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Grosse-Brömer: FDP muss im Wahljahr zulegen

Zwischen Union und FDP gebe es deutlich mehr Übereinstimmungen, als gemeinhin angenommen, sagt Michael Grosse-Brömer, Parlamentarischer Geschäftsführer der CDU/CSU im Bundestag. Mit Blick auf die Bundestagswahl 2013 ruft er den Koalitionspartner zum Kampf um das Vertrauen der Wähler auf.

Michael Grosse-Brömer im Gespräch mit Sandra Schulz |
    Sandra Schulz: Das war wieder so ein Fall zwischen den Jahren: Wirtschaftsminister Rösler hatte sich für einen stärkeren Privatisierungskurs ausgesprochen, die Reaktion aus der Union kam prompt, und sie war nicht freundlich. Unausgegoren hieß es zum Beispiel aus der CSU-Mittelstandsunion. Was ein Koalitionspartner richtig findet, das findet der andere falsch, das ist in der schwarz-gelben Koalition ein durchaus gängiges Strickmuster. Es gilt auch für das Betreuungsgeld, das die CSU zu guter Letzt im Herbst durchgesetzt hat, die Diskussion um eine Lohnuntergrenze, den Kampf gegen die Altersarmut und punktuell auch bei der Energiewende. Unter welchen Vorzeichen startet die schwarz-gelbe Koalition also in das wichtige Wahljahr 2013? Unter anderem darüber wollen wir in den kommenden Minuten sprechen – am Telefon begrüße ich den Parlamentarischen Geschäftsführer der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Michael Grosse-Brömer. Guten Morgen!

    Michael Grosse-Brömer: Guten Morgen, Frau Schulz!

    Schulz: Auf ein Jahr in einem schwieriger werdenden wirtschaftlichen Umfeld hat uns die Kanzlerin eingestimmt in ihrer Neujahrsansprache. Was kommt auf uns zu?

    Grosse-Brömer: Ja, wir werden sicherlich mit gewissen Herausforderungen leben müssen, das war aber im letzten Jahr auch schon so. Und wir sind ja in der glücklichen Lage, eine Kanzlerin zu haben, die sowohl in Deutschland als auch in Europa und vielleicht sogar weltweit in der Lage ist, solche Situationen zu entschärfen, nüchtern zu analysieren und dann eine entsprechend gute Politik zu machen, damit wir auch Lösungsvorschläge haben, die lange tragen können.

    Schulz: Wird die Regierung denn noch regieren im Wahljahr 2013?

    Grosse-Brömer: Ja, das ist ja gar keine Frage. Die Leute und die Menschen in Deutschland erwarten doch von einer Regierung, dass sie nicht neun Monate vorher mit Wahlkampf beginnt, deswegen wird seriös weitergearbeitet. Und dass zwischendurch Niedersachsen und dann irgendwann auch Bayern und letztlich irgendwann Ende des Jahres oder im Herbst diesen Jahres auch der Bundestagswahlkampf seine Schatten wirft, das ist natürlich der Demokratie geschuldet. Das soll auch so sein, wir leben im Meinungsstreit, aber zunächst wird seriös weitergearbeitet.

    Schulz: Können Sie uns dann möglichst knapp drei Projekte nennen, die definitiv bis Mitte 2013 stehen?

    Grosse-Brömer: Ja, ich denke, wir haben die große Herausforderung der Stabilität unserer Währung, die müssen wir weiterhin gewährleisten, und deswegen sind wir immer bestrebt, auf europäischer Ebene die richtige Politik anzuschieben. Die Kanzlerin sagt, keine Leistung ohne Gegenleistung, wer Hilfe will, muss selbst auch besser werden.

    Schulz: Machen Sie das konkreter: Was beschließt Berlin noch bis Mitte 2013?

    Grosse-Brömer: Ja, das ist einmal diese Arbeit an der Stabilität unseres Euros. Wir haben natürlich auch die großen Projekte der Energiewende, wir werden uns mit der Rentenproblematik beschäftigen müssen – das sind alles Punkte, die auf der Agenda stehen, und die dort auch weiterhin bearbeitet werden.

