Unterhaus
Großbritannien wählt neues Parlament - Machtwechsel wahrscheinlich

In Großbritannien wird bis in den späten Abend ein neues Parlament gewählt. Der Konservativen Partei von Premierminister Sunak droht nach aktuellen Umfragen eine historische Niederlage. Neuer Regierungschef dürfte der Labour-Politiker Starmer werden. Mit Spannung erwartet wird auch das Abschneiden der rechtspopulistischen Partei Reform UK.

04.07.2024
    Auf dem Bild sieht man die Portraits von Rishi Sunak und Keir Starmer
    Keir Starmer (r.), der Spitzenkandidat der Labour-Partei, hat gute Chancen auf einen Wahlsieg. Damit würde er Premier Rishi Sunak ablösen. (picture alliance / empics)
    Die Wahllokale schließen um 23 Uhr unserer Zeit. Anschließend wird eine Prognose erwartet, die einzelnen Wahlkreise werden aber noch bis zum Freitagmorgen ausgezählt. König Charles III. erteilt anschließend einen Auftrag zur Regierungsbildung.
    Prognosen sehen die Labour-Partei bei deutlich mehr als 400 Sitzen, das wäre die stärkste Mehrheit der jüngeren Geschichte. Nach der vergangenen Wahl 2019 hielt die Partei 202 Mandate. 
    Starmer warb im Wahlkampf für eine Rückkehr zur Seriosität in der britischen Politik, versprach ein langfristiges Wirtschaftswachstum und präsentierte sich vor allem als Diener des Landes. Dagegen hatten die Tories vor allem einen Negativ-Wahlkampf geführt, vor Steuererhöhungen durch eine Labour-Regierung gewarnt und ein härteres Vorgehen hinsichtlich Migration und Sicherheit angekündigt.
    Mit Spannung erwartet wird auch das Abschneiden der rechtspopulistischen Partei Reform UK. Ihr Chef Farage, der einst den Brexit maßgeblich vorangetrieben hatte, könnte erstmals in seiner Karriere ins Unterhaus einziehen. Bisher war er siebenmal gescheitert.

    Letzte Wahlkampfveranstaltungen der Parteien

    Am letzten Tag vor der Parlamentswahl begaben sich die Parteivorsitzenden noch einmal auf Stimmenfang. Während Labour-Chef Starmer durch England, Schottland und Wales tourte, konzentrierte sich Premierminister Sunak darauf, in Tory-Hochburgen im Südosten Englands um die Wählerstimmen zu werben.
    Doch bei den Konservativen hat man sich schon auf eine Niederlage eingestellt. Angesichts der Umfragen sei es ziemlich klar, dass die Labour-Partei auf einen Erdrutschsieg zusteuere, wie es ihn in Großbritannien noch nie gegeben habe, sagte Arbeitsminister Stride in einem Interview. Die ehemalige Innenministerin Braverman schrieb im "Daily Telegraph", ihre Partei solle sich "auf die Realität und die Frustration" in der Opposition vorbereiten. Die Tories hätten es versäumt, die Einwanderung zu begrenzen oder die Steuern zu senken, meinte Braverman, die als Anwärterin auf die konservative Parteiführung gilt.

    Wechselstimmung und Fehlkalkulation

    Der Höhenflug der Labour-Partei unter ihrem Vorsitzenden Starmer hat für die Politologin Högenauer von der Universität Luxemburg mehrere Gründe. Die Großbritannien-Expertin sagte im Deutschlandfunk, nach 14 Jahren unter konservativer Regierung mache sich im Land eine Wechselstimmung breit, weil die Bevölkerung für nahezu alle Probleme wie hohe Lebenshaltungskosten und die mangelhafte ärztliche Versorgung die Tories verantwortlich mache. Zudem würden die Wahlen in Großbritannien in der Mitte gewonnen. Und weil Labour-Chef Starmer es geschafft habe, seine Partei zu stabilisieren und sich selbst von seinen linken Anfängen immer mehr in der Mitte zu positionieren, würden die Tories nach rechts gedrängt. Zudem habe sich Premier Sunak bei der Terminierung der Wahl verkalkuliert. Er habe nicht mit einem so großen Zuspruch für Labour gerechnet, betonte Högenauer.

    Mehrheitswahlrecht in Großbritannien

    Wahlberechtigt sind mehr als 46 Millionen Menschen. Alle Sitze im Unterhaus werden per Direktmandat vergeben. Dabei gewinnt stets die Kandidatin oder der Kandidat mit den meisten Stimmen in einem der 650 Wahlkreise. Die Wahlberechtigten haben jeweils eine Stimme. Die absolute Mehrheit im Unterhaus (House of Commons) beträgt 326 Sitze. 

    Weitere Informationen:

    Wie steht es um die britische Wirtschaft? (Audio)
    Hier können Sie das Interview mit der Großbritannien-Expertin Högenauer hören.
    Diese Nachricht wurde am 04.07.2024 im Programm Deutschlandfunk gesendet.