"The European Union cannot just shrug off these Results and carry on as before. We need Change. Europe should concentrate on what matters, on growth and jobs and not try to do so much. It should be nation states wherever possible, Europe only where necessary."
Mit markigen Worten kommentierte der britische Premier David Cameron die Ergebnisse der Europawahl, bei der vor allem die Euroskeptiker zugelegt hatten. Camerons Schlussfolgerung: Weniger Europa und nur da, wo es gebraucht wird: in der Wirtschaftspolitik.
Dass Europa auch ein politisches Projekt ist - das hätten die Briten noch nicht verstanden, meint der CDU-Europapolitiker Elmar Brok:
"Sie halten es immer noch für eine Zollunion. Einen Market, common market, dem sie beigetreten sind. Und dieses Land ist immer noch emotional verhaftet mit einem Commonwealth, mit einer Alternative, die de facto nicht mehr existiert. Aber der Traum davon ist leider immer noch da."
Auch in der Wirtschaftspolitik. Den Gedanken, dass sich Großbritannien ökonomisch auf sein altes Reich verlassen könne, hält Grégory Claeys vom Brüsseler Think Tank Bruegel aber für unrealistisch, da Europa Großbritanniens größter Handelspartner ist.
"Geografisch ist das Commonwealth nicht der natürliche Handelspartner Großbritanniens. Das wäre also kompliziert. Mittlerweile gibt es wichtige Handelsbeziehungen zwischen dem Land und der EU und es würde lange dauern, das zu ersetzen."
Denn rund die Hälfte der britischen Ausfuhren geht in andere EU-Staaten. Das Land ist wirtschaftlich also auf den europäischen Binnenmarkt angewiesen. Und auch auf die Subventionen aus Brüssel. Das gilt für die Landwirtschaft. Noch wichtiger sind aber Gelder für Forschung:
"Großbritannien ist der zweitgrößte Empfänger von Forschungsgeldern aus der EU - das Geld ist sehr wichtig. Das betrifft Firmen im Land, aber auch Universitäten und andere Forschungseinrichtungen, die Zuschüsse bekommen."
Extra-Regelungen hat Großbritannien in der Vergangenheit für seinen Handelsplatz London herausgeschlagen, um EU-Regeln zu umgehen. Die meisten Banken in Großbritannien sind laut Claeys sogar gegen einen Austritt. Der Londoner City macht die EU-Mitgliedschaft nichts aus. "Die Briten tendieren momentan selbst dazu, den Finanzmarkt durch mehr Regulierung zu stabilisieren. Im Grunde macht es für den britischen Bankensektor also keinen Unterschied."
Land könnte sich nicht problemlos verabschieden
Unterm Strich sind die wirtschaftlichen Vorteile Großbritanniens also zu wichtig, als dass sich das Land problemlos aus der EU lösen könnte. Experten rechnen damit, dass ein Austritt die Briten sogar einiges kosten würde, drei Prozent ihres Bruttoinlandsproduktes. Die Zahlungen an den EU-Haushalt schlagen hingegen nur mit 1,5 Prozent der Staatsausgaben zu Buche. Durch eine Art Rabatt muss das Land nur zehn Prozent zum Budget beitragen - wovon es noch einen dicken Batzen über Subventionen zurückbekommt. Auch die EU würde ein Austritt schmerzlich treffen, denn als Markt ist Großbritannien ein wichtiger Partner.
Auch für die politische Union spielt Großbritannien eine wichtige Rolle, meint EVP-Politiker Elmar Brok - vor allem für die Vielfalt der Meinungen. "Da sind natürlich auch manche wirtschaftspolitischen Philosophien dabei. Die Offenheit, gegen Protektionismus, bei denen wir Deutschen ja auch manchmal ähnliche Interessenlagen feststellen und deswegen wären die Briten zur Balancierung der Europäischen Union schon ein wichtiger Partner."
Doch nicht nur im Inhalt, auch in der Form empfindet Brok seine britischen Kollegen als Bereicherung für Parlamentsdebatten. "Das ist oftmals sehr klar strukturiert und es gibt keine besseren Vorsitzenden, Diskussionsleiter als Briten. Die plötzlich sich völlig neutral verhalten, egal wo sie politisch stehen. Die Leute aufeinander hetzen und aber den klaren Schiedsrichter machen."
Vielleicht meinte Bundeskanzlerin Merkel das, als sie in ihrer Regierungserklärung davon sprach, dass Großbritannien "kein angenehmer Partner" sei. Für Elmar Brok ist vor allem klar, dass die Briten endlich ihren Frieden mit Europa schließen müssen. Schwierig, ist die nationale Debatte momentan vor allem anti-europäisch geprägt. Auch durch Premier Cameron.
"Er hat, um an die Macht zu kommen, sich mit den Euroskeptikern in seiner Partei eingelassen und wird jetzt von denen Stück für Stück getrieben. Er ist also ein Getriebener - und nicht ein Gestalter."
Daher wird auch Camerons politische Zukunft davon abhängen, ob er sein Versprechen halten kann, wieder mehr Kompetenzen ins eigene Land zu holen. Und das wäre sicherlich die bessere Alternative zum Austritt.