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Großbritannien und die EU
Auf ein Bier - Mit Brexiteers im Pub

Unser Deutschlandfunk-Korrespondent in London hat sich unters Volk gemischt: In einem Pub mitten in der Londoner Innenstadt spricht er mit überzeugten EU-Gegnern genauso wie mit EU-Befürwortern. Die einen finden den Brexit aufregend, anderen macht er Angst.

Von Friedbert Meurer |
    Der Bahnhof Victoria-Station - in Scharen strömen die Pendler zu den Gleisen. Mancher trinkt noch ein Feierabend-Bier, zum Beispiel gegenüber im Pub "The Shakespeare". Die Treppe nach unten dort warten bereits Richard Hill, Dan Atkinson, beide überzeugte Leaver, also EU-Gegner, und York Membery, er hat für Remain gestimmt.
    "Cheers, Cheers!"
    Richard ist 48, verheiratet, war Banker, jetzt im Immobilienmanagement tätig. Dan, 55, drei Kinder, war wie York Zeitungsjournalist, jetzt arbeitet er für eine Copyright-Agentur.
    "Bedauern Sie das mit dem Brexit?"
    "Überhaupt nicht. Mit der Zeit wird das normal. Es ist großartig und aufregend. Nein, ich bedauere nichts."
    "Nein, ich bedauere es auch nicht, stimmt Richard zu. Die Demokratie hat gewonnen."
    "Ja, mir tut es leid", meint dagegen York, der aber ja auch für die EU gestimmt hatte. Uns stehen Jahre an Unsicherheit bevor. Am Ende werden das viele Brexiteers noch bedauern."
    "Würden sie Ihre Meinung ändern, wenn es wirklich zur Rezession kommt", frage ich?
    Die Brexiteers haben den Schock für das System unterschätzt
    Dan legt los. "Ich lebe lieber in einem freien und souveränen Staat, und wenn er so arm wie Swaziland ist. Lieber als in einer reichen Provinz eines anderen Staates wie Kalifornien."
    Zur Bekräftigung zieht er ein Buch aus der Tasche, dass er als Co-Autor mit verfasst hat. "Europe isn't working", Europa funktioniert nicht, heißt es.
    "Die Zeit wird es zeigen. Es ist aber so oder so ein Risiko, ob wir in der EU bleiben oder gehen."
    York wirft ein, dass die Brexiteers den Schock für das System unterschätzt haben. Aber es gebe die Hardliner und die Soften unter den Brexiteers. Soft oder hart - die Frage gebe ich gleich weiter.
    "Ob ich ein harter Brexiteer bin? Unsere Verhandlungsführer müssen der EU eine Frist setzen und glasklar sagen, dass wir den Brexit wollen. Und nichts anderes."
    "Der europäische runde Industriellentisch"
    Richard zögert bei der Frage nur kurz. "Ich bin felsenfest für Leave. Die 50 Top-Vorstandschef der großen Konzerne - Philipps, Shell, BP oder Siemens beherrschen die EU, sie nennen sich 'Der europäische runde Industriellentisch.' Ich kann sie alle aufzählen."
    "Der Kapitalismus regiert die Welt, vermutlich aber auch in Großbritannien", versuche ich einzuwenden, blitze aber ab.
    "Ja, ich bin ein großer Anhänger des Kapitalismus, aber nicht von Kartellen. Es mangelt an Wettbewerb."
    Wir reden jetzt über die Einwanderer, das Thema hat das Referendum beherrscht. "Ich habe Nachbarn bei mir in der Straße, die kommen aus Rumänien und der Schweiz. Die sind eingeschüchtert, wenn sie Vote leave lesen. Das klingt nach "Geht nach Hause"."
    "Ich habe in Hongkong lange gelebt", erwidert Richard. "Nach der Übergabe an China brauchten wir auch ein Visum und der Arbeitgeber musste bescheinigen, dass kein Einheimischer für den Job in Frage kommt. Das war doch kein Problem, ich habe mich nicht verrückt gemacht. Deswegen sind die Chinesen für mich nicht rassistisch."
    Ich werde jetzt offensiv: "In Deutschland sieht man das so - Europa bringt Menschen zusammen, Nationen sind ein Konzept aus dem 19. Jahrhundert. Sie aber sind anti-europäisch, isolieren sich lieber auf Ihrer Insel und halten Abstand zu Europa. Das ist selbstbezogen!"
    "Ja, es ist egoistisch. Aber das sind Länder halt. Merkel ist auch egoistisch. Die EU ist die halbe Zeit ein Friedensprojekt mit Blumen im Haar, und dann wollen sie jetzt eine europäische Armee gründen. Was denn jetzt? Die EU locker flockig oder als Handelsmacht? Beides geht nicht."
    "Ich möchte nicht da leben, wo alle gleich sind"
    "Manche Deutsche werden sagen: Sie sind Nationalisten!"
    "Ist das ein schmutziges Wort? Ich liebe mein Land, unsere Traditionen und Werte. Ich möchte nicht da leben, wo alle gleich sind, die gleiche Sprache sprechen, dieselben Kleider tragen. Wir geben 0,7 Prozent für Entwicklungshilfe aus, andere tun das nicht."
    Ich versuche es mit einem letzten Argument. Was würden die beiden sagen, wenn sie in einem Club mit 28 Mitgliedern sind und einer hat keine Lust mehr? "Großartig, das ist doch wunderbar. 27 wollen Golf spielen und einer Tennis. Das ist doch nicht falsch, wenn einer Tennis spielen will."
    Das letzte Wort hat der Remainer York, mit einem Geständnis. "Ich habe Boris Johnson gewählt, beim zweiten Mal als Bürgermeister. Aber viele Remainer haben den Respekt vor ihm verloren, weil es ihm nur um die Karriere ging."
    "Im Vergleich wirkt Theresa May da wie ein Messias. Sie ist da schon beständiger."
    "Prost! Cheers!"