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Großbritannien
Streit über das Vaterunser vor dem Star-Wars-Film

Beleidigt das Vaterunser religiöse Gefühle? Das befürchten Kinobetreiber in England und weigern sich, einen Werbespot der Church of England vor dem Star-Wars-Film zu zeigen. Die fühlt sich nun diskriminiert - die Briten diskutieren erregt das Pro und Contra.

Von Friedbert Meurer |
    Screenshot aus dem Werbespot "Lord's prayer", "Vater unser", der Church of England.
    Screenshot aus dem Werbespot "Lord's prayer", "Vater unser", der Church of England. (Church of England)
    Der Erzbischof von Canterbury, Justin Welby, betet in dem Video das Vaterunser. Dann legt ein junger Mann Blumen am Grab ab. Sanitäter stehen nach einem schweren Unfall zusammen: auch sie alle beten in dem Werbespot das "Lord's Prayer". Und ein Londoner Gospelchor singt in einer Probe die Verse voller Inbrunst:
    "Give us this day our daily bread"
    Knapp eine Minute dauert das Video mit Menschen unterschiedlichster Berufe und mit verschiedener Hautfarbe – eine christliche Familie aus Somalia oder Eritrea betet mit. Der christliche Werbespot, geschaltet von der Church of England, sollte jetzt eigentlich in der Weihnachtszeit in den Kinos laufen – immer vor der neuesten Folge von Star Wars, die jetzt in den Kinos anläuft.
    "For thine is the kingdom and the power and the glory"
    Der Spot ging durch alle Prüfinstanzen, Verträge wurden ausgehandelt, sogar ein Rabatt eingeräumt. Aber dann weigerten sich die drei wichtigsten Kinoketten des Landes, ihn auszustrahlen. Für sie kann das Vaterunser die Gefühle nicht- oder andersgläubiger Menschen verletzen. Die anglikanische Kirche ist entsetzt. Ihr Sprecher Arun Arora:
    "Wir finden das wirklich erstaunlich, enttäuschend und verwirrend. Das Vaterunser wird weltweit von Milliarden gebetet und gehört seit Jahrhunderten zu unserem Land. Die Menschen sollen sich ihr eigenes Urteil bilden. Sie können sich das online bitte auf unserer Homepage anschauen, ob sie das wirklich aufregt, wenn sie es im Kino sähen."
    Die Kirche hat jetzt am Wochenende sogar die Anti-Diskriminierungsstelle der Regierung angerufen. Die Absage der Kinoketten diskriminiere die Church of England und verletze die Religionsfreiheit. Da man außerdem Anteilseigner einer der Ketten sei, werde man auch hier Druck machen.
    Zustimmung für die Kinobetreiber kommt allerdings aus den Reihen der Atheisten. Keith Porteous Wood von der "Nationalen Säkularen Gesellschaft":
    "Wir verteidigen eigentlich völlig die Meinungsfreiheit und hätten auch kein Problem damit, wenn der Film gezeigt würde. Die meisten Leute aber sind nicht religiös. Sie gehen in einen Kinofilm, für den sie bezahlt haben, und wollen sich unterhalten lassen. Deswegen verstehe ich die Kinobetreiber. Sie wollen nichts zulassen, was die Zuschauer doch irritieren könnte."
    Unterstützung für die Kirche von England kommt von der konservativen Regierungspartei. David Cameron, der Premierminister, ließ durch seinen Sprecher mitteilen, er finde das Verbot lächerlich. Der Londoner Bürgermeister Boris Johnson twitterte, das Verbot sei ungeheuerlich. Das Gebet sei 2000 Jahre alt und Teil der britischen Kultur. Das Verbot sorgt jetzt für reichlich Diskussion, wie hier in einer Radiosendung der BBC:
    "Wenn ich im Kino wäre, würde ich mich nicht verletzt fühlen. Ich lebe in Großbritannien, einer multikulturellen Gesellschaft. Wir alle haben eine andere Religion."
    "Star Wars ist auf jeden Fall ein spiritueller Film. Wer sich das also im Kino anschaut, der sollte sich nicht gekränkt fühlen."
    "Eigentlich bin ich für Meinungsfreiheit, aber ich hatte als junge homosexuelle Frau mein Coming Out. Die Kirche hat so schrecklich reagiert. Wenn ich heute etwas sehr Religiöses sehe, dann verletzt mich das nicht gerade, aber ich fühle mich unwohl dabei."
    "Ich stimme dem zu, das nicht zu zeigen. Stellen Sie sich doch einmal vor: die Atheisten würde einen 1minütigen Film drehen, der ganz vernünftig darlegt: Religion ist unwissenschaftlich. Da würde doch eine Riesenaufregung herrschen."
    Die Agentur, die die Kinospots vermittelt, bleibt bei ihrer Entscheidung: Man lehnt Spots ab, die politische oder religiöse Botschaften beinhalten. Wenn die Kirche von England sich jetzt nicht noch in letzter Minute juristisch durchsetzt, bleibt ihr doch ein Trost. Der Spot ist online schon jetzt ein großer Erfolg und hat größtmögliche Publicity erfahren.