Die Ankündigung hatte sich Schatzkanzler George Osborne als Clou für das Ende seiner Budgetrede aufgehoben:
"Ich führe heute einen neuen verbindlichen nationalen Mindestlohn ein. Alle Arbeitnehmer über 25 Jahre werden ihn erhalten. Über künftige Steigerungen wird die Kommission für den Mindestlohn entscheiden."
Applaus im Juli in den eigenen Reihen: Die Mindestlöhne gelten vielen als kluger Schachzug der Tory-Führung. Für Osborne hat oberste Priorität, die Staatsfinanzen des hoch verschuldeten Landes wieder in Ordnung zu bringen. Der Mindestlohn aber kostet den Staat kein Geld, im Gegenteil: Er soll Sozialausgaben sparen.
"Es kann nicht richtig sein, dass der Steuerzahler dafür belangt wird, die Unternehmen zu subventionieren, die die niedrigsten Löhne bezahlen. Wir Konservative lehnen unfaire Subventionen ab, wo immer wir sie entdecken."
Der Mindestlohn wird über mehrere Schritte hinweg angehoben, heute um umgerechnet 30 Cent auf etwa 9,40 Euro - was noch auf einen alten Beschluss zurückgeht - und im kommenden Frühjahr auf 10 Euro. Im Jahr 2020 werden etwa 13 Euro Stundenlohn erreicht.
Im Vergleich zu Deutschland liegen die Mindestlöhne in Großbritannien also höher. Dafür werden sie aber erst an Arbeitnehmer gezahlt, die älter als 25 Jahre sind. Praktikanten erhalten deutlich weniger Geld, etwa halb so viel. Teilweise werden Pausen und Zulagen gekürzt. Der nationale Mindestlohn war in Großbritannien unter Tony Blair 1999 eingeführt worden - gegen den Protest vieler Konservativen. Jetzt hat ein Umdenken eingesetzt.
Wettbewerb um schnellste Umsetzung des Mindestlohns
Professor Alan Manning von der London School of Economics hat seit 1999 die Entwicklung des nationalen Mindestlohns in Großbritannien untersucht.
"Die Befürchtung, das würde jede Menge Arbeitsplätze kosten, hat sich als ungerechtfertigt herausgestellt. Jahrelang sind am unteren Ende die Löhne gesunken, deswegen sind Mindestlöhne eine berechtigte Korrektur."
Die Denkfabrik "Resolution Foundation" will ermittelt haben, dass die Lohnsumme nächstes Jahr insgesamt wegen des Mindestlohns um nur 0,6 Prozent ansteigt, bei Betrieben unter zehn Mitarbeitern allerdings um 1,5 Prozent. Von dort kommt folglich die meiste Kritik. Die nationale Mindestlohnkommission sei zudem umgangen worden und werde erst ab 2020 Empfehlungen aussprechen. Der Unternehmerverband "The Institute of Directors" dagegen hält den Anstieg für verkraftbar.
Auf der Insel ist inzwischen ein regelrechter Wettbewerb darum entbrannt, wer am schnellsten die Mindestlöhne umsetzt. Starbucks, IKEA und Lidl waren die Ersten. Alle Supermarktketten folgten, gestern der Einzelhändler Morrison, der gleich zwei Euro auf einen Schlag mehr bezahlt, also jetzt 11,50 Euro.
Widerstand kommt ausgerechnet aus dem Sozialbereich: die Betreiber von Altenheimen und Krankenhäusern warnen vor Kostensteigerungen, sie seien nicht zu verkraften.