George Osborne formuliert es am drastischsten. Osborne war der Kronprinz David Camerons und wurde von Theresa May letztes Jahr entlassen. Es war eine ihrer ersten Amtshandlungen als Premierministerin. Jetzt sieht Osborne die Tage der Theresa May gezählt.
"Theresa May ist auf dem Weg zu ihrer Hinrichtung. Fragt sich nur, wie lange sie noch in der Todeszelle bleibt. Es könnte sein, dass sie Mitte dieser Woche stürzt. Wenn nicht, weil viele im Moment keinen Wettbewerb um den Parteivorsitz haben wollen, dann wird es eben aufgeschoben."
"Im Amt, aber nicht an der Macht" titelte der "Telegraph", der über gute Kontakte zu den Konservativen verfügt. Die Autorität der Theresa May ist fast über Nacht verschwunden. Würden jetzt nicht die Brexit-Verhandlungen beginnen, dann wäre sie am Ende – das ist eine weitverbreitete Ansicht. Karen Bradley, die Kultusministerin, versucht, sie in Schutz zu nehmen.
"Neuwahlen auszurufen ist immer ein Spiel, ein Risiko. Aber die Premierministerin hat es im nationalen Interesse getan, weil wir fünf Jahre und mehr brauchen, um den Brexit umzusetzen."
Neue Köpfe im Kabinett
May wird aber nicht nur die Niederlage verübelt, sondern auch ihr Verhalten danach. Freitag hielt sie in der Downing Street eine kurze Ansprache, in der sie kein Wort zur Niederlage verlor, keine Entschuldigung an die konservativen Abgeordneten richtete, die ihretwegen ihren Job verloren haben. Der Vorsitzende der einflussreichen Gruppe der Hinterbänkler, Graham Brady, soll entsetzt gewesen sein. Aber Brady steht hinter Theresa May – noch.
"Es gibt nur zwei Möglichkeiten: die eine lautet, wir versuchen eine Regierung zu bilden. Das gebietet jetzt unsere Verantwortung. Die andere sind Neuwahlen. Die Briten haben dazu nicht die geringste Neigung."
Theresa May kämpft um die Macht – Samstag entließ sie ihre beiden wichtigsten Berater, die erboste Partei wollte deren Köpfe rollen sehen. Dann wurde das Kabinett umgebildet – mit wenigen Änderungen. Damian Green ist jetzt ihr Stellvertreter, ein Vertrauter, er war gegen den Brexit. May hat zur Zeit nicht die Autorität für eine große Personalrochade. Und schließlich verhandelte sie mit den nordirischen Unionisten der DUP weiter. Deren Chefin Arlene Foster pokert.
"Wir hatten sehr gute Gespräche mit den Konservativen, wie wir sie unterstützen könnten. Wir haben gute Fortschritte erzielt, aber die Verhandlungen gehen weiter." Zuvor hatte es in der Downing Street noch geheißen, es gebe praktisch eine Einigung. Beobachter glauben, die DUP fordert Geld für Nordirland und Zusagen, dass trotz Brexit die Grenze zur irischen Republik offen bleibt.
Brexit-Verhandlungen starten bald
Aber es gibt auch Vorbehalte gegen die DUP – sie steht rechts von den Tories. Sayeeda Warsi, eine Tory-Abgeordnete im Oberhaus:
"Ich habe damit meine Probleme. Es geht nicht nur darum, wie sie über Minderheiten oder Rechte von Homosexuellen denken, über Frauen und den Klimawandel. Mich stören auch ihre früheren Verbindungen zu extremistischen Gruppen in Nordirland."
Heute treffen die neuen Abgeordneten in London ein, morgen ist ihre erste Unterhaussitzung. Kommenden Montag schon beginnen die Brexit-Verhandlungen mit der EU – und am gleichen Tag soll die Queen die Regierungserklärung im Parlament verlesen. Wahrscheinlich wird ihr Theresa May die Erklärung aufschreiben, ganz sicher ist das aber nicht.