Die konservative Fraktion im Unterhaus wird immer kleiner: Die Fraktionsführung hat 21 Abgeordnete rausgeworfen, ein Ex-Staatssekretär ist zu den Liberaldemokraten übergelaufen und heute ist auch noch der Bruder des Premierministers desertiert. Jo Johnson gab nicht nur den Posten des Staatssekretärs im Wirtschaftsministerium auf. Er legte auch sein Abgeordnetenmandat nieder.
Es sei ihm eine Ehre gewesen, drei verschiedenen Kabinetten gedient zu haben, aber jetzt sei es Zeit, etwas anderes zu tun, sagte Jo Johnson im Vorübergehen. Auf Twitter wurde er deutlicher: Er sei in den vergangenen Wochen zwischen Familien-Loyalität und nationalem Interesse hin- und hergerissen gewesen, schrieb der kleinere Bruder in dem kurzen Tweet. Will sagen, der große Bruder mache eine Politik, die nicht im nationalen Interesse liege.
Und erleidet dabei aber in diesen Tage eine Niederlage nach der anderen: Das Unterhaus hat ein Gesetz verabschiedet, das einen No-Deal-Brexit als politische Option ausschließen will. Regierungstreue Lords wollten daraufhin das Gesetz im Oberhaus ins Leere laufen zu lassen. Aber sie gaben das Filibustern schon nach wenigen Stunden auf und sagten zu, das Gesetz bis morgen Nachmittag zu verabschieden. Lord Newby, Vertreter der EU-freundlichen Liberaldemokraten im Oberhaus, erklärte anschließend, die andere Seite habe wohl eingesehen, dass das endlose Beraten und Verzögern in diesem Fall wohl noch blöder ausgesehen hätte als normalerweise:
Man müsse jetzt voran kommen, so Lord Newby. Das Gesetz gegen den No-Deal-Brexit wird nun wohl doch in Kraft treten, bevor das Parlament in der kommenden Woche in die von Boris Johnson verordnete Zwangspause geht.
Opposition fürchtet Falle Johnsons
Die Handlungsfreiheit zurück erlangen will Johnson aber durch vorgezogene Neuwahlen am 15. Oktober. In der vergangenen Nacht war er damit im Unterhaus gescheitert, will es aber am Montag noch einmal versuchen. Johnsons Schatzkanzler Sajid Javid ist zuversichtlich, dass dann auch die Opposition für Neuwahlen sein wird. Er beschreibt die Alternative, vor der die Wähler stehen, so:
"Die Wahl ist doch klar: Die Bürger können Boris Johnson haben, der ein neues Abkommen in Brüssel durchboxen und das Land am 31. Oktober aus der EU führen wird. Oder sie kriegen Corbyn, der in Brüssel eine Verschiebung beantragen und weiter rumlavieren wird, und am Ende alle Forderungen Brüssels erfüllt."
Doch noch ist es nicht so weit. Die Opposition hat weiter den Verdacht, dass sie hier in eine Falle tappen könnte. Sind die Neuwahlen nämlich erst einmal beschlossen, könnte der Premierminister unbeeinflusst von der Opposition den Wahltermin noch einmal verschieben. Zum Beispiel auf ein Datum nach dem Austritt, nach dem 31. Oktober: Dann wäre das Land raus aus der EU, bevor die Bürger zur Wahlurne gerufen würden. Schatten-Schatzkanzler John McDonnell von der Labour Party gibt deshalb noch kein grünes Licht für Neuwahlen:
"Das Problem ist: Wir haben einfach kein Vertrauen, dass Boris Johnson sich an irgendeine Abmachung oder irgendein Abkommen hält. Deshalb müssen wir jetzt mit den anderen Oppositionsparteien darüber beraten, ob wir kurz- oder längerfristig eine Neuwahl haben wollen. Wir legen das Parteiinteresse zur Seite – hier geht es um den Schutz unseres Landes und das nationale Interesse."