Nordirland mit EU-Zöllen, eine Grenze zwischen Großbritannien und der Europäischen Union der Irischen See, ein Mitspracherecht der nordirischen Unionisten über die Anwendung der neuen Regeln, und nun auch noch das: Wie soll man mit unterschiedlichen Mehrwert- und Umsatzsteuern umgehen in Nordirland und im Königreich? Während seine Leute in Brüssel all das verhandeln, verhandelt Boris Johnson selbst in Downing Street. Mit der eigenen Partei und besonders intensiv mit der nordirischen DUP. Zehn Stimmen hat sie im Unterhaus. Und was immer Johnson im Parlament durchbringen will: Auf diese zehn Stimmen wird er maßgeblich angewiesen sein. Deshalb empfängt er DUP-Chefin Arlene Foster in rascher Abfolge mehrfach im Regierungssitz. Doch Foster legt sich nicht fest.
Well, we continue the discussions. And no doubt will say something later out today.
Foster soll "blutrote Linie" überschreiten
Die Grenze in der irischen See: Arlene Foster nennt sie eine "blutrote Linie". Und genau die soll sie nun überschreiten. Am späten Abend twitterte die BBC, DUP-Politiker warnten vor Lücken zwischen Johnsons Vorschlägen und dem, was sie unterstützen könnten. Nach einem Durchbruch klingt das nicht. Ein Nein der DUP ist für Johnson aber gefährlich. Denn Hardliner in seiner eigenen Partei stehen in Treue fest zu den nordirischen Unionisten. Der frühere Brexit-Minister David Davis:
Der Test für Johnsons Abkommen wird die DUP sein, weil ziemlich viele Tory-Abgeordnete in dieselbe Kerbe hauen werden wie sie.
Die Tories, an die Davis dabei denkt, sind die Spartaner. Wie viele von ihnen lassen den Premier im Stich, wenn die DUP nicht mitzieht? Jeder Schritt, den Johnson auf die EU zugeht, entfernt ihn von diesen Brexit-Hardlinern. Jeder Schritt, den er auf die Hardliner zugeht, macht ein Abkommen mit der EU wieder unwahrscheinlicher. Druck also von beiden Seiten.
Stichtag Samstag im Unterhaus
Und dazu noch enormer Zeitdruck. Boris Johnson will eine Einigung mit der EU am Samstag im Unterhaus zur Abstimmung stellen. Bekommt der Premier im eigenen Lager keine Mehrheit, könnte ihn rein rechnerisch nur die andere Seite retten: Weiche Brexiteers bei den Tories und bei Labour. Jeremy Corbyn, dessen Partei über den Brexit gespalten ist, ermahnt seine Leute nicht zufällig, unbedingt mit Nein zu stimmen. Gegen einen Vertrag, der Arbeitnehmer- und Umweltrechte verletze, so der Labour-Chef, oder Großbritannien in die Arme Donald Trumps treibe.
Wie die Sache ausgeht am Samstag im Unterhaus ist völlig offen. Johnson könnte triumphieren oder eine schwere Niederlage kassieren, mit unabsehbaren politischen Folgen. Und auch ein zweites Referendum wird wieder diskutiert. Sogar Jeremy Corbyn, im Herzen ein Brexiteer, soll jetzt dafür sein, schreibt heute die Times. Wenn der Labour-Chef sich diesem Wunsch eines Teils seiner Abgeordneten anschließt, könnte Bewegung in die Sache kommen, für die am Samstag wieder hunderttausende Briten in London demonstrieren wollen. Es könnte historisch werden an diesem Super Saturday: im Unterhaus. Und draußen auf der Straße.