Archiv

Großbritannien
Spekulation um Verantwortung Moskaus im Fall Skripal

Am vergangenen Sonntag wurden im britischen Salisbury ein russischer Ex-Spion Sergei Skripal und seine Tochter vermutlich Opfer eines Anschlags mit Nervengift. Hunderte Ermittler sind im Einsatz. Der Fall belastet das britisch-russische Verhältnis: Es wird spekuliert, welche Rolle staatliche russische Stellen dabei gespielt haben könnten.

Von Thomas Spickhofen |
    Die Polizisten in leuchtgelben Warnwesten sind unscharf im Vordergrund zu sehen. Im Hintergrund ein gelb-weißes Zelt, das über den Tatort gespannt wurde und das von blau-weißem Absperrband umgeben ist.
    Ein Polizist und eine Polizistin stehen vor dem abgeriegelten Tatort im britischen Salisbury, an dem am ein russischer Ex-Agent und seine Tochter mit Vergiftungserscheinungen aufgefunden wurden (AP)
    Wir behandeln das als einen schwerwiegenden Vorfall mit versuchtem Mord durch ein Nervengift, sagt Mark Rowley von Scotland Yard. Beide Opfer des Anschlags - der 66-jährige frühere Spion Sergej Skripal und seine 33 Jahre alte Tochter Yulia - befinden sich weiterhin im Krankenhaus, ihr Zustand wird als kritisch beschrieben. Die Ermittler gehen davon aus, dass die beiden gezielt angegriffen wurden. Auch ein Polizeibeamter, der als einer der ersten am Fundort der beiden Opfer eingetroffen sei, befinde sich in ernstem Zustand, sagt Rowley. Es gebe im Moment aber keine Anhaltspunkte für eine größere gesundheitliche Gefährdung in der Umgebung.
    Ermittlungen laufen auf Hochtouren
    Seit Sonntag wurden mehrere Bereiche in Salisbury abgesperrt, unter anderem ein Restaurant und ein Pub, in dem sich Skripal und seine Tochter vor dem Anschlag aufgehalten haben. Hunderte Ermittler sind nach Angaben der Polizei im Einsatz, darunter Forensik-Spezialisten und Geheimdienstleute, rund um die Uhr. Unter anderem würden die Bilder von Überwachungskameras ausgewertet und Zeugen befragt. Die Arbeit vor Ort in Salisbury werde aber mehrere Tage in Anspruch nehmen, heißt es.
    Um welches Nervengift genau es sich handelt, will die Polizei derzeit nicht sagen. Grundsätzlich seien solche Stoffe nicht einfach herzustellen, erklärt Gordon Carrera, der Geheimdienst-Experte der BBC, das sei vielmehr gefährlich und kompliziert.
    "Das ist nichts, was ein einfacher Krimineller oder auch eine Bande machen würde. Nervengifte werden normalerweise von Staaten hergestellt, und auch da sind es nur sehr wenige."
    Spekulation um Beteiligung staatlicher russischer Stellen
    Innenministerin Amber Rudd fordert dazu auf, kühlen Kopf zu bewahren und den Ermittlern die Zeit zu geben, die sie brauchen.
    "Wir werden alle Beweise sammeln und dann als Regierung nicht auf der Basis von Gerüchten, sondern von Fakten entscheiden, was wir machen."
    Mit den Gerüchten bezieht sich Rudd auf Spekulationen, staatliche russische Stellen könnten hinter dem Vorgang stecken. Das hält Annie Machon, eine frühere Mitarbeiterin des Inlandsgeheimdienstes MI5, für unwahrscheinlich. Skripal sei festgenommen, verurteilt, begnadigt und ausgetauscht worden. Sie könne keinen Grund erkennen, warum der russische Staat ihn noch ins Visier fassen sollte, erklärt sie.
    Britisch-russische Beziehung belastet
    Dennoch ist der Fall schon jetzt eine weitere Belastung der britisch-russischen Beziehungen. Eine Sprecherin des russischen Außenministeriums warf der britischen Regierung und britischen Medien eine antirussische Kampagne vor. Premierministerin Theresa May griff im Parlament einen Gedanken ihres Außenministers Boris Johnson auf: Möglicherweise müsse man überprüfen, welche Minister oder andere hochstehenden Persönlichkeiten zur Fußball-WM nach Russland fahren.
    Mehrere Zeitungen berichtet, dass dazu auch eine mögliche Reise von Prinz William zum Weltcup gehören könnte. William ist Präsident der FA, des britischen Fußballverbandes.