund. Auf der anderen Seite, ein warmes Willkommen. Um meine Einbürgerung zu feiern, organisiert meine ganze Nachbarschaft in Lewes einen kollektiven Sunday Roast - very british. "Ich versteh das nicht, warum unsere Behörden so einen Zirkus veranstalten, da muss man sich ja schämen", sagt Barbara. Sie sei froh, dass ich jetzt zu den Briten gehöre, auch wenn das Land derzeit ziemlich verrückt sei. Auch Sue findet mein bürokratisches Hindernisrennen bedauerlich. Sue hat letztes Jahr gegen den Brexit gestimmt, Barbara dafür. Beide stehen weiterhin zu ihrer Entscheidung. Brexit hin oder her, ich bin jedenfalls herzlich willkommen.
Ende gut alles gut? Irgendwie fühle ich mich zerrissen. Mächtig erleichtert, dass ich die deutsche Staatsbürgerschaft behalten darf. Undankbar gegenüber meinen britischen Nachbarn - denn eigentlich fühle ich mich überhaupt nicht Britisch. Und will ja auch gar keine Britin sein. Und jetzt auch noch ein schlechtes Gewissen gegenüber meiner deutschen Heimat. Aber woher diese plötzlichen Nationalgefühle? Als typische 68erin fühlte ich doch mein ganzes Leben lang geradezu obligatorisch unwohl in meiner deutschen Haut.
Therapeutischer Kurzbesuch bei Matt, meinem Gärtner um die Ecke. Aber Matt ist diesmal überhaupt nicht hilfreich. "Um Himmelswillen, Renn doch lieber in die andere Richtung". Matt hasst jegliche Art von Nationalgefühl. Er schämt sich, zu den - Zitat - engstirnigen Briten zu gehören und definiert sich nicht einmal als Europäer. "Wenn du vom Weltall auf unseren Planeten schaust, dann siehst du wie lächerlich alle Grenzen sind – ein menschliches Konstrukt, das wir immer wieder neu erfinden."