    Schulz: Das habe ich jetzt noch nicht ganz verstanden, wie das dann im Einzelnen umgesetzt werden soll: Rentenproblematik haben Sie angesprochen, vielleicht bleiben wir an dem Punkt mal, da gehen die Meinungen ja weit auseinander zwischen CDU und der FDP. Jetzt hat zuletzt das Wirtschaftsministerium eine Expertise vorgelegt, die eigentlich drauf rausläuft, dass die Lebensleistungsrente, die die CDU ja will, dass die nicht richtig sei. Setzen Sie da vor der Bundestagswahl noch was um?

    Grosse-Brömer: Wir arbeiten auf jeden Fall intensiv daran, sowohl das Ministerium als auch die Fraktionen mit ihren jeweiligen Rentenexperten, und der Grundsatz der Union, zu sagen, wer Jahrzehnte eingezahlt hat in die Rente, der soll dann später nicht zum Sozialamt müssen, sondern einen eigenen Rentenanspruch haben, und diejenigen, die privat vorgesorgt haben, die sollen später auch von dieser privaten Vorsorge etwas spüren und irgendetwas haben – ich finde, diese Grundsätze sind richtig, daran werden wir festhalten.

    Schulz: Wann ist die Lebensleistungsrente unter Dach und Fach?

    Grosse-Brömer: Ja, jedenfalls werden wir daran arbeiten. Sie haben völlig recht, wenn es unterschiedliche Auffassungen gibt in der Regierung, dann muss man sich da zusammensetzen und Mittel und Wege finden, so, wie wir es in anderen strittigen Punkten auch haben. Im übrigen ist es ja auch nicht völlig ungewöhnlich, wenn man innerhalb der Regierung – im Regelfall ist das auch innerhalb der Opposition so – zu verschiedenen Themen unterschiedliche Auffassungen hat.

    Schulz: Wird das denn auch 2013 das Koalitionsklima weiterhin prägen, dass Vorschläge eines Koalitionspartners umgehend abgewatscht werden?

    Grosse-Brömer: Also ich bin davon überzeugt, dass wir gemessen werden vor der Bundestagswahl an unseren Ergebnissen. Und wenn Sie sich heute die wirtschaftliche Situation in Deutschland angucken, wenn Sie sich die Arbeitsplätze angucken, insbesondere die Situation in Europa vergleichen, dann sind diese Ergebnisse exzellent, mit denen können wir hervorragend in den Wahlkampf gehen, weil bei allen unterschiedlichen Auffassungen, die es gibt, gibt es auch sehr viele übereinstimmende Auffassungen, die machen deutlich, dass diese Regierung erfolgreiche Ergebnisse, oder erfolgreich regiert hat und gute Ergebnisse vorzeigen kann.

    Schulz: Aber wenn wir auf die Rhetorik schauen – ich habe ein paar Beispiele aus dem letzten Jahr zusammengesucht –: kleine dreckige Foulspiele, das war ein Vorwurf des CSU-Generalsekretärs Dobrindt auch an die FDP-Adresse, aus der FDP kam der Vorwurf an Ursula von der Leyen, sie betreibe taktische Spielchen, Rösler habe den Schuss nicht gehört, hieß es aus der CSU. Dann gab es ja noch das Frosch-Gleichnis auf die Kanzlerin von Herrn Rösler – bleibt es denn jetzt so schlimm in 2013, oder wird es noch schlimmer?

    Grosse-Brömer: Also Sie haben ja Beispiele genannt, die ich noch gar nicht alle kenne. Aber dass der Generalsekretär der einen oder anderen Partei auch drastisch Worte wählt, das ist sogar seine Aufgabe. Er muss ein bisschen zuspitzen, damit er gehört wird, das ist in der heutigen Mediengesellschaft ja nicht unüblich. Ob das dann immer die Sprüche sind, die man am Ende des Jahres wieder hören möchte, ist eine zweite Frage, da gebe ich Ihnen völlig recht. aber alles, was Gemeinschaftlichkeit dokumentiert, was gemeinschaftliche Auffassungen dokumentiert, nämlich zwischen CDU/CSU und FDP, die es nämlich auch in weiten Teilen gibt – zum Beispiel arbeite ich exzellent mit meinem Parlamentarischen Geschäftsführer Jörg van Essen zusammen –, all das wird natürlich am Ende des Jahres nicht zitiert. Deswegen schlage ich immer vor: Gucken Sie auf die Ergebnisse, die Sprüche alleine bringen es ja nicht – das was man umgesetzt hat, das wird das Maßgebliche sein, und was die Menschen uns zutrauen, in der Zukunft umzusetzen. Und da, glaube ich, da haben wir eine seriöse Kanzlerin, und der SPD-Kandidat, der fällt ja gerade nicht durch kluge Sprüche auf.

    Schulz: Dann ist die Frage natürlich offen: Wenn die schwarz-gelbe Regierung so erfolgreich arbeitet, wie erklären Sie es sich dann, dass die FDP im Bund, jetzt auch in Niedersachsen, um ihren Wiedereinzug ins Parlament zittern muss?

    Grosse-Brömer: Die FDP hat natürlich von einem exzellenten Wahlergebnis ausgehend Zustimmung und Vertrauen in der Bevölkerung verloren, das wissen die Liberalen auch selbst, und sie bemühen sich jetzt in vielfältiger Hinsicht, dieses Vertrauen zurückzugewinnen. Und ich finde, wenn ich auf Niedersachsen gucke, dann stelle ich fest, die FDP-Minister dort arbeiten solide und haben auch da hervorragende Ergebnisse vorzuweisen. Und ich bin sehr zuversichtlich, dass sowohl in Niedersachsen als auch in der Bundestagswahl die FDP es schaffen wird, in die Parlamente zurückzukehren.

    Schulz: Die Umfragen stützen diese Zuversicht jetzt nicht, da ist die Partei im Moment immer knapp unter der Fünfprozenthürde. Müssten Sie da nicht auch was tun für Ihren Koalitionspartner?

    Grosse-Brömer: Nun, ich könnte zunächst mal darauf hinweisen, dass Umfragen keine Wahlergebnisse sind. Und ich weiß, dass mein Koalitionspartner, jedenfalls meine Freunde von Patrick Döring bis Philipp Rösler angefangen, die ja auch alle aus Niedersachsen kommen, sind selbstbewusst genug und auch klug genug, zu sagen, wir müssen noch kämpfen, wir müssen auch den Menschen verdeutlichen, dass es sich lohnt, liberale Gedanken im Parlament zu haben. Und ich glaube, da brauchen die wieder Ratschläge noch eine besondere Hilfestellung.

    Schulz: Aber wenn Sie sich nicht engagieren für die FDP, wie wollen Sie dann glaubhaft machen, dass wirklich die FDP der Wunschpartner ist im Bund zum Beispiel und nicht Schwarz-Grün?

    Grosse-Brömer: Aber ich glaube, wir können gerade sehr schön verdeutlichen, was die Alternative ist, und dabei geht es ja um Wahlen, in Wahlen. Wenn ich sehe, dass die Alternative derzeit bei rot-grün ist, massiv Steuern zu erhöhen, von der Erbschaftssteuer anfangend bis hin zu allen anderen möglichen Steuern, die sonst noch auf die Menschen zukommen, und wenn man da sagt, unsere Idee ist eher – Stichwort Praxisgebühr, Stichwort Senkungen Rentenversicherungsbeiträge –, die Idee der Union und der FDP ist es, eher die Menschen zu entlasten in Deutschland und nicht zu belasten, dann ist das schon mal der erste Anfang, der Unterschiede deutlich macht. Und ich glaube, darauf wird es auch in den künftigen Wahlkämpfen ankommen, und dann ist der Weg von vier Prozent auf fünf oder sechs Prozent für die FDP auch nicht mehr so weit.

    Schulz: Michael Grosse-Brömer, Parlamentarischer Geschäftsführer der CDU/CSU-Bundestagsfraktion und hier heute Morgen im Interview mit dem Deutschlandfunk. Haben Sie herzlichen Dank dafür!

    Grosse-Brömer: Gern geschehen, tschüss, Frau Schulz!


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