Neuer britischer Premierminister
Wofür steht Rishi Sunak?

Rishi Sunak ist neuer Vorsitzender der konservativen Tory-Partei und neuer britischer Premierminister. Der ehemalige Finanzminister folgt auf Liz Truss, die nach nur sechs Wochen im Amt zurückgetreten war. Was wird sich nun ändern?

25.10.2022
    Rishi Sunak ist neuer Parteichef der konservativen Tories und der nächste britischer Premierminster
    Rishi Sunak ist jetzt Parteichef der konservativen Tories und neuer britischer Premierminster (picture alliance/ ZUMAPRESS.com/ Tayfun Salci)
    Im Sommer war Rishi Sunak noch seiner Konkurrentin Liz Truss im Rennen um die Nachfolge von Ex-Premier Boris Johnson unterlegen, jetzt hat der 42-Jährige es geschafft: Sunak ist neuer Premierminister in Großbritannien – der dritte innerhalb weniger Monate. Truss hatte mit ihrer Wirtschaftspolitik genau die Finanzturbulenzen ausgelöst, vor denen Sunak im Wahlkampf gewarnt hatte und war nach nur sechs Wochen im Amt als Vorsitzende der konservativen Tory-Partei und als Regierungschefin zurückgetreten.
    Die Tories mussten daraufhin erneut ein Nachfolgeverfahren starten, in dem die Kandidatinnen und Kandidaten zunächst jeweils mindestens 100 Stimmen von Tory-Abgeordneten im Unterhaus gewinnen mussten – was Sunaks einziger Mitbewerberin Penny Mordaunt nicht gelang. Mit Ablauf einer Frist wurde Sunak damit am 24. Oktober automatisch und ohne Mitgliederbefragung neuer Parteichef und tritt somit auch die Nachfolge der scheidenden Premierministerin Liz Truss an. Am 25. Oktober wurde er offiziell zum Premierminister ernannt. König Charles III. beauftragte Sunak formell mit der Bildung einer neuen Regierung.

    Wer ist Rishi Sunak?

    Rishi Sunak ist der erste nicht-weiße Premierminister in der Geschichte Großbritanniens und der erste gläubige Hindu in Downing Street 10. Er wurde am 18. Mai 1980 in Southampton als ältestes von drei Kindern geboren. Er ist Enkel indischer Einwanderer, die in den 1960er-Jahren nach Großbritannien kamen. Die Mutter war Apothekerin (als Jugendlicher half Sunak mit Auslieferungen in ihrer Apotheke), der Vater war Hausarzt: eine Mittelstandsfamilie, die ihren Sohn auf eine der ältesten englischen Privatschulen schickte, das Winchester College. Danach Studium in Oxford und Stanford. Sunak arbeitete als Analyst bei Goldman Sachs, danach als Hedgefonds-Manager. Er gilt als einer der reichsten Abgeordneten im Unterhaus. Als Banker hat er Millionen verdient, außerdem ist er mit der Milliardärstochter Akshata Murthy verheiratet. Sie haben zwei Töchter.
    2015 wurde Rishi Sunak ins Unterhaus gewählt, sein Wahlkreis ist Richmond/Yorkshire. 2016 war er entschiedener Kämpfer für den Brexit, 2018 berief Theresa May ihn als Unterstaatssekretär in ihre Regierung. 2019 unterstützte er früh Boris Johnsons Kampagne im Wettbewerb um die Nachfolge von Theresa May. 2020 machte Johnson ihn zu seinem wichtigsten Minister, zum Schatzkanzler (Finanzminister). Sunak war im Juli 2022 einer von zwei Ministern, die aus Protest gegen Boris Johnsons Skandale und seinen Umgang damit zurücktraten. Er löste damit die Lawine mit aus, die Johnson schließlich unter sich begrub.

    Wofür steht Rishi Sunak politisch?

    Rishi Sunaks großes Vorbild ist Margaret Thatcher – das hat er mit Liz Truss gemeinsam. Im Grundsatz steht er für Markt-Liberalismus, für einen schlanken Staat, niedrige Steuern und einen starken britischen Patriotismus. Als Finanzminister musste er dann in der Corona-Pandemie eine ganz andere Politik machen und Wirtschaft wie Bürger mit Hunderten Milliarden Pfund aus der Staatskasse unterstützen. Um das angeschlagene staatliche Gesundheitssystem NHS zu finanzieren, erhöhte Sunak anschließend Steuern und Abgaben auf den höchsten Stand seit 70 Jahren – und wollte sie zumindest bislang auch so schnell nicht wieder senken. Erst müsse die Inflation im Griff sein, sagt Sunak. Zu Hochzeiten der Corona-Pandemie noch einer der beliebtesten Politiker, geben ihm deshalb mittlerweile viele die Schuld an ihrer wachsenden Not in der Kaufkraftkrise.
    Die Finanz- und Steuerpolitik war ein Hauptstreitpunkt zwischen Truss und Sunak. Tatsächlich sorgte das von Truss und ihrer Regierung geschnürte Entlastungspaket für Panik an den Finanzmärkten und zwang die Regierungschefin zu mehreren Volten und letztlich zum Rücktritt. Darüber hinaus sind sich Truss und Sunak aber sehr ähnlich. Beide versprachen im Rennen um die Johnson-Nachfolge im Wesentlichen dasselbe: eine Fortsetzung der Politik von Boris Johnson, nur ohne Boris Johnson. Dazu gehörte etwa eine massive Brexit-Dividende, sie wollten mehr Flüchtlinge in Staaten wie Ruanda abschieben und vertraten eine harte Haltung gegenüber der EU, China und Russland.
    Die britische Premierministerin Liz Truss bei der Ankündigung ihres Rücktritts vor ihrem Amtssitz in Downing Street 10
    Die britische Premierministerin Liz Truss hat nach nur sechs Wochen im Amt ihren Rücktritt angekündigt (AFP/ DANIEL LEAL)
    Sunaks Abkehr von Boris Johnson war spektakulär. Johnson-Kritiker halten ihm, Sunak, seinen Rücktritt zugute, viele finden aber, dass er zu spät kam. Johnson-Fans werfen ihm Verrat vor.
    Kurz vor Johnsons Sturz war Rishi Sunak in mehrere Skandale verwickelt. Wie Boris Johnson wurde auch er von der Polizei wegen "Partygate" belangt. Er war im Kabinettssaal, als Johnson dort in kleiner Runde einen Geburtstagskuchen überreicht bekam. Dann kam heraus, dass Sunaks Ehefrau wegen ihres Steuerstatus' ihr hohes Millionen-Einkommen nicht in Großbritannien versteuert. Das war zwar rechtens, führte aber zu einem Aufschrei der Empörung. Akshata Murthy bezahlt jetzt freiwillig Steuern in England. Schließlich wurde auch publik, dass Sunak im ersten Jahr als Finanzminister noch eine Green Card besaß, die ihn als in den USA ansässig auswies.

    Was kommt mit Rishi Sunak auf Großbritannien zu?

    Rishi Sunak steht nun vor der schwierigen Aufgabe, Großbritannien durch die Wirtschaftskrise zu führen und seine Partei zu einen. Dafür könnte er der Richtige sein. Sunak gilt als kompetent, seriös und ernsthaft bereit, Politik zu gestalten. Mit Blick auf die Wirtschaft wird er möglicherweise dem Staat eine Art Rosskur verordnen und Sozialleistungen kürzen. Die Tories können sich einen derartigen Schiffbruch wie mit dem Regierungskurs von Liz Truss nicht noch einmal leisten und werden Sunak daher eher folgen. Dafür spricht auch, dass im Nachfolgeverfahren einige Abgeordnete aus dem Boris-Johnson-Lager letztlich Sunak unterstützt haben, nachdem Johnson doch nicht erneut kandidieren wollte. Das gilt als bemerkenswert, weil Sunak und Johnson sich überworfen haben und beide Lager sich eigentlich feindsinnig gegenüberstehen.
    Unklar ist, inwieweit Sunak als Partei- und Regierungschef die Chancen der Tories bei den nächsten Parlamentswahlen 2024 erhöhen kann. Derzeit führt die sozialdemokratische Labour-Partei in den Umfragen und die Tories würden eine krachende Niederlage einfahren, würde jetzt gewählt. Da Sunak aber als vernünftiger und moderater als Boris Johnson und Liz Truss gilt, könnte sich das in den nächsten zwei Jahren noch ändern.
    Quellen: Christine Heuer, Nina Voigt, dpa, AFP