Das Stahlwerk in Port Talbot, Wales. Handelsminister Sajid Javid versicherte den Stahlarbeitern, dass die britische Regierung alles tun werde, damit sie ihre Arbeitsplätze nicht verlieren. Javid steht unter Beschuss: Er war weit weg in Australien, als Tata verkündete, man wolle alle Stahlwerke in Großbritannien verkaufen. Warum wusste der Minister von nichts? Wollte er nicht eingreifen, weil er Staatsinterventionen grundsätzlich ablehnt?
Nach seiner eiligen Rückkehr verteidigte der Minister sich. Er wolle nicht in einem Land leben, "in dem wir unseren Stahl importieren müssen. Deswegen sage ich klar: Wir tun alles, damit in Port Talbot weiter Stahl erzeugt und den Arbeitern geholfen wird."
Selbst Verstaatlichung im Gespräch
Javid ging sogar noch weiter: Er schließe eine Verstaatlichung nicht aus. Genau das hatte er zunächst aber getan. Dennoch glaubt in Großbritannien kaum jemand, dass die konservative Regierung diesen Schritt auch nur ernsthaft erwägt. Die Opposition fordert aber genau das. Labour-Schattenschatzkanzler John McDonnell:
"Wenn die Stahlindustrie dichtmacht, kostet uns das ein bis 1,5 Milliarden Pfund jährlich an Unterstützung und sozialer Absicherung. Wir dürfen nicht zulassen, dass ganze Gemeinden zusammenbrechen. Wir sind für eine vorübergehende Verstaatlichung, um die Zukunft der Stahlindustrie zu sichern."
15.000 Jobs stehen unmittelbar auf dem Spiel, weitere 25.000 bei den Zulieferern. Der Zeitdruck ist groß: Der indische Besitzer Tata Steel will die Werke so schnell wie möglich verkaufen. Als Interessent gilt unter anderem ThyssenKrupp aus Deutschland. Jetzt beginnt der Poker, wie viel der britische Staat sich die Rettung kosten lassen will – und wie hoch die Forderungen von Tata sind.
"Tata ist immer ein verantwortungsbewusster Arbeitgeber gewesen. Jetzt soll es auch ein verantwortungsbewusster Verkäufer sein", appelliert die walisische Wirtschaftsministerin Edwina Hart.
Große Probleme beim britischen Tata-Ableger
Zum Beispiel geht es um die Pensionen der ehemaligen Stahlarbeiter in Großbritannien. Im Fonds klafft ein Loch von umgerechnet 650 Millionen Euro. Das Werk in Port Talbot soll modernisiert werden. Noch schwieriger wird es, die Energiekosten zu subventionieren. Deutschland gebe doch seiner Schwerindustrie ein Vielfaches an Preisnachlässen, kritisiert Gareth Stace von der britischen Stahlindustrie.
"Die Krise erfordert, dass wir direkte staatliche Hilfe erhalten. Möglicherweise nur kurzfristig. Aber ohne sie stehen wir vor einer sehr unsicheren Zukunft."
Noch lauter fällt die Kritik in der Öffentlichkeit aus, warum die britische Regierung nicht gegen Chinas Dumping-Stahlimporte vorgeht. Im Gegenteil: Fassungslos verfolgen die britischen Strahlarbeiter, dass China umgekehrt gerade noch höhere Zölle für Importstahl einführt. Nicht die EU bremst hier aber, sondern die Regierung in London. Britischer Stahl macht gerade einmal 0,5 Prozent des Handelsvolumens mit China aus. Dafür will London ganz offensichtlich keinen Handelskonflikt mit China riskieren.