Großbritannien
Von Fettnapf zu Fettnapf

Mit Getöse ist die populistische und EU-kritische UKIP in Großbritannien in den Europa-Wahlkampf gestartet. Die Partei setzt auf Ressentiments gegen EU-Zuwanderer und hat sich in den vergangenen Tagen eine Reihe ziemlich peinlicher Patzer geleistet.

Von Jörg-Christian Schillmöller |
    Dabei hat die "United Kingdom Independence Party" eigentlich allen Grund, mit Zuversicht auf die Europawahl zu blicken. Die britische Partei mit rund 27.000 Mitgliedern hat zwar bis heute keinen Abgeordneten im Unterhaus in London und nur drei Mitglieder im Oberhaus - dafür aber konnte die UKIP bei den Regionalwahlen im Mai 2013 kräftig punkten. Und bei der Europawahl 2009 wurden die EU-Skeptiker sogar zweitstärkste Kraft mit 16,5 Prozent und einem Punkt Vorsprung vor Labour. Bis heute sitzen 11 Abgeordnete im Europäischen Parlament, und Prognosen sehen die UKIP auch bei der bevorstehenden Wahl im Mai auf Platz zwei. Parteichef Nigel Farage prophezeit gar ein "politisches Erdbeben".
    Vor ein paar Tagen hat die UKIP nun den Startschuss ihrer Kampagne für die Wahl im Mai gegeben. Ihre Botschaften richten sich mit Nachdruck gegen die Zuwanderung aus anderen EU-Staaten, sind sehr zugespitzt formuliert und lauten zum Beispiel: "26 million people in Europe are looking for work. And whose jobs are they after?" (26 Millionen Menschen in Europa suchen Arbeit. Und wessen Jobs wollen sie?) Während Labour-Politiker die Plakate als rassistisch anprangerten, fiel BBC-Reporter Nick Robinson etwas viel Besseres ein, um das Selbstverständnis von UKIP ein wenig ins Wanken zu bringen und ihre Waffen gegen sie selbst zu richten.
    Das Logo der populistischen und EU-kritischen UKIP-Partei
    Das Logo der populistischen und EU-kritischen UKIP-Partei (picture-alliance / dpa / Andy Rain)
    Die Geschichte findet sich unter dem Titel "The wife test" auf der Seite der BBC. Nick Robinson, bekannt für seine schonungslosen Fragen, will von Nigel Farage wissen: Nimmt Ihre Frau den Briten einen Job weg? Der Hintergrund: Misses Farage ist gebürtige Deutsche und arbeitet für Farage als Sekretärin - als EU-Ausländerin. Und Robinsons Frage bringt den UKIP-Chef sichtlich ins Schwitzen: Nein, beeilt er sich, sie nimmt niemanden einen Job weg, denn wer sonst würde mir nachts um eins zur Seite stehen. Robinson hakt nach: Sie wollen also sagen, dass es niemanden in Großbritannien gibt, der den Job als Sekretär bei ihnen machen könnte? So geht das weiter, und Farages Anti-Einwanderungs-Kampagne wackelt am Ende wie ein ziemlich instabiles Kartenhaus.
    Richtig ist aber auch, dass in Großbritannien gerade der Beginn der vollen Freizügigkeit für Rumänen und Bulgaren einen Sturm der Kritik in vielen Medien ausgelöst hat. Die Neue Zürcher Zeitung berichtete darüber zum Jahresbeginn und schrieb, auch wenn die Zuwanderer für die Masse schlecht qualifizierter und unmotivierter Schulabgänger ein Problem darstellten, so gelte doch auch:
    "Auf dem Arbeitsmarkt erweisen sich die gut qualifizierten und fleißigen Einwanderer als Segen für die Arbeitgeber. Bauwirtschaft, Gastronomie und zahllose boomende Gewerbe sind ohne Polen, Ungarn und die anderen Osteuropäer kaum mehr vorstellbar. Der Nationale Gesundheitsdienst würde ohne die Tausende Ärzte, Zahnärzte, Pfleger und Apotheker aus Südasien sogleich zusammenbrechen. Die Mittel- und Oberschicht profitiert unmittelbar von einem Heer billiger und zuverlässiger Hausangestellter, Kindermädchen, Gärtner, Putzkräfte und handymen."
    Zurück zur UKIP. Die nächste Panne ist noch peinlicher: In einem Fernseh-Werbespot der UKIP für die Europawahl kommt ein nachdenklich blickender Arbeiter zu Wort - und sagt: "Weil die Typen aus Osteuropa für viel weniger Geld arbeiten, wird es schwer für mich, für meine Familie zu sorgen." Das wäre ja noch erträglich. Nur dass der Mann - er heißt Andre Lampitt - auf seinem Twitter-Account offenbar noch viel klarere Kante gezeigt hat und dabei nach übereinstimmenden Berichten auch extrem rassistische Thesen vertreten haben soll. "The Independent" schreibt, das sei wahrlich keine hübsche Lektüre. Denn Lampitt pestet gegen Muslime und Afrika und beleidigt Labour-Chef Ed Miliband ("Der ist doch eigentlich ein Pole, der gar nicht britisch ist, also woher weiß er, was gut für Großbritannien ist?") Die Folge: Andre Lampitt wurde mit sofortiger Wirkung aus der UKIP ausgeschlossen.
    Und noch ein Patzer: Auf einem der Wahlplakate von UKIP ist eine Frau zu sehen mit dem Spruch: "Ich wähle UKIP, weil es die einzige Partei ist, die dem zuhört, was die Menschen wollen". Darunter steht "Lizzy Vaid, Devon." Mit wenig Recherche fanden die britischen Medien dann heraus: Das Plakat suggeriert zwar, dass hier eine ganz normale Bürgerin spricht. In Wahrheit arbeitet Lizzy Vaid für die UKIP, nur dass davon auf dem Plakat nichts zu sehen ist. Parteichef Nigel Farage zeigte sich uneinsichtig: Er verstehe nicht, warum man sagen müsse, dass Lizzy Vaid für UKIP arbeite.
    Fazit: Dieser Start in die Wahlkampagne brachte der UKIP zwar viel Aufmerksamkeit in den Medien, aber sicher nicht die Form von Werbung, die sie eigentlich mit ihrer Kampagne gegen EU-Ausländer beabsichtigt hat.