Die wichtigsten Fragen:
Großbritannien hat die Europäische Union formal am 31. Januar 2020 verlassen - um Mitternacht mitteleuropäischer Zeit, also um 23 Uhr in London. Dennoch gibt es eine elfmonatige Übergangs- und Verhandlungsphase bis Ende des Jahres. Für Unternehmen herrscht damit weiter Unsicherheit. In dieser Phase bleibt wirtschaftlich erst einmal alles beim Alten.
Die Verhandlungen über ein umfassendes Freihandels- und Partnerschaftsabkommen führt für die Europäische Union wieder Brexit-Chefunterhändler Michel Barnier. Der Zeitplan war von Begin an ambitioniert: In so kurzer Zeit hat noch nie ein Drittland eine derartige Vereinbarung mit der EU geschlossen.
Nicht nur der BDI forderte deshalb frühzeitig, die Übergangszeit zu verlängern. "Die Verhandler brauchen mehr Zeit", sagte Geschäftsführer Joachim Lang im Deutschlandfunk. Eine Million Arbeitsplätze hingen mit Großbritannien direkt und indirekt zusammen. "Und wir gehen davon aus, dass bis zu 20 Prozent unmittelbar betroffen sein könnten - bei deutschen Unternehmen hier und dort."
Eine Verlängerung der Übergangsfrist lehnt Großbritanniens Premierminister Boris Johnson jedoch trotz aller Bedenken strikt ab. Einigen sich EU und Großbritannien nicht auf Grundlagen ihrer Beziehung, könnte es am 31.12.2020 zu einem "harten Brexit" kommen, also dem Austritt Großbritanniens aus der EU, dem EU-Binnenmarkt und aus der Zollunion.
Mit dem Austritt verlassen auch die britischen EU-Parlamentarier das Europaparlament. Dadurch verändert sich auch die Zusammensetzung der politischen Fraktionen im EU-Parlament.
Einreisen darf man nach Großbritannien ab spätestens 2021 nur noch mit gültigem Reisepass, der EU-Führerschein gilt weiterhin, eine Visumpflicht ist nicht geplant. Urlauber müssen auch keine Zusatzkosten beim Roaming befürchten, denn Großbritannien könnte von den Mobilfunkanbietern wie andere Nicht-EU-Mitgliedsstaaten behandelt werden - nämlich zur EU-Zone zugehörig. Großbritanniens Währung bleibt das britische Pfund, das hat allerdings an Wert verloren. Für den (Online-)Handel ändert sich bis Ende des Jahres nichts. Sollte es danach keine Einigung geben, könnten Zollgebühren erhoben werden. Produkte von der Insel würden damit teurer.
Reise, Jobs, Versicherungen - Was Sie zum Brexit wissen sollten
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Für EU-Bürger, die in Großbritannien leben, und Briten, die auf dem Festland leben, soll sich nichts ändern. Sie müssen allerdings eine Aufenthaltsgenehmigung beantragen. Dennoch kann der Brexit spürbare Folgen für Briten haben, die in der EU leben - zum Beispiel weil man für bestimmte Ämter den Pass eines EU-Mitgliedsstaats haben muss.
Premierminister Johnson strebt ein Freihandelsabkommen ohne Bindung an EU-Regeln an. In der EU sorgt man sich, dass London die nächste große Steueroase werden könnte und sich auch dadurch Wettbewerbsvorteile verschafft. "Boris Johnson hat ja schon angekündigt, dass er aus seinem Land gerne ein Dumping-Paradies machen würde, dass er mit Blick auf Umweltstandards, Verbraucherschutzstandards gerne die EU auch in einen Wettbewerb nach unten treiben möchte, und das wird die Herausforderung sein, dem zu widerstehen", sagte Franziska Brantner, Sprecherin für Europapolitik Bündnis 90/Die Grünen, im Dlf. SPD-Europapolitikerin Katarina Barley warnte im Dlf vor einer möglichen Schwächung von Arbeitnehmerrechten.
Die wirtschaftlichen Konsequenzen für das Vereinigte Königreich wären bei einem ungeordneten Austritt allerdings schwerwiegender als für die EU. Das britische Pfund hat an Wert verloren. Viele Firmen verlassen die britische Insel seit dem Referendum 2016.
Das Vereinigte Königreich, zu dem England, Wales und Schottland sowie Nordirland zählen, trat gemeinsam mit Dänemark und Irland 1973 der Europäischen Union bei. Es ist der erste Mitgliedsstaat, der wieder austritt. Die Abkehr von der Europäischen Union hänge stark mit der Frage der nationalen Identität zusammen, sagte der emeritierte Cambridge-Professor Nicholas Boyle im Dlf. Seit dem Verlust des Empire habe England immer an der eigenen Identität gezweifelt.
Für die Schotten wird die Unabhängigkeit wieder attraktiver. 2014 hatten sich die meisten Schotten in einem ersten Referendum gegen eine Abspaltung ausgesprochen.
Nordirland kommt eine Sonderstellung zu, denn mit dem Brexit befindet sich Nordirland an einer EU-Außengrenze. So soll es verstärkt Kontrollen für Waren geben. Im Brexit-Abkommen wurde zwar eine offene Grenze auf der Insel zwischen EU-Mitglied Irland und dem zukünftigen Nicht-EU-Mitglied Nordirland juristisch verankert.
Das umstrittene britische Binnenmarktgesetz würde London jedoch die Möglichkeit geben, die im Brexit-Vertrag bereits festgeschriebene Regelung auszuhebeln. im britischen Oberhaus gibt es jedoch Widerstand gegen das Gesetz. In Irland ist angesichts der politischen Vergangenheit die Sorge vor einer neuerlichen Grenze auf der Insel groß